Venedig - Kapitel 4 (Hobby? Barfuß! 2)

Vesa Local @, Stammposter, Wednesday, 28.06.2006, 08:17 (vor 6728 Tagen)

Der Urlaub ging seinem Ende entgegen.
Am vorletzten Abend (dem ersten ohne Not-Sandalen) schlenderten wir noch einmal zum Markusplatz (wer weiß, wie das Wetter am nächsten Abend werden würde), genossen die ruhige Stimmung, die sich dort erst ausbreiten kann, wenn sich der Tagestrubel gelegt hat, lauschten den Klängen der Klein-Orchester, und ich erneuerte meine "geistige Aufnahme" der drei Lichterreihen rund um den Platz, der in goldenem Licht liegenden "Basílica di San Marco" und dem "Campanile di San Marco", dem höchsten(?) Turm der Stadt.
Und trotzdem (oder gerade deswegen?) war ich sehr traurig als ich mich noch einmal umschaute und Abschied nahm. Irgendwie habe ich schon geahnt, daß es für diesen Urlaub der letzte Abend auf diesem Platz sein würde.

Am letzten ganzen Tag und am Vormittag des Abreisetages sind wir wieder viel gelaufen.
Was mir zwei- oder dreimal passiert ist: Italienische Frauen zeigten auf meine Füße und sagten so etwas wie "Que malo." (Vielleicht schreibt jemand mit Italienischkenntnissen, was da wirklich gesagt wurde und ob das wirklich "Wie schlecht." heißt.
Am "Ostende" hat mich eine ältere Frau auf italienisch gefragt, ob ich keine Angst vor Glasscherben hätte. (Meine Frau hat es verstanden und mir übersetzt.) Ich habe der Fragestellerin dann mit Gesten symbolisiert, daß ich auf den Weg schaue, die Teile dann sehen würde und ausweiche. Ich glaube sie hat sich gefreut, daß jemand die Stadt für so sauber hält, dort barfuß laufen zu können.
Und dreckig ist Venedig nun wirklich nicht besonders. Scherben liegen dort so gut wie überhaupt nicht (Viel gefährlicher sind die ausgesplitterten Kanten der Brückenstufen!), die Hundehaufen sieht man schon von weitem (Die Hunde haben es dort wirklich nicht leicht...) und der Taubendreck auf dem Markusplatz ist nicht die Rede wert. (Irgendwie wissen die Tauben wohl, daß sie den Platz sauberhalten sollten, weil sonst vielleicht weniger Touristen zum Füttern kommen!?)

Irgendwann ließ es sich nicht mehr hinauszögern, und wir mußten uns mit unserem Gepäck auf den Weg zum "Piazzale Roma" machen. Fahrschein lösen, rein in den Bus, Abfahrt. Gut, daß ich mich irgendwie schon den ganzen Morgen von der Stadt verabschiedet hatte. Und trotzdem erfüllte mich eine große Traurigkeit, die mich bis heute verfolgt, wenn ich die ganzen Eindrücke immer wieder durch mich hindurchziehen lasse: Die doch manchmal heiße Luft in der Stadt, der kühle Wind am Wasser, die unterschiedlichen Böden der Gassen, Plätze und Läden, die Stimmung auf dem Markusplatz und die nächtlichen Spaziergänge durch die Gassen.

Am Flughafen herrschte das absolute Chaos. Drei Schalter waren geöffnet, die Schlangenenden lagen hinter einer Kurve; es war nicht auszumachen, wo welches Ende war. Schön, wenn man zu zweit ist und sich aufteilen kann. Nach einer guten Stunde Wartezeit wurden dann zwei weitere Schalter geöffnet, und endlich war ein Ende abzusehen. Das aber auch erst, nachdem die Wartenden vom Bodenpersonal darauf aufmerksam gemacht wurden. Ist es zuviel verlangt, daß statt der Werbung einer Fluggesellschaft auf den Monitoren über den Schaltern vielleicht doch lieber die Flugnummer angezeigt wird?

Warten auf das Boarding. Warum stürmen bloß alle sofort so hektisch zum Gate. In einer Warteschlage hatte ich doch nun gerade eben erst lange genug gestanden, die Plätze sind numeriert und zugeteilt, ausreichend Platz in den Handgepäckfächern ist auch immer vorhanden und der Stau in den Gängen hat sich auch immer schon recht gut abgebaut, wenn man später das Flugzeug betritt.

Diesesmal wurden wir wieder mit einem Bus zum Flugzeug gefahren und - keine Ahnung warum - wir haben sogar Sitzplätze abbekommen. Wahrscheinlich war es der zeite Bus für diesen Flug.

Ein Mädchen stand vor mir und und schaute mir mit großen dunklen Augen abwechselnd auf die Füße und ins Gesicht; man merkte es ihr deutlich an, daß sie nicht so genau wußte, ob sie mich nun ansprechen sollte oder doch nicht. Als ich sie anlächelte, wanderte ihr Blick nicht mehr nach unten, und sie stellte die zu diesem Thema wahrscheinlich kürzestmögliche Frage: "Barfuß?"
Es entwickelte sich dann ein ausgiebes Gespräch zu fünft über "barfuß" und noch viel mehr. Und wir hatten uns einiges zu erzählen, war uns die Tochter doch schon auf dem Flug nach Venedig im Flugzeug aufgefallen, wie sie sich zwei Reihen vor uns mit wissenshungrigen Augen in der Kabine umschaute und dem Kind in der Reihe zwischen uns ein Heft(?) schenkte und dafür auch etwas anderes bekam, das im Transfer-Bus zum Terminal ausgiebig studiert wurde.
Kein Witz: Wir hatten dieselben Hinflüge, dieselben Rückflüge, dasselbe Urlaubsziel (aber unterschiedliche Hotels) und sind uns auf Venedig in all den Tagen nicht ein einziges Mal über den Weg gelaufen.

An dieser Stelle die allerherzlichsten Grüße an die Familie S. aus Norddeutschland. Ich habe bereits eine Mail geschrieben aber leider bis heute keine Antwort erhalten. Wirklich sehr schade.

Zum Rest der Reise gibt es nicht mehr viel zu schreiben: Zwischenstop in Zürich, Ankunft in Hamburg, mit dem Gepäck nach Hause.

Dann war der Urlaub zu Ende. Auch für meine Füße. Nach 9,5 Tagen der uneingeschränkten Freiheit ist es ein "echt doofer" Moment wieder in Schuhe schlüpfen zu müssen...

ciao!

Federico, Wednesday, 28.06.2006, 16:23 (vor 6728 Tagen) @ Vesa Local

Hallo Vesa!

Es freut mich zu lesen, dass du deine Urlaubstage in "meinem geliebten" Venedig so sehr genossen hast... :-) Ich bin zwar nicht direkt von dort aber in meinen Adern fließt auch venetianisches Blut und ich kenne die ganze Stadt wie meine Taschen! Dort hab ich auch meinen Liebligssport, Rudern, getrieben, unter anderem bei der Historischen Regata, ein Rennen, das jede erste Septemberwoche stattfindet, bei dem die Ruderer mit traditionellen Kostümen gekleidet sind...
Und dort bin ich auch immer wieder barfuß gelaufen... und obwohl die Stadt eher klein ist, gibt's dort immer recht viel zu laufen (die "echten Venetianer" ziehen vor - zumindest bei schönem Wetter - zu laufen, anstatt die von Touristen stets überfüllten Vaporetti zu nehmen, zumal wer da wohnt mit den vielen Abkürzungen durch die kleinen Gassen schnell vertraut wird!).

Welchen Eindruck bekommt man von dieser Stadt, wenn man morgens dort ankommt, dann an der "Scalci" vorbei (Die Brücke über den "großen Kanal" mit 40 Stufen rauf und 40 Stufen runter gleich bei der "Ferrovia" (Eisenbahn) ...

Also bitte... Ausgerechnet den Namen dieser Brücke darfst du auf keinen Fall falsch schreiben!! Es heißt: Ponte degli Scalzi = Barfußbrücke!!! Der Name kommt von der gleichnamigen Kirche nebenan her, der Kirche der Barfüßer.
Ohne Schuhe bist du auf dieser Brücke also am Passendsten! :-)

Dann ist man zurück am Bus (oder an der Bahn) fährt zurück und fragt sich, was man denn nun eigentlich vom Tag gehabt hat. Aber wer von diesen Touristen wird sagen können, welche Farbe die Häuser haben, mit welchen Steinen die Wege gestaltet sind? Wie sehen die kleinen Balkone aus?

Ja, das weiß auch jeder, der in Venedig wohnt. Venedig lebt vom Tourismus, ist aber davon auch "unlebbar" geworden. Tagtäglich muss man sich mit Unmengen von Leuten abfinden und jede alltägliche Aktivität wie Einkaufen oder zum Arzt gehen wird zu einem mühsamen Unterfangen. Und dazu: wer Venedig nur für einen (halben) Tag erlebt, der genießt zwar atemberaubende Eindrücke, kriegt aber vom echten venetianischen Leben (das auch was an und für sich ist, nicht vergleichbar mit anderen italienischen Städten) sehr wenig mit. Dazu verhalten sich manche Touris (z.B. manche Amis) so, als ob sie zu einer Art Disneyland gefahren wären und nicht zu einer Stadt zu respektieren, wo auch "normale Menschen" leben...

Ich weiß nicht, ob es in ganz Italien so ist: Die Fahrscheine gibt es i.d.R. nicht im Bus zu kaufen; dort sind sie lediglich vom Fahrgast in einem Automaten zu stecken, der das Ticket mit einem Tages- und Zeitstempel bedruckt. Ein ungestempelter (aber bereits bezahlter) Schein kann teuer werden!

Ich kenne auch Städte, wo man die Fahrkarte auch im Bus beim Fahrer kaufen kann... In Venedig sind die aber bissl faul: ein Automat in jedem Bus, das auch Karten ausstellt, würde nicht schaden...
Auch Zugtickets müssen übrigens in Italien vor dem Einsteigen immer entwertet werden.

Was mir zwei- oder dreimal passiert ist: Italienische Frauen zeigten auf meine Füße und sagten so etwas wie "Que malo." (Vielleicht schreibt jemand mit Italienischkenntnissen, was da wirklich gesagt wurde und ob das wirklich "Wie schlecht." heißt.

Ich würde davon ausgehen, Italienische Frauen haben Italienisch und nicht Spanisch gesprochen!! :-))))))))
Also vermutlich: "Che male!". Das heißt so gut wie: "Mensch, das tut ja weh!". Kein moralischer Tadel sondern die gewöhnliche Vorstellung der nicht-Barfüßlaufenden, dass Barfußgehen schmerzhaft sei!

Und trotzdem erfüllte mich eine große Traurigkeit, die mich bis heute verfolgt, wenn ich die ganzen Eindrücke immer wieder durch mich hindurchziehen lasse

"Ein köstlicher Tag, vom Morgen bis in die Nacht! [...] Die Lagunen sind eine Wirkung der alten Natur. Erst Ebbe, Flut und Erde gegeneinander arbeitend, dann das allmähliche Sinken des Urgewässers [..] Die Kunst hat sich der höchsten Stellen bemächtigt, und so liegt Venedig, von hundert Inseln zusammengruppiert und von hunderten umgeben. [..] Ich verlasse Venedig gern [..] ich habe indes gut aufgeladen und trage das reiche, sonderbare, einzige Bild mit mir fort."

(aus der "Italienische Reise" von J.W.Goehte)

schöne Grüße von Federico!

Venedig - Kapitel 4

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Wednesday, 28.06.2006, 19:17 (vor 6727 Tagen) @ Vesa Local

Hallo Vesa Local

Vielen Dank, für den schönen Bericht. Am liebsten würde ich auch gleich nach Venedig fahren und die Stadt kennen lernen.
Ach, da könnte man träumen...

Viele Grüße

Ulrich

Barfuss im Juni in Venedig

FrankX, Stammposter, Wednesday, 28.06.2006, 19:30 (vor 6727 Tagen) @ Vesa Local

Hallo Vesa Local,

Ich war letzte Woche auch dort. Bei den jetzigen Temperaturen ist das barfuss laufen in den engen Gässchen möglich hingegen auf den ganzen Tag beschienenen Plätzen die mit Steinplatten bedeckt sind, wohl nur für ganzjährige Barfüsser möglich. Ich bin mir ja einigen gewohnt, aber das war für mich zuviel. Die Platten waren heisser als der Sandstrand, der wohl auch gegen 80°C hatte und den man nur mit steten Schritten begehen konnte. Die Temperaturen waren höher als bei einem ganztägig beschienenen Teerplatz.

Ausser in Venedig war ich die ganze Zeit barfuss unterwegs und es gab keine komischen Blicke, obwohl ich, mit ausnahme von meiner Frau, einer der wenigen Barfüsser war. Die Mehrheit trug auf dem Camping-Platz Flip-flops.

Gruss,

FrankX

Venedig - Kapitel 4

Nicole (WO), Stammposter, Thursday, 29.06.2006, 11:15 (vor 6727 Tagen) @ Vesa Local

Danke für den schönen Bericht!!!
Habe wieder großes Heimweh nach "meinem" geliebten Venedig bekommen. Ich könnte jedesmal heulen, wenn ich da wieder weg muss, selbst wenn es eiskalt ist und der schneidende Wind einem den Regen ins verfrorene Gesicht fetzt - Venedig ist einfach wunderbar.

*seufz*

Nicole

Venedig - Kapitel 4

Luc, Thursday, 29.06.2006, 18:09 (vor 6727 Tagen) @ Vesa Local

Danke für den schönen Bericht!
Ich war (meistens barfuss) in Venedig als ich 18 war, und habe immer Lust mit meiner Frau hingehen. Es kommt doch noch ein Mal.
Barfüssige Grüsse aus Frankreich. Luc

Venedig - Kapitel 4

Ralf RSK, Stammposter, Saturday, 01.07.2006, 17:03 (vor 6725 Tagen) @ Vesa Local

Hi,

schöner Bericht, danke! Das mit dem "Ponte degli Scalzi" hat Ferderico ja schon erklärt;-)

Da du ja mehrfach von Wegen abseits der Touristenströme und von den (wenigen) Brücken über den Canal Grande geschrieben hast, Tip von mir fürs nächste Mal: Nimm doch zum Überqueren des Canals mal ein "Traghetto" - das sind Gondelfähren. Die Einheimischen erkennst du dort außer an der gepflegten Kleidung daran, dass sie auch beim größten Wellengang im Boot stehen bleiben ;-)

ciao, Ralf

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