Exzentrische Millionäre (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Mark,
ich habe Deine Antwort auf meinen Beitrag erst gelesen, nachdem ich den Beitrag an bix verfaßt habe.
Zu Deiner Bemerkung:
"Ich bin auch öfters mal Barfuss und in kurzen Hosen unterwegs. Bisher hatte ich keinerlei Kontrolle über mich ergehen zu lassen. Ok, meine kurzen Hosen sind 3/4 lang. Vielleicht drücken sie bei modischeren Hosen ein Auge zu?............Wichtig scheint mir die Kleidung zu sein. Wenn man einigermassen modisch und sauber gekleidet ist, hat man nichts zu befürchten. Wenn man allerdings in älteren Turnhosen herumrennt, welche knapp über das Po kommen, darf man sich nicht wundern."
habe ich folgendes zu sagen: Mein Großvater hatte sich nach dem ersten(!) Weltkrieg einen teuren Sonntagsanzug (mit Weste) gekauft, als es wieder was zu kaufen gab. Diesen Anzug trug er aber nicht häufig, da es auch wieder Lebensmittel zu kaufen gab und mein Opa so dick wurde, daß der Anzug nicht mehr paßte. Der Anzug wurde nach seinem Tod nicht entsorgt, sondern lagert nun auf dem Dachboden meiner Eltern. Dieser Anzug ist also alt und unmodern, aber durchaus nicht abgenutzt. Würde ich Ärger mit der Polizei bekommen, wenn ich mit diesem Anzug durch die Stadt gehen würde, womöglich barfuß?
Ältere Turnhosen sind zwar nicht ganz so alt wie Opas Anzug, aber wenn man sie trägt, wenn sie noch nicht zerfetzt sind, was berechtigt die Polizei, einen deswegen zu kontrollieren? Das Tragen von Turnhosen ist doch nicht verboten, genauso wenig wie das Barfußlaufen verboten ist. Beim Radfahren trage ich in der Tat am liebsten Turnhosen, die echten Velohosen mag ich nicht, weil sie mir das Blut in den Oberschenkeln abschnüren.
Zur Häufigkeit von Kontrollen:
- Noch nie wurde ich kontrolliert, wenn ich in kurzen Hosen und ohne Oberbekleidung unterwegs war, egal ob ich wie früher mit Schuhen oder jetzt barfuß unterwegs war.
- Nie wurde ich kontrolliert, wenn ich in kurzen Hosen, mit T-Shirt, aber mit Schuhen unterwegs war.
- Selten wurde ich kontrolliert, wenn ich in kurzen Hosen, mit T-Shirt und barfuß unterwegs war.
- Oft wurde ich kontrolliert, wenn ich in kurzen Hosen, mit Jacke und barfuß unterwegs war.
- Am häufigsten wurde ich kontrolliert, wenn ich in kurzen Hosen, mit Jacke und mit Schuhen unterwegs war.
Zu Deinem Kollegen:
"Ein Kollege von mir (er ist etwas älter - 58) trägt auch immer solche altertümlichen Sporthosen, ist aber selber nicht barfüsser. Er wurde aber schon mehrmals von der Polizei kontrolliert. Ok, er hat auch noch uralte Sportschuhe an und ein altes, halb zerrissenes Cap auf dem Kopf. Obschon Millionär trägt er Dinge, welche ich längstens entsorgt hätte. Von den Reichen lernt man das Sparen!"
Wurde er in erster Linie kontrolliert, weil man ihn für einen "armen Schlucker" hielt, der kein Geld hat, sich neue Kleidung zu kaufen? Der womöglich das, was er trägt, geklaut hat? Solange es nur bei Kontrollen bleibt, ist es ja noch ok. Wenn aber die Polizeischergen versuchen, einem gleich ein Verbrechen zu unterstellen, wie bei mir oft geschehen, dann ist es ein Skandal und eindeutig ein Verstoß gegen die Menschenwürde, wie es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht vorkommen darf.
Auch "exzentrische Millionäre" (dieser Ausdruck fiel von Passanten, als ich im Dezember 2004 mit Markus U. und Lothar barfuß über den Düsseldorfer Weihnachtsmarkt pilgerte) haben das Recht, sparsam zu sein. Ich neige auch dazu, mich erst dann von Dingen zu trennen, wenn sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen und nicht bereits dann, wenn sie von der Mode überholt wurden. Und soweit Platz ist, werde ich brauchbare Dinge nicht entsorgen, nur weil ich sie nie gebrauche. Obwohl ich nie eine Mütze trage, ist es mir nicht im Traum eingefallen, die Pudelmütze, die mir meine Mutter bei meinem Umzug in die Schweiz mitgegeben hat, fortzurühren. Sollen sich doch meine Erben damit rumärgern!
Auch werde ich mich nicht von Schuhen trennen, die ja auch länger halten, weil ich öfter barfuß laufe. Für mich ist das Barfußlaufen nicht nur etwas was Spaß macht oder etwas für die Gesundheit, sondern vor allem auch eine Schonung der Umwelt. Und zur Schonung der Umwelt gehört für mich im Allgemeinen die Schonung von Ressourcen, etwa Sparen von Energie (ich besitze kein Auto, drehe auch im Winter die Heizung nicht an) und eben auch dadurch, daß ich Dinge nicht vorzeitig entsorge, nur weil die Mode es verlangt.
Zum Thema "Alter":
"Vielleicht ist auch das Alter noch etwas Schuld. Ich bin mit 37 doch deutlich jünger als er. Veiileicht nimmt man einer älteren Person das Anders sein weniger ab als einer jüngeren Person?"
Eigentlich dürfte das keine Rolle spielen. Aber auch ich habe festgestellt, daß es mit den Polizeikontrollen rapide bergauf ging, nachdem ich die 40 überschritten hatte, mittlerweile bin ich 50. Wieso "darf" ein jüngerer Mensch ungestraft barfuß laufen und/oder kurze Hosen trage, während man bei älteren Leuten intoleranter ist? Spielt etwa auch die "Schönheit" eine Rolle? Bekommt ein Mensch, der graue Haare hat, einen Bauchansatz, schneeweiße Haut, Krampfadern, verkrüppelte Füße, Nagelpilz usw. eher Ärger mit der Obrigkeit als ein junger "Schönling" bei ansonsten gleicher Kleidung und gleicher Witterung. Oder liegt es in erster Linie daran, daß die Spießer beim Anblick einer weniger schönen Person schneller die Polizei rufen?
Wie dem auch sei, ich werde weiterhin in meiner Freizeit barfuß laufen, und die Kleidung tragen, die ich für die Situation am geeignetsten halte (also in erster Linie in Sachen Bequemlichkeit und Funktionstüchtigkeit). Wer barfuß läuft, untergräbt bereits das Diktat unser Modepäpste. Warum sollte ich mich in anderen Bereichen dem Diktat der Konsumgesellschaft beugen? Schlimm genug, daß ich mich am Arbeitsplatz dem "Unrecht" beugen muß. Denn im Gegensatz zu Deinem Bekannten bin ich zwar exzentrisch, jedoch noch kein Millionär, ich bin also noch die nächsten Jahre auf meinen Job, den ich eigentlich trotz Schuh- und lange-Hosen-Zwang ganz gerne mache, angewiesen.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen