Lieber Jan1
Also, ich kann bei deiner Einstellung nur den Kopf schütteln. Sorry. Ich bin zwar auch für "Make Love - Not War!", aber in solchen Fällen wie den Übergriffen von Extremisten oder sonstigen primitiven Widerlingen zu sagen, das beruhe auf Resonanz, das ist völlig daneben. Danach wären alle Opfer oder Überlebenden von gewalttaten selbst schuld, weil sie provoziert haben. Spinnen wir das mal weiter:
"Vati hat mich vergewaltigt.", sagt die kleine Marion vor Gericht. Der Richter sagt: "Selbst schuld, hättest nicht so lieb lächeln dürfen."
Das kann man beliebig weiterspinnen. Und dann soll man diese Gewalttäter auch noch lieben. Sag mal, in was für einer welt lebst du? Du kannst ja gerne eine "Wir lieben unsere neonazis"-Woche für dich veranstalten und sie zu dir einladen. Mal sehen, ob du sie danach auch noch liebst, ach, ich vergaß: Wer angegriffen wird, ist ja immer selbst schuld, denn irgendeine Ausrede für den angreifer gibt es ja immer.
Sorry, Dude, ich denke, da hört die Liebe auf. Wenn auf mich eine gruppe Butterflyschwingender Goldkettchenassis mit Kampfund zukommt, denke ich wirklich nicht in den Kategorien von Güte und barmherzigkeit. Und ich war in meiner Unizeit auch in der Antifa, aber ich weiß ja jetzt, nachdem ich dein Posting gelesen habe, dass so etwas lieblos ist. Man muss sie einfach lieben, Leute, die anderen auf die nackten Füße treten, Unschuldige zusammenschlagen, vergewealtigen, morden und Minderheiten am liebsten wieder in KZs vernichten würden. Sorry, Alter, aber da hört bei mir die Toleranz auf, obwohl ich schon eine Menge schräger Leute kenne, die nicht unbedingt Mainstream sind. Aber deine "Liebe die Nazis"-Schiene oder "Liebe die Gewalttätigen"-Schiene kommt bei mir nicht an. Und ich finde sie schlichtweg Scheiße.
Gewaltprävention ist eine gute Sache, aber nicht so blauäugig. Ich bin dafür, erst einmal politisch dafür zu sorgen, dass Arbeit und brot für alle vorhanden ist, um den rattenfängern das Wasse4r abzuschöpfen. Ich bin auch für verschärfte Integrationsmaßnahmen bei problematischen Minderheiten. Und dafür, den Ethikunterricht an schulen wirklich mit Gewicht durchzuziehen. Auch dafür, Toleranz zu lehren.
Aber Toleranz wird da zum Verbrechen, wo sie es duldet, dass sie abgeschafft wird. Und das wollen die Extremisten und ihre Kettenhunde mit aller Gewalt. Quod erat demonstrandum.
Da nutzt auch dieses schwärmerische "Hatschipu"-Gehabe nichts. Soziale Fakten sind soziale Fakten. Ich möchte hier nicht im marxistischen Sinne argumentieren, dass das ökonomische Sein allein das Bewusstsein schafft, aber ersteres hat einen gewissen anteil daran. Richtig ist aber auch, nicht im Marx'schen Sinne, dass das soziale Bewusstsein das Verhalten schafft. Und dafür ist jeder selbst verantwortlich.
Es liegt nicht an den barfüßern, Gothics, Behinderten, Dunkelhäutigen oder so, dass diese von extremisten oder ihren kettenhunden angegriffen werden, sondern an der Einstellung der Angreifer. Ich habe bereits das beispiel mit dem territorialen Imperativ der Schimpansenhorde gebracht. Das ist nicht nur aus dem Tierreich bekannt, sondern auch aus der menschlichen geschichte. Schau dir nur die Zeit des Faschismus oder des stalinismus an. Oder die Herrschaft der Taliban in Afghanistan. Oder das, was George W. Bush zur Zeit durchzieht. "Either you're with us, or against us." Das drückt doch schon alles aus, oder? Das ist dieselbe Denke, welche die schmalhirnigen gewalttätigen Extremisten als Mob auf der Straße an den Tag legen. Da ich persönlich Bush als Intelligenzallergiker betrachte, und ihm auch nicht unbedingt guten Charakter unsterstelle, ist es in meinen Augen nicht weiter verwunderlich, dass er über das denken im territorialen Imperativ nicht hinausgekommen ist.
Ich empfehle dir, "Massenpsychologie des faschismus" einerseits zu lesen und "Der neue Prometheus" andererseits. Ersteres von Wilhelm Reich, das zweite von Robert Anton Wilson.
Desweiteren gebe ich zu bedenken, dass zum Beispiel der vietnamkrieg nicht dadurch aufhörte, dass die Leute in den USA damals ach soviel verständis hatten für den vietcong oder für das sinnlose Morden durch Leute wie General Calley (sagt dir My Lai etwas? WAren die auch alle selbst schuld?) sondern durch die massenhaften Proteste und Aufmärsche der Kriegsgegner, massenhafte DEsertion und Aufklärung über das, was in vietnam wirklich vor sich ging. Das nenne ich zivilen Ungehorsam, und so ist das auch gut. Nicht diese "Liebe die Gewalttäter"-Schiene, welche diese Leute auch noch in ihrem Verhalten bestärken würde.
Gegenseitigkeit ist in solchen Fällen nicht gegeben, weder bei den Angriffen auf Barfüßer, noch bei Misshandlungen an Kindern, vergewaltigungen oder gar bei solchen Sachen wie der Terrorherrschaft der Roten Khmer, der Taliban, oder bei solchen unfassbaren Greueln wie in My Lai, Theresienstadt oder dem Archipel Gulag.
Aus der weiteren Diskussion klinke ich mich aus, da ich nicht eskalieren möchte. Das würde keinem was bringen, und dem Forum erst recht nicht.
Der Hippie