Klinisch platt (Hobby? Barfuß! 2)
Aus Sicht der heutigen medizinischen Forschung ist ein Schuh, der eigentlich keiner mehr ist, am besten für die Füße. "Schuhe schützen den Fuß vor Umwelteinflüssen wie Kälte, Feuchtigkeit oder Scherben", sagt Gert-Peter Brüggemann, Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule in Köln. "Das ist ihr einziger Vorteil." Ansonsten schränkten sie unsere Bewegungen ein. "Je später der Mensch Schuhe bekommt und je weniger er sie trägt, umso gesünder sind seine Füße", so Markus Walther, Chefarzt am Zentrum für Sportorthopädie und Fußchirurgie des Orthozentrums München.
Belegt werden solche Aussagen durch wissenschaftliche Studien in Ländern, wo viele Menschen aus finanziellen Gründen keine Schuhe tragen. In Indien oder dem Kongo stellte sich heraus, dass sich der Fuß umso eher zum Plattfuß entwickelt, je früher und je häufiger am Tag man ihn in einen Schuh zwängt.
Schuhe sind vor allem nichts für Kinderfüße. Die meisten Kinder kommen mit gesunden Füßen zur Welt. Wenn ihre Füße zunächst seltsam platt erscheinen, so ist dies nur ein Durchgangsstadium. "Sie brauchen keine Abstützung durch Schuhe und schon gar kein Fußbett", sagt Walther. "Ihr Fuß richtet sich erst mit dem vierten bis sechsten Lebensjahr auf, wenn Bänder und Muskeln kräftiger geworden sind." Diese stabilisieren das federnde Fußgewölbe. Mit dem späteren klinischen Plattfuß hat diese Entwicklung nichts zu tun. Und nebenbei bemerkt: Fürs Fußballspiel sind Plattfüße kein Hindernis. Pelé schoss mit seinen Plattfüßen mehr als 1000 Tore für den FC Santos.
Für Kinder sei es am gesündesten, barfuß oder mit rutschfesten Socken zu laufen, sagt Walther. "Mit Schuhen haben sie meist Probleme." Für die erst Zweijährigen mit ihren noch sehr flexiblen Füßen seien die Sohlen oft zu hart. Und ungefähr die Hälfte aller Kinder trägt zu kleine Schuhe. Im Alter zwischen drei und zehn Jahren wachsen ihre Füße um bis zu drei Schuhgrößen pro Jahr - so oft wechseln die meisten Eltern die Schuhe ihrer Sprösslinge nicht. Viele Schuhgeschäfte haben außerdem nur eine Standardbreite vorrätig und nicht die drei Größen W, M und S.
Auch bei den viel verkauften Sportschuhen schielen Forscher immer häufiger aufs Barfußlaufen. Der Fuß ist von Natur aus nachgiebig und gut zum Rennen geeignet. Selbst auf harten Böden. Manche Athleten haben barfuß Höchstleistungen erzielt: Der Äthiopier Abebe Bikila gewann bei den Olympischen Spielen in Rom 1960 ohne Schuhe die Goldmedaille im Marathonlauf über 42,195 Kilometer. Die in Südafrika geborene Zola Budd stellte 1984 mit 17 Jahren einen neuen Weltrekord über 5000 Meter auf - ebenfalls barfuß. Und noch 1995 bei der Weltmeisterschaft in Göteborg übersprang Christopher Kosgei aus Kenia beim 3000-Meter-Hindernislauf Hürden und Wassergräben auf nackten Sohlen in der zweitschnellsten Zeit.