6. Wandertag der Berliner Zeitung (Hobby? Barfuß! 2)
Am Sonntag, dem 28. Mai 2006 fand der "6. Wandertag" der Berliner Zeitung statt, an dem ich als "Tester" der Barfuß-Initiative-Berlin teilnahm. Wir wollten bei dieser Wandermassenveranstaltung ein Beispiel geben für intensiv-sinnliches Naturerleben und uns Fragen der ca. 2000 wanderstiefelbewehrten Teilnehmer stellen. Zudem wollten wir einmal an einer nicht von uns ausgetüftelten Strecke "à la carte" teilnehmen und die Erkenntnis, Brandenburg sei DAS Barfußwanderland, in einer uns nicht bekannten Ecke auf den Prüfstand stellen. Die Strecke wurde für die BZ von dem Berliner Wanderführer und Buchautor Manfred Reschke ausgesucht, der in der Vergangenheit mit der Buchveröffentlichung "Die 66-Seen-Wanderung" auf sich aufmerksam machte. Hierbei handelt es sich um die Tourenbeschreibung des von Herrn Reschke konzipierten "66-Seen-Rundweg, Regionalparkroute rund um Berlin", erschienen im Trescher Verlag. Die 66-Seen-Wanderung wurde bereits vom Landestourismusverband ausgezeichnet.
Die Berliner Zeitung hatte uns bei der telefonischen Anmeldung (und Adressenpreisgabe mit dem Köder eines Verpflegungsrucksacks) mit auf den Weg gegeben, "festes Schuhwerk" sei für die Wanderung unerlässlich. Es stellte sich zu meinem größten Vergnügen schon auf den ersten Metern an der S-Bahn-Haltestelle Bergfelde heraus, daß genau das Gegenteil der Fall war. Zum Vergnügen deshalb, weil zum Einen das Festeschuhgebot und die Angst vor den unkalkulierbaren Risiken der brandenburgischen Wanderböden wieder einmal Lügen gestraft wurde. Und zum Anderen, weil die Strecke zu fast 100% nicht nur barfuß-geeignet war, sondern mir und meinen Füßen eine riesengroße Freude bereitete.
Ein guter Teil der Strecke verlief auf weichen, nicht für Kfz geeigneten und daher unverdichteten Wegen durch Wald und entlang von Seen. Mit großem Engagement wurden von Herrn Reschke auch kurze zweispurige Wirtschaftswege, die dem ungetrübten Barfußgenuß im Wege gestanden hätten, auf Naturpfaden umgangen. So boten sich Fuß-Böden, wie ich sie bis dahin noch nicht erlebt habe. Zum Beispiel verlief eine etwa 400 Meter lange Umgehung auf einem Trampelpfad am Wiesenrand. Hunderte Vorwanderer hatten den Pfad auf eine Breite von zwei Metern ausgeweitet und die Grashalme in Marschrichtung zu einem federnden Teppich längsgebürstet. Und meinen Füßen die Natur einem grünen Teppich gleich "zu Füßen gelegt". Der Wiese hat es nicht geschadet, die Grashalme werden sich bald wieder aufgerichtet haben.
Den heftigen Regenschauer eine Viertelstunde nach dem Start der Wanderung um 10 Uhr hatten meine Füße noch trocken im Bus erlebt und freuten sich anschließend über herrlich aufgeweichten nassen Sand- und Erdboden, vor dem sich die übrigen Teilnehmer trotz Stiefelbewehrung stets zu schützen suchten. Diese hatten um 10:25 Uhr den Startpunkt bereits komplett verlassen, genauso wie mein barfüßiger Mitwanderer, den ich auch im weiteren Verlauf des Tages nicht mehr zu Gesicht bekommen sollte. Vielleicht hatte er während des Schauers fluchtartig die gerade einfahrende S-Bahn zurück nach Berlin genommen. Nach Empfang des Verpflegungsrucksacks und aufmunternden Worten der BZ-Leute auf dem S-Bahn-Vorplatz in Bergfelde spürten meine Füße uraltes Granitpflaster, wo das Pflaster zu grob wurde, luden gepflegte Grünstreifen längs der Wohnstraßen zu himmlischem Schweben ein. Dann gings Richtung Osten auf Sand durch Wald und entlang von Pferdekoppeln und Weiden zum Gut Kranichberg (ein Reitergut). Schon dort konnte eine erste Rast eingelegt werden. Entlang befestigter Fahrwege ging ich stets auf den grünen Randstreifen. Der Ort Mühlenbeck wurde durchgangen, der Weg schwenkte nach Norden und, nach einer kurzen Asphaltstrecke über die Autobahn A10 östlich der Abfahrt Mühlenbeck durchquerte das Teilnehmerfeld ein märchenhaftes Sumpfgebiet östlich der Ortschaft Summt. Weiter Richtung Osten bot sich Barfußgenuß pur auf dem Weg entlang der Nordseite des Mühlenbecker Sees, der am Ostzipfel auf das halb verfallene, einsam gelegene Schloß Dammsmühle traf. Meine Füße hatten hier die erste Hälfte der 20-Kilometer-Wanderung genossen und nahmen sich begierig-lustvoll den zweiten Happen vor. Der Veranstalter hatte vor dem Schloß Imbißstände und eine Anzahl Bierzeltgarnituren aufgestellt.
Richtung Westen durch abwechslungsreiche Natur auf naturbelassenen Böden ging die weitere Wanderung, die selten einmal mehr als zweihundert Meter geradeaus auf den Summter Nordic-Walking-Strecken durch Wald verlief. Der Weg schlängelte sich weiter entlang des Summter Sees und erreichte die Ausflugsgaststätten an der Autostraße an dessen Westufer, wo sich das Gros des Teilnehmerfeldes niederließ. Die Uferstraße wurde überquert und ich hatte die Randbezirke des Ortes Summt bald hinter mir gelassen. Allein überquerte ich sandige Heideflächen westlich von Summt - weiter gings durch Wald - und mit wenigen Mitwanderern erreichte ich die Verbindungsstraße Summt-Bergfelde. Ich ging jedoch nicht auf der Asphaltdecke Richtung Südwest auf Bergfelde zu, sondern stapfte durch den herrlich weichen, knöcheltiefen Sand des umgepflügten Feuerschutzstreifens, der längs der Brandenburger Verkehrstrassen verläuft und auch gerne von Reitern benutzt wird. Nach Überquerung der A10 und nach etwa zwei Kilometern Muskeltraining im weichen Sand erholte sich mein Puls auf dem nach Westen abzweigenden Waldweg. Wald begleitete den Weg bis meine Füße die ersten Ausläufer von Bergfelde begingen und den grasbewachsenen Start- und Zielplatz erreichten.
Ich bin als Naturliebhaber und Barfußwanderer von der Wanderung restlos begeistert. Bis auf zwei Schauer begleitete die Wanderer ein April-Mix aus Sonne und Wolken. Die Wegeführung war durch Routenschilder optimal gekennzeichnet, so daß sich der sinnliche Barfußwanderer dem Tast- und Naturgenuß unbeschwert hingeben konnte, befreit von sämtlicher organisatorischer Arbeit. Herr Reschke hat die Strecke nicht nur im Vorfeld mit dem Fahrrad abgefahren und geplant, sondern selbst am Wandermorgen um sieben Uhr kontrolliert und später im Teilnehmerfeld absolviert. Zusätzlich von ihm angebrachte Flatterbänder konnte Familien mit Kindern und ältere Wanderer unbesorgt treiben lassen.
Der 6. BZ-Wandertag konnte allen Ansprüchen an eine gelungene Barfußwanderung gerecht werden. Die Barfuß-Initiative-Berlin bedankt sich bei der BZ und Herrn Reschke für die optimale Planung und die abwechslungsreiche und naturbelassene Streckenführung und freut sich schon jetzt auf den nächsten BZ-Wandertag in diesem Herbst. Es hat sich wieder einmal gezeigt, daß Wandern ohne Schuhe die bessere Genußalternative ist. Wellness pur als Synthese von Well-Being und Happiness konnte ich auf Schritt und Tritt erleben. Das Barfußwanderland Brandenburg lädt an allen Ecken und Enden zu herrlich-sinnlichem Naturgenuß ein, der unbeschwert und frei von Verletzungsängsten mit befreiten Füßen und befreiter Seele erlebt werden kann.
Johannes