Reise zum Rheinsteig (5.Tag) (Hobby? Barfuß! 2)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 17.07.2006, 13:59 (vor 6641 Tagen)

Am Dienstag den 11. Juli fuhr ich zunächst in Richtung Xanten. An einer Tankstelle besorgte ich mir noch ein bescheidenes Frühstück, las noch etwas und trödelte ein wenig, um gegen 9:00 Uhr, als der Archäologiepark in Xanten öffnete, dort einzutreffen. Sofort beeindruckte mich die römische Stadtmauer mit ihren Toren, sowie die Ruine eines Tempels, die sich allerdings als Rekonstruktion entpuppte. Alles, was dort oberirdisch zu sehen ist, ist wiederaufgebaut, original sind bestenfalls die Fundamente. Dennoch ist der Park unbedingt sehenswert und einen Besuch wert. Die Wege sind mit feinem Splitt gut begehbar, die Rasenflächen allerdings vielfach voller Klee, was Vorsicht gegenüber Bienen sinnvoll werden lässt. In einigen Türmen kann man auf steilen Leitern nach oben klettern, was barfuß sehr gut machbar ist, aber sicher auch nicht jedermanns Sache ist. Im Amphitheater herrscht feinster Sandboden, und die Tribünen bestehen aus glattem sehr angenehmem Stein.
Nachdem ich mich viele Stunden dort aufhielt, besichtigte ich noch die Altstadt. Zunächst lockte mich der Besuch einer in Betrieb befindlichen Windmühle. Ich durfte nach oben steigen und unterhielt mich dort ein wenig mit dem Müller, der nun wegen beginnenden leichten Nieselregens, die Segel einholte damit sie trocken blieben und die Mühle anhielt. Als er fertig war, hörte es wieder auf zu regnen, was mir ganz recht war. Zu meinen nackten Füßen sagte niemand etwas.
In der Altstadt fielen mir dann zahlreiche Ziegel- oder Keramikplatten im Boden auf, die in noch weichem Zustand mit einem Fußabdruck versehen wurde. Dabei stand dann immer noch der Name des Fußbesitzers. Seltsamerweise waren diese Abdrücke, soweit ich es überprüft habe, alle deutlich kleiner als meine Füße. Ob die wohl beim Brennen kleiner wurden? Oder ob das Kinder waren? Zumindest war es ein kleines Mädchen, das sich einen (!) Schuh auszog, um ihre Fußgröße mit der auf einer dieser Platten zu vergleichen. Sie ging dann so halbbarfüssig noch zur nächsten, bevor sie sich den Schuh wieder anzog.
Ansonsten ist auch die Altstadt sehr hübsch. Viele alte Fachwerkhäuser, eine Stadtmauer mit Türmen und Toren, ein Dom und angenehmes Kopfsteinpflaster steigerten meine Begeisterung.
Von Xanten aus fuhr ich dann weiter nach Wesel. Die Stadt sah ich mir zwar nicht an, aber den Zusammenfluss von Lippe und Rhein. Ein kurzer Blick von der Rheinbrücke genügte dazu.
Weiter ging es nach Schermbeck, wo ich am Abend zuvor eine schmalspurige Feldbahn entdeckte, die noch in Betrieb zu sein schien. In der Hoffnung auf Sichtung eines Zuges wartete ich einen Moment und befragte dann einen Passanten. So erfuhr ich, dass die Bahn doch stillgelegt ist, aber an Wochenenden gelegentlich für Touristen befahren wird. Na ja, ein paar Bilder von der Strecke und durch den Zaun ins Depot mussten nun reichen.
Mein nächstes Ziel war Schloss Raesfeld, eine schöne Wasserburg mit ausgedehnten Parkanlagen ringsum, deren Wege aus grobem Splitt aber nicht sehr barfußfreundlich waren. Ich kam in den Hof hinein, die Gebäude waren aber geschlossen. Angenehmes Kopfsteinpflaster im Burggelände, sowie akzeptabler Asphalt boten mir auf dem Rückweg zum Auto keine Schwierigkeiten.
In Erle besichtigte ich dann noch eine etwa 1200 Jahre alte Femeeiche, unter der früher Gericht gehalten wurde. Der Weg dorthin war zwar recht unangenehm, aber auch kurz.
Als nächstes erreichte ich dann das Wasserschloss Lembeck, das allerdings schon geschlossen war. Es scheint ein durchaus sehenswerter Bau zu sein, der sich aber im Charakter doch sehr dem Schloss Raesfeld ähnelte. Auch hier gab es angenehmes Kopfsteinpflaster.
Anschließend beeilte ich mich, um mir am Abend noch Münster anzusehen. Die Stadt wurde zwar erkennbar in Krieg schwer beschäfigt, jedoch bemühte man sich beim Wiederaufbau zumindest in der Fußgängerzone die Größe, Stil und Anordnung der alten Häuser beizubehalten. Spuren der 1954 stillgelegten Straßenbahn entdeckte ich allerdings nicht mehr. Das Schloss war mit Bühnen und Containern für irgendeine Veranstaltung völlig verstellt, so dass ich es nur von ganz schräg erkennen konnte. Warum muss man für solche Aktionen eigentlich immer die schönsten Stellen einer Stadt restlos verschandeln?
Die Stadt ist wirklich hübsch mit ihren Fachwerkhäusern, der Ziegelbauweise, dem Dom, dem Rathaus und dem Kopfsteinpflaster und lohnt einen Abstecher. Als ich wieder im Auto war und die Stadt verlies, sah ich gegen 21:00 Uhr noch ein barfüßiges Pärchen dem Nachtleben zustreben. Gerne hätte ich mich mit denen noch unterhalten, aber hätte ich die nicht sehen können, als ich noch nicht wieder im Auto war?
Ich fuhr dann schließlich in Richtung Baumberge westlich von Münster, um mir wieder einen Parkplatz zum übernachten zu suchen. Dabei entdeckte ich noch einen Aussichtsturm, den ich sogar noch besichtigen konnte. Unten befand sich ein kleines Lokal und man öffnete mir extra den Turm, von wo aus ich die rote Sonne knapp über dem Horizont noch genießen konnte.
Ich fand dann eine geeigneten Parkplatz im Wald zwischen Nottuln und Harvixbeck, wo ich übernacht blieb.

Fortsetzung folgt ...

Reise zum Rheinsteig (5.Tag)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 18.07.2006, 08:20 (vor 6640 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

Hallo Ulrich,

vielen Dank für die Übermittlung Deiner "Randerlebnisse" von der Rheinsteig-Wanderung. Dieser Bericht erinnert mich an 1984, als ich noch an der Uni Oldenburg an meiner Dissertation "herumdokterte". Zusammen mit 5 weiteren Unikollegen war nahm ich an einem mehrtägigem Kongreß im niederländischen Utrecht teil. Wir mieteten uns eine feste Unterkunft auf einem Campingplatz. Als einziger Teilnehmer benutzte ich das Fahrrad, die anderen kamen mit dem Auto - und fanden sich sogar bereit, meine Dienstkleidung, die ich auf dem Kongreß trug (meine damalige "Normalkleidung" waren noch Jeans, im Winter lange, im Sommer kurze, und immer in Kombination mit Schuhen, und nur in Ausnahmefällen ohne Socken, pfui!) im Auto mitzunehmen.

Bei der Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß ich einige Veranstaltungen des Kongresses schwänzte und mir stattdessen (in Dienstkleidung) den Domturm [image] und das Eisenbahnmuseum [image] ansah. Für eine Fahrt mit der Schnellstraßenbahn http://www.nycsubway.org/perl/show?9477 hat die Zeit nicht gelangt. Heute hätte ich natürlich alles "nichtgeschäftliche" (Fahrradfahrt, Tramfahrt, Museumsbesuch, Dombesteigung) barfuß unternommen.

Noch eine Randbemerkung: Ich verließ als letzter die Unterkunft und war daher fürs Aufräumen zuständig. Eine Unikollegin ließ dabei ein paar Schuhe stehen (keine Sorge: sie fuhr nicht barfuß nach Hause, sondern hatte mehr als ein paar Schuhe dabei). Ich hielt es für nötig, die ihre Schuhe zurück nach Oldenburg zu nehmen. Da man als Radfahrer nicht mit Gepäck haushalten muß, hatte ich den zusätzlichen Platz für ein paar Damenschuhe einfach nicht eingeplant. So blieb mir nichts anderes übrig, diese jeweils außen an die Packtaschen zu binden, was natürlich auffiel und große Glotzaugen verursachte. Noch ulkiger hätte es wohl ausgesehen, wenn ich barfuß geradelt wäre und DAMENschuhe an Velo gebunden hätte.

Während ich auf der Hintour nach Utrecht über Deventer, Appeldoorn und Amersfort fuhr, radelte ich auf dem Rückweg über Arnheim in Richtung "Ruhrpott" (unter dem ich damals noch so ziemlich alles zwischen Bielefeld und Bonn verstand). Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte ich die Stadt Xanten, die Du so beschrieben hast:

"Am Dienstag den 11. Juli fuhr ich zunächst in Richtung Xanten. An einer Tankstelle besorgte ich mir noch ein bescheidenes Frühstück, las noch etwas und trödelte ein wenig, um gegen 9:00 Uhr, als der Archäologiepark in Xanten öffnete, dort einzutreffen. Sofort beeindruckte mich die römische Stadtmauer mit ihren Toren, sowie die Ruine eines Tempels, die sich allerdings als Rekonstruktion entpuppte. Alles, was dort oberirdisch zu sehen ist, ist wiederaufgebaut, original sind bestenfalls die Fundamente. Dennoch ist der Park unbedingt sehenswert und einen Besuch wert. Die Wege sind mit feinem Splitt gut begehbar, die Rasenflächen allerdings vielfach voller Klee, was Vorsicht gegenüber Bienen sinnvoll werden lässt. In einigen Türmen kann man auf steilen Leitern nach oben klettern, was barfuß sehr gut machbar ist, aber sicher auch nicht jedermanns Sache ist. Im Amphitheater herrscht feinster Sandboden, und die Tribünen bestehen aus glattem sehr angenehmem Stein.
Nachdem ich mich viele Stunden dort aufhielt, besichtigte ich noch die Altstadt. Zunächst lockte mich der Besuch einer in Betrieb befindlichen Windmühle. Ich durfte nach oben steigen und unterhielt mich dort ein wenig mit dem Müller, der nun wegen beginnenden leichten Nieselregens, die Segel einholte damit sie trocken blieben und die Mühle anhielt. Als er fertig war, hörte es wieder auf zu regnen, was mir ganz recht war. Zu meinen nackten Füßen sagte niemand etwas.
In der Altstadt fielen mir dann zahlreiche Ziegel- oder Keramikplatten im Boden auf, die in noch weichem Zustand mit einem Fußabdruck versehen wurde. Dabei stand dann immer noch der Name des Fußbesitzers. Seltsamerweise waren diese Abdrücke, soweit ich es überprüft habe, alle deutlich kleiner als meine Füße. Ob die wohl beim Brennen kleiner wurden? Oder ob das Kinder waren? Zumindest war es ein kleines Mädchen, das sich einen (!) Schuh auszog, um ihre Fußgröße mit der auf einer dieser Platten zu vergleichen. Sie ging dann so halbbarfüssig noch zur nächsten, bevor sie sich den Schuh wieder anzog.
Ansonsten ist auch die Altstadt sehr hübsch. Viele alte Fachwerkhäuser, eine Stadtmauer mit Türmen und Toren, ein Dom und angenehmes Kopfsteinpflaster steigerten meine Begeisterung."

Mich faszinierte die Silhouette der Nibelungenstadt, von der Existenz des Archäologiepark wußte ich nichts. Unweit der Stadt übernachtete ich im Schlafsack. Am nächsten Morgen radelte ich nach Wesel, zu Deinem Text:

"Von Xanten aus fuhr ich dann weiter nach Wesel. Die Stadt sah ich mir zwar nicht an, aber den Zusammenfluss von Lippe und Rhein. Ein kurzer Blick von der Rheinbrücke genügte dazu."

kann ich sagen, daß Du nichts versäumt hast. Wesel empfand ich als eher häßliche Stadt, den Zusammenfuß beider Flüsse bekam ich auch mit. Dort gab es ja auch mal eine Eisenbahnbrücke über den Rhein, hast Du möglicherweise noch Reste davon gesehen?

Ich radelte über Haltern nach Münster und war ebenso wie Du von dieser Stadt fasziniert, Deine Bemerkungen:

"Anschließend beeilte ich mich, um mir am Abend noch Münster anzusehen. Die Stadt wurde zwar erkennbar in Krieg schwer beschädigt, jedoch bemühte man sich beim Wiederaufbau zumindest in der Fußgängerzone die Größe, Stil und Anordnung der alten Häuser beizubehalten. Spuren der 1954 stillgelegten Straßenbahn entdeckte ich allerdings nicht mehr. Das Schloss war mit Bühnen und Containern für irgendeine Veranstaltung völlig verstellt, so dass ich es nur von ganz schräg erkennen konnte. Warum muss man für solche Aktionen eigentlich immer die schönsten Stellen einer Stadt restlos verschandeln?
Die Stadt ist wirklich hübsch mit ihren Fachwerkhäusern, der Ziegelbauweise, dem Dom, dem Rathaus und dem Kopfsteinpflaster und lohnt einen Abstecher."

kann ich bestätigen. Diese Stadt muß wirklich barfußfreundlich sein. Außer dieses Mal radelte ich auch einmal aus der Schweiz durch Münster durch, und zweimal unterbrach ich dort eine Bahnfahrt für ca. 2 Stunden. Leider in allen Fällen mit Schuhen. Interessant ist auch der Stadtteil Wolbeck mit den Fachwerkhäusern. Obwohl heute Bestandteil einer Großstadt, so hat Wolbeck doch seinen kleinstädtischen Charakter bewahrt. Am dortigen Bahnhof [image] halten leider keine regulären Personenzüge mehr.

Abends war ich wieder in Oldenburg, ziemlich erschöpft, wie Du dir denken kannst.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Reise zum Rheinsteig (5.Tag)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Tuesday, 18.07.2006, 21:12 (vor 6639 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael

vielen Dank für die Übermittlung Deiner "Randerlebnisse" von der Rheinsteig-Wanderung.

Gern geschehn. :-)

... im niederländischen Utrecht ...

Ach, da würde ich auch gerne mal hinkommen.

Noch ulkiger hätte es wohl ausgesehen, wenn ich barfuß geradelt wäre und DAMENschuhe an Velo gebunden hätte.

Tja, und mit Schuhen im Gepäck wärst Du ja noch nicht mal "echt barfuß" gewesen, oder gilt das nur bei Schuhen, die einem auch passen? Da fällt mir auch eine Szene mit Johannes vor der Dresdner Frauenkirche ein, bei der dieser Typ, der uns barfuß nicht auf den Turm lies, meinte Johannes könne ja Schuhe anziehen, da er welche an seinem Rucksack befestigt hatte. Das waren aber die Schuhe seines siebenjährigen Sohnes, der zu diesem Zeitpunkt auch barfuß durch Dresden lief. Die hätten ihm wohl kaum gepasst. :-)
Fremde Schuhe können ja unmöglich als Notfallschuhe betrachte werden, da sie zur Benutzung nicht in Frage kommen. So gesehen sind sie also nur irgendein Stück Gepäck, so dass man sich auch mit fremden Schuhen im Gepäck immernoch als "echt barfuß" betrachten darf, sofern man nicht zusätzlich noch eigene dabei hat.
Oder wie sieht man das wohl in Ratingen?

Mich faszinierte die Silhouette der Nibelungenstadt, von der Existenz des Archäologiepark wußte ich nichts.

Den gibt es wohl auch noch nicht so sehr lange.

Wesel empfand ich als eher häßliche Stadt, den Zusammenfuß beider Flüsse bekam ich auch mit. Dort gab es ja auch mal eine Eisenbahnbrücke über den Rhein, hast Du möglicherweise noch Reste davon gesehen?

Richtig! Das vergas ich zu erwähnen. Ich war aber nicht zu diesen ruinen gefahren, sondern sah nur in der Entfernung die Brückenreste.

Interessant ist auch der Stadtteil Wolbeck mit den Fachwerkhäusern. Obwohl heute Bestandteil einer Großstadt, so hat Wolbeck doch seinen kleinstädtischen Charakter bewahrt. Am dortigen Bahnhof halten leider keine regulären Personenzüge mehr.

Vielen Dank für den Tipp, vielleicht schaffe ich es irgendwann auch mal nach Münster-Wolbeck zu kommen. Nach meinem Atlas gibt es dort ja sogar zwei Schlösser, vermutlich aber auch nur die dort allgegenwärtigen Wasserburgen.
Am Bahnhof halten aber nicht nur keine Personenzüge mehr, es ist viel schlimemr, es fahren auch keine mehr auf der ganzen Strecke.

Viele Grüße

Ulrich

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