Schweizer Mühlentag: Der barfüßige Müller von Böttstein (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 29.05.2006, 08:20 (vor 6693 Tagen)

Samstag, 27.5.2006, Mühlentag http://www.muehlenfreunde.ch/cms/:
An diesem Tag hatten 109 Schweizer Mühlen ihre Tore geöffnet. Darunter auch die Ölmühle in Böttstein:
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Vor gut 17 Jahren hatte die Firma, in der ich arbeite, mal einen Betriebsausflug organisiert, Ziel waren damals das Kernkraftwerk Beznau und besagte Ölmühle. Und letztere hatte mich damals fasziniert, daher wollt ich am Mühlentag unter anderem auch diese Mühle besichtigen. Was war damals das besondere an dieser Mühle? Der Müller lief barfuß, nicht nur während seiner Vorführung (im Sommer), sondern immer. Obwohl ich damals nicht barfuß lief und ich mir nicht vorstellen konnte, jemals barfuß ein öffentliches Verkehrsmittel zu besteigen, so hat dieser Müller doch indirekt auch meine Lebensweise beeinflußt. Ich dachte mir: "Wenn einer in der Lage ist, auch im Winter ohne Schuhe unterwegs zu sein, dann müßte es doch auch möglich sein, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in kurzen Hosen unterwegs zu sein, so wie ich damals bei solchen Temperaturen ohne Mütze Fahrrad fahren konnte, ohne daß mir die Ohren vom Kopf fielen. Es dauerte sicher einige Zeit, bis ich auch beim Wandern oder Radfahren bei tieferen Temperaturen auf lange Hosen verzichten konnte. Daß ich später auch noch aufs Barfußlaufen kam, habe ich allerdings weniger dem Müller zu verdanken als diesem Forum.

Würde ich diesen Müller nur wiedertreffen? Und was würde er sagen, wenn ich ihm "Konkurrenz" machte. Allzu große Hoffnung hatte ich nicht, denn vor 17 Jahren war der Müller (er müllerte damals schon lange nicht mehr kommerziell, sondern nur noch museumsmäßig) auch schon im Rentenalter. Wie dem auch sei, eins stand für mich fest: ich würde barfuß nach Böttstein fahren, mit dem Fahrrad.

Gegen 7 Uhr radelte ich los, es war schwülwarm und etwas feucht, aber die mitgenommene Regenjacke kam nicht zum Einsatz. Da starker Westwind war, kam ich schnell voran, so daß ich zeitig vor Schloß Böttstein http://images.google.ch/imgres?imgurl=http://www.magehoch.net/Boettstein/Boettstein%25202.jpg&imgrefurl=http://www.magehoch.net/Boettstein/Boettstein.html&h=192&w=128&sz=17&tbnid=kxfnMVu2peiJWM:&tbnh=98&tbnw=65&hl=de&start=30&prev=/images%3Fq%3Db%25C3%25B6ttstein%2Bschloss%26start%3D20%26svnum%3D10%26hl%3Dde%26lr%3D%26sa%3DN
war, die benachbarte Mühle öffnete erst um 10 Uhr mit Führungen jede Stunde. Kurz vorher schob ich mein Velo in Richtung Mühle, sogar daran vorbei in der Hoffnung, irgendwo mein Fahrrad abstellen zu können. Aus einem Bauernhaus kam eine junge Frau und fragte, ob ich zu einem Weg hinunter wollte, der an der Aare entlang führte. Als ich sagte, daß ich die Mühle besichtigen wollte, da ja Mühletag wäre, sagte sie lächelnd: "Das ist in dem Gebäude, und der Herr, der die Mühle zeigen wird, wohnt dort in dem Haus."

Es dauerte nicht lange, da kam aus besagtem Haus ein Mann, aber es war nicht der bekannte Müller, sondern ein jüngerer Mensch. Anders als der alte Müller trug er eine Brille und - Schuhe. Er schaute auf mich und auf mein Fahrrad, dann fragte er: "Sind Sie barfuß mit dem Velo gekommen?" "Ja, von Zofingen," war meine Antwort. "Ist das nicht zu kalt?" "Es ist doch nicht kalt!" war meine Antwort. Darauf der Mann: "Mein Vater lief auch immer barfuß, sogar im Winter. Machen Sie das auch?" "Nein, ich laufe nur in der Freizeit barfuß, am Arbeitsplatz trage ich Schuhe. Und wenn es richtig kalt ist, kann ich auch nicht stundenlang barfuß laufen. Es gibt übrigens etliche Leute, die gerne barfuß laufen." Ich erzählte nicht nur von meinem früheren Besuch in der Mühle, sondern auch von verschiedenen Barfußtreffen und zeigte Fotos, etwa eines mit der Kirnitzschtalbahn, davor einen barfüßigen Mann mit Wollpullover (Ulrich) und zwei fett beschuhte Mädchen, die aus Protest auch noch Mützen auf hatten. Der Müller kannte Bad Schandau und das Elbsandsteingebirge. Er fragte aber: "Wer läuft den da barfuß?" Erst beim genauen Betrachten erkannte er, daß Ulrich keine Schuhe an hatte. Ein weiteres Foto zeigte auch mich auf der Wanderung, dann hatte ich noch ein Foto, das mich barfuß auf der Stadtmauer von Bellinzona zeigte, während ein Teil der Mauer mit Schnee bedeckt war. "Sogar in kurzen Hosen", war sein Kommentar.

Mittlerweile kamen auch andere Leute, die Führung konnte beginnen. Als erstes zeigte er aufgehängte Bilder mit seinem vor 14 Jahren verstorbenen Vater, der immer barfuß lief. "Und hier scheint es einen Nachfolger zu geben", sagte er und deutete auf mich. Ein älterer Besucher sagte: "Ich kannte Ihren Vater noch. Damals gingen die Kinder noch barfuß zur Schule, und kein Lehrer sagte was." Da konnte ich mich nicht zurückhalten. Und wenn heute ein erwachsener Mensch barfuß läuft, rufen andere gleich die Polizei!" "Da merkt man gleich, wie fremd dem heutigen Menschen das Barfußlaufen geworden ist."

Die Mühlenvorführung war sehr interessant. Die Mühle war angenehm barfuß begehbar, teils kühler Stein, teils Holz. Eine Familie mit 2 Kindern kam hinzu. Die Kinder starrten sofort auf meine Füße, worauf die Mutter auf das Bild des barfüßigen Müllers zeigte. Aber es dauerte nicht lange, da fanden auch die Kinder das laufende Mahlwerk und sonstige mechanische Bauteile viel interessanter als meine Füße. Etwa eine Dreiviertel Stunde dauerte die Führung. Dann mußte ich weiter. Mein nächstes Ziel: Die "Barzmühle" in Zurzach.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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