Reise zum Rheinsteig (5.Tag) (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Ulrich,
vielen Dank für die Übermittlung Deiner "Randerlebnisse" von der Rheinsteig-Wanderung. Dieser Bericht erinnert mich an 1984, als ich noch an der Uni Oldenburg an meiner Dissertation "herumdokterte". Zusammen mit 5 weiteren Unikollegen war nahm ich an einem mehrtägigem Kongreß im niederländischen Utrecht teil. Wir mieteten uns eine feste Unterkunft auf einem Campingplatz. Als einziger Teilnehmer benutzte ich das Fahrrad, die anderen kamen mit dem Auto - und fanden sich sogar bereit, meine Dienstkleidung, die ich auf dem Kongreß trug (meine damalige "Normalkleidung" waren noch Jeans, im Winter lange, im Sommer kurze, und immer in Kombination mit Schuhen, und nur in Ausnahmefällen ohne Socken, pfui!) im Auto mitzunehmen.
Bei der Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß ich einige Veranstaltungen des Kongresses schwänzte und mir stattdessen (in Dienstkleidung) den Domturm und das Eisenbahnmuseum ansah. Für eine Fahrt mit der Schnellstraßenbahn http://www.nycsubway.org/perl/show?9477 hat die Zeit nicht gelangt. Heute hätte ich natürlich alles "nichtgeschäftliche" (Fahrradfahrt, Tramfahrt, Museumsbesuch, Dombesteigung) barfuß unternommen.
Noch eine Randbemerkung: Ich verließ als letzter die Unterkunft und war daher fürs Aufräumen zuständig. Eine Unikollegin ließ dabei ein paar Schuhe stehen (keine Sorge: sie fuhr nicht barfuß nach Hause, sondern hatte mehr als ein paar Schuhe dabei). Ich hielt es für nötig, die ihre Schuhe zurück nach Oldenburg zu nehmen. Da man als Radfahrer nicht mit Gepäck haushalten muß, hatte ich den zusätzlichen Platz für ein paar Damenschuhe einfach nicht eingeplant. So blieb mir nichts anderes übrig, diese jeweils außen an die Packtaschen zu binden, was natürlich auffiel und große Glotzaugen verursachte. Noch ulkiger hätte es wohl ausgesehen, wenn ich barfuß geradelt wäre und DAMENschuhe an Velo gebunden hätte.
Während ich auf der Hintour nach Utrecht über Deventer, Appeldoorn und Amersfort fuhr, radelte ich auf dem Rückweg über Arnheim in Richtung "Ruhrpott" (unter dem ich damals noch so ziemlich alles zwischen Bielefeld und Bonn verstand). Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte ich die Stadt Xanten, die Du so beschrieben hast:
"Am Dienstag den 11. Juli fuhr ich zunächst in Richtung Xanten. An einer Tankstelle besorgte ich mir noch ein bescheidenes Frühstück, las noch etwas und trödelte ein wenig, um gegen 9:00 Uhr, als der Archäologiepark in Xanten öffnete, dort einzutreffen. Sofort beeindruckte mich die römische Stadtmauer mit ihren Toren, sowie die Ruine eines Tempels, die sich allerdings als Rekonstruktion entpuppte. Alles, was dort oberirdisch zu sehen ist, ist wiederaufgebaut, original sind bestenfalls die Fundamente. Dennoch ist der Park unbedingt sehenswert und einen Besuch wert. Die Wege sind mit feinem Splitt gut begehbar, die Rasenflächen allerdings vielfach voller Klee, was Vorsicht gegenüber Bienen sinnvoll werden lässt. In einigen Türmen kann man auf steilen Leitern nach oben klettern, was barfuß sehr gut machbar ist, aber sicher auch nicht jedermanns Sache ist. Im Amphitheater herrscht feinster Sandboden, und die Tribünen bestehen aus glattem sehr angenehmem Stein.
Nachdem ich mich viele Stunden dort aufhielt, besichtigte ich noch die Altstadt. Zunächst lockte mich der Besuch einer in Betrieb befindlichen Windmühle. Ich durfte nach oben steigen und unterhielt mich dort ein wenig mit dem Müller, der nun wegen beginnenden leichten Nieselregens, die Segel einholte damit sie trocken blieben und die Mühle anhielt. Als er fertig war, hörte es wieder auf zu regnen, was mir ganz recht war. Zu meinen nackten Füßen sagte niemand etwas.
In der Altstadt fielen mir dann zahlreiche Ziegel- oder Keramikplatten im Boden auf, die in noch weichem Zustand mit einem Fußabdruck versehen wurde. Dabei stand dann immer noch der Name des Fußbesitzers. Seltsamerweise waren diese Abdrücke, soweit ich es überprüft habe, alle deutlich kleiner als meine Füße. Ob die wohl beim Brennen kleiner wurden? Oder ob das Kinder waren? Zumindest war es ein kleines Mädchen, das sich einen (!) Schuh auszog, um ihre Fußgröße mit der auf einer dieser Platten zu vergleichen. Sie ging dann so halbbarfüssig noch zur nächsten, bevor sie sich den Schuh wieder anzog.
Ansonsten ist auch die Altstadt sehr hübsch. Viele alte Fachwerkhäuser, eine Stadtmauer mit Türmen und Toren, ein Dom und angenehmes Kopfsteinpflaster steigerten meine Begeisterung."
Mich faszinierte die Silhouette der Nibelungenstadt, von der Existenz des Archäologiepark wußte ich nichts. Unweit der Stadt übernachtete ich im Schlafsack. Am nächsten Morgen radelte ich nach Wesel, zu Deinem Text:
"Von Xanten aus fuhr ich dann weiter nach Wesel. Die Stadt sah ich mir zwar nicht an, aber den Zusammenfluss von Lippe und Rhein. Ein kurzer Blick von der Rheinbrücke genügte dazu."
kann ich sagen, daß Du nichts versäumt hast. Wesel empfand ich als eher häßliche Stadt, den Zusammenfuß beider Flüsse bekam ich auch mit. Dort gab es ja auch mal eine Eisenbahnbrücke über den Rhein, hast Du möglicherweise noch Reste davon gesehen?
Ich radelte über Haltern nach Münster und war ebenso wie Du von dieser Stadt fasziniert, Deine Bemerkungen:
"Anschließend beeilte ich mich, um mir am Abend noch Münster anzusehen. Die Stadt wurde zwar erkennbar in Krieg schwer beschädigt, jedoch bemühte man sich beim Wiederaufbau zumindest in der Fußgängerzone die Größe, Stil und Anordnung der alten Häuser beizubehalten. Spuren der 1954 stillgelegten Straßenbahn entdeckte ich allerdings nicht mehr. Das Schloss war mit Bühnen und Containern für irgendeine Veranstaltung völlig verstellt, so dass ich es nur von ganz schräg erkennen konnte. Warum muss man für solche Aktionen eigentlich immer die schönsten Stellen einer Stadt restlos verschandeln?
Die Stadt ist wirklich hübsch mit ihren Fachwerkhäusern, der Ziegelbauweise, dem Dom, dem Rathaus und dem Kopfsteinpflaster und lohnt einen Abstecher."
kann ich bestätigen. Diese Stadt muß wirklich barfußfreundlich sein. Außer dieses Mal radelte ich auch einmal aus der Schweiz durch Münster durch, und zweimal unterbrach ich dort eine Bahnfahrt für ca. 2 Stunden. Leider in allen Fällen mit Schuhen. Interessant ist auch der Stadtteil Wolbeck mit den Fachwerkhäusern. Obwohl heute Bestandteil einer Großstadt, so hat Wolbeck doch seinen kleinstädtischen Charakter bewahrt. Am dortigen Bahnhof halten leider keine regulären Personenzüge mehr.
Abends war ich wieder in Oldenburg, ziemlich erschöpft, wie Du dir denken kannst.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen