Barfuß in der "Landeshauptstadt" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 12.07.2006, 14:32 (vor 6714 Tagen)

Freitag, 7.7.2006: Ich war barfuß vom Bahnhof Siegburg-Bonn entlang von Sieg und Rhein gewandert und hatte nun Bonner Boden erreicht. Der Regen hatte wieder aufgehört, die Sonne kam durch. Ich verließ den Veloweg und schritt über die Wiese direkt ans Rheinufer. Der Weg war teils sandig, teils grasig, zumindest angenehm begehbar. Kurz vor der Kennedybrücke endete der "wilde Rheinweg", um einem kultiviertem Plattenweg Platz zu machen. Ich setzte mich auf eine Bank, um was zu verzehren. Mühsam knabberte ich an einer Doppelkeksrolle (an den einzelnen Keksen natürlich, nicht an der Verpackung), es dauerte, bis ich es geschafft hatte. Aber wenigstens das mitgenommene Schweizer Bier schmeckte. So saß ich dort einige Zeit und genoß die Sonne. Leute kamen an mir vorbei, Jogger, Radfahrer, Kinder, aber niemand barfuß.

Als die Sonne hinter Wolken verschwand und der Wind auffrischte, ging ich durch Quartiersstraßen in Richtung Bahnhof Beuel. Niemand störte sich hier an meiner Barfüßigkeit. Ich kam vorbei an den abgestellten Bahnfahrzeugen im "Nebenbahnhof", folgte einem Parallelweg zur Hauptbahn, bis ich einen tiefer gelegenen Weg sah, den ich für eine ehemalige Bahnlinie ansah, die frühere Rhein-Sieg-Bahn? Heute ein Radweg. Ich wanderte nach Osten, bis der Radweg endete, dann wieder zurück und weiter bis zum Rheinufer. Hier lagen noch Schmalspurgleise, die museumsmäßig erhalten waren, in einem schönem Bogen. Zwei Mädchen in bunten luftigen Sommerkleidern und Sandalen, die aus nur unwesentlich mehr als nichts bestanden, versuchten, auf dem Metall zu balancieren. Ich versuchte es barfuß, was mir aber nicht gelang mit dem unhandlichen Rucksack. Aber wenigstens überschritt ich den Gleisbogen auf den glatten Betonschwellen. Sicher wäre es für Markus U. eine Herausforderung gewesen, auf dem Schotter des Gleises zu trainieren, wie es sich für einen "echten" Schotter- und Straßenbahnfan gehört. Wenige Meter weiter stand das schmucke Bahnhofsgebäude der Kleinbahn, heute ein Restaurant, das zu dem Zeitpunkt gut besucht war.

Und nur wenige Meter davon entfernt befindet sich ein winziges Stück alles andere als scherbenfreier Sandstrand, auf dem einige Kinder barfuß waren, nicht nur beim Waten durchs Wasser, sondern auch beim Klettern auf einen Baum. Ein Mädchen hatte Spaß daran, mit langen Jeans bis zu den Knien ins Wasser zu gehen, und keine Mutter schimpfte.

Ich überquerte die Kennedybrücke, eine "ewige Baustelle". Hier wehte ein frischer Wind. Erst jetzt wurde ich gewahr, daß ich immer noch ohne T-Shirt war, also zog ich es am anderen Ufer an, bevor ich durch die Straßen der Altstadt ging. Der Bertha-von-Suttner-Platz war für Barfüßer kein ideales Pflaster, da ebenfalls Baustelle. In der Altstadt selbst war ich dagegen der einzige Barfüßer, auch starrten einige Kinder (speziell solche scheinbar muslimischer Herkunft) auf meine Füße. Dort war auch eine Musikveranstaltung, und Polizei. Aber auch die Polizisten krümmten mir kein Haar, Bonn ist nicht Zofingen. In der Nähe des Hauptbahnhofes lästerten einige Besoffene über mich, ich konnte nicht verstehen, was sie lallten.

Allmählich spürte ich meine Füße, ob es eine Art Muskelkater war? Mittlerweile war es dunkel, und ich begab mich in Richtung Süden parallel zur Eisenbahn. Dort, wo eine Brücke über die Bahn führte, zweigte auch ich ab. Mittlerweile hatte es zu regnen angefangen, ich war erschöpft. Der Regen wurde heftiger, als ich das "Politikerviertel" erreichte. Da meine Brille naß war, übersah ich einen recht eckigen Stein auf dem Asphalt, auf den ich mit voller Wucht trat. Ich fluchte, humpelte. Hoffentlich kommt jetzt bloß keine Polizeistreife! Wenn die mich fragt, wohin ich wollte, was hätte ich da sagen sollen? Zur Rheinaue, um dort zu übernachten? Sicher keine schöne Situation. Am Rheinufer waren noch etliche Leute unterwegs, vielfach Jogger, die vom Regen überrascht wurden. Ein junges Paar kam mir entgegen, die Frau sagte: "Barfuß, geil!" Da ich im Gegensatz zu Andi weniger gesprächig bin und obendrein nichts anderes mehr ersehnte als einen Schlafplatz unter der Konrad-Adenauer-Brücke, ging ich weiter. Der Asphalt (oder war es Beton?) kam mir immer pieksiger vor, also wich ich auf Gras aus. Hoffentlich stehe ich die an den Folgetagen geplante Barfußwanderung durch, waren meine Gedanken.

Ich sah die beleuchtete Brücke, über die gerade ein Tram rollte. Ewig kam mir die zeit vor, bis ich da war. Oh Schreck! Unter der Brücke brannten einige Feuer von Leuten, die sich auch vor dem Regenschützen wollte. Hier wollte ich nicht übernachten, wer weiß, welches Gesocks sich unter den Leuten befindet. Also noch ein wenig weiter den unbeleuchteten Weg, dann hinunter direkt ans Rheinufer. Wenigstens die Bäume boten Schutz. Normalerweise hätte ich den feuchten Sand als Wohltat für die Füße empfunden, diesmal nicht. Mühsam holte ich den Schlafsack und die Plastikfolie aus dem Rucksack. An einen ruhigen Schlaf war nicht zu denken. Auf dem Rücken liegen konnte ich nicht, da dann die Fersen schmerzten, trotz Sandboden. Fast schon bereute ich, daß ich so leichtsinnig war, die doch so schöne Wanderung von Siegburg nach Bonn (egal ob barfuß oder nicht) bei dem schwülem Wetter mit schwerem Gepäck durchzuführen. Ich hätte mich doch lieber schonen sollen, standen doch zwei Barfußwanderungen für "Nichtanfänger" mir bevor. Aber hinterher ist man immer klüger. Und wie ich mich kenne, werde ich diese Erkenntnis bis zum nächsten Mal wieder "aktiv verdrängt" haben.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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