Barfüßige Rückkehr aus dem Elsaß (Hobby? Barfuß! 2)
Sonntag, 14.5.2006, ca. 7.30 Uhr: Eine Nacht war vorüber, es hatte geregnet, aber die Plastikfolie, unter der ich mich im Schlafsack verkrochen hatte, hatte dichtgehalten. Unter mir floß das braune Wasser des Flusses Ill, zur anderen Seite erhob sich der Illberg. Erstaunlich viele Krähen krächzten und überdeckten somit das Gezwitscher der "normalen" Vögel. Anfangs (noch schlaftrunken) glaubte ich, daß ich mich am Ufer der Birs befand, wo ich schon so oft übernachtet hatte, wenn ich am Wochenende barfuß Basel unsicher gemacht hatte. Aber ich befand mich nicht in der Nähe von Basel, sondern in der Nähe der elsässischen Schwesterstadt Mülhausen.
Es war nicht kalt, und es war trocken. Anders als in Dresden fror ich nicht, als ich aus dem Schlafsack kroch. Die Plastikfolie war naß und voll von Schnecken, sowohl kleine Gehäuseschnecken, aber auch kleine und große "Barfuß-bis-zum-Hals-Schnecken". Ich gab mir Mühe, Blätter und sonstiges von der Folie zu entfernen, aber es gelang mir nicht. (Zwei Schnecken gelang die Republikflucht im nassen Gepäck auf dem Fahrrad nach Zofingen). Der Waldboden war irgendwie angenehm. Wie gut, daß ich keine Schuhe dabei hatte. Hätte ich welche dabei gehabt und über Nacht ausgezogen, dann wäre die Wahrscheinlichkeit sehr groß gewesen, daß ich sie im Wald vergessen hätte ohne sie zu vermissen.
Ich radelte los, folgte dem Veloweg nach Diedenheim, um von dort in die westlichen Teile Mülhausens zu gelangen. Auf meiner Fahrt in Richtung Hauptbahnhof folgte ich stur dem Trassee der neunen Straßenbahn, die ich tags zuvor barfuß "in vollen Zügen" genossen hatte. Jetzt aber fuhr (noch) kein Tram, der reguläre Verkehr war noch nicht aufgenommen. Autos waren auch nur wenige unterwegs, auch nur wenige Fußgänger, meist mit Hunden. Ab und zu große Glotzaugen, sonst nichts.
Ich versuchte, möglichst "kanalnah" nach Basel zu kommen, aber leider existiert noch kein durchgehender Veloweg vom alten Hafen am Mülhausener Hauptbahnhof bis nach Basel. Bis Illzach mußte ich normale Straßen benutzen, aber von dort bis Hüningen gibt es einen idealen Radwanderweg. Hier fiel es kaum auf, daß ich barfuß war. Auch die Zöllner interessierten sich nicht für meine Barfüßigkeit (und nicht für meinen Paß). Ein Polizeifahrzeug der Basler Stadtpolizei stoppte mich auch nicht. Vermutlich hatten die genug Ärger mit militanten Fußballfans am Tag zuvor, daß sie keine Lust hatten, einen Barfüßer, nicht mal einen, der seine Barfüßigkeit mit T-Shirt und kurzer Hose kombinierte, zu kontrollieren. Basel ist halt nicht Zofingen!
Viel unternehmen wollte ich an diesem Tag nicht, allerdings auch nicht auf dem schnellsten Weg nach Hause. Gegen 11 Uhr erreichte ich den Birskopf, wo ich bis etwa 17 Uhr verweilen würde. Es war sonnig und wurde warm, aber zum Baden im Rhein war mir das Wasser doch zu kalt. Ich sah auch niemanden anderen dort baden. Allerdings liefen einige Leute auf der Birskopfwiese barfuß, aber nicht alle. Es gab sogar Leute, die mit Schuhen in der Hand den Platz verließen und sich über Asphaltwege entfernten. Auch sah ich dort einen Mann barfuß radfahren, und zwar ohne Gepäck. Erstaunlich fand ich, daß manche Kinder Bemerkungen machten. Obwohl sie selber barfuß waren, schien es denen gar nicht zu passen, daß ich nur in einer Badehose mich auf der Liegewiese aufhielt. Menschen sind halt komisch.
Zwischen Muttenz und Pratteln (beim Schießplatz) wurde der Tramverkehr (auf eigenem Gleiskörper neben einem asphaltiertem Weg ohne regulärem Autoverkehr) wegen Gleisbauarbeiten eingleisig abgewickelt. Gerade als ich dort vorbeiradelte, überholte mich ein "Vierzehner" langsam beim Wechseln aufs "falsche Gleis". Der Tramchauffeur starrte beim Überholen auf meine Füße, auch die Fahrgäste blickten nach unten.
Die weitere Heimfahrt nach Zofingen war unspektakulär, lediglich bei der Abfahrt vom Hauensteinpaß fuhr ein Auto, besetzt mit 4 jungen Männern an mir vorbei, der Beifahrer pöbelte mich mit "Nigger" an. Der Fahrer gab Vollgas, und machte anschließend eine Vollbremsung, daß die Reifen quietschten, und sofort danach wieder Gas zu geben. Ein derartiges Verhalten ist verantwortungslos. Glücklicherweise reduzierte ich vorsorglich meine Fahrt, so daß ich nicht auf das Auto auffuhr. Natürlich konnte ich mir das Kennzeichen nicht merken. Und selbst wenn, es hätte mir nichts genützt, mangels Zeugen (die Autoinsassen hätten sicher alles abgestritten). Ob die Jugendlichen mich nur wegen meiner Barfüßigkeit (oder leichter Kleidung) so verhalten hätten oder überhaupt bei einem Radfahrer (z. B. einem Rentner mit Hut), kann ich nicht sagen.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen