Barfuß bei "111 Johr BVB" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 08.05.2006, 12:03 (vor 6779 Tagen)

Samstag, 6.5.2006: An diesem Tag feierten die BVB (Basler Verkehrs-Betriebe) ihr 111-jähriges Bestehen. Von diesem Jubiläum habe ich übrigens erst kürzlich von Ulrich aus Berlin erfahren. Da andererseits für diesen Tag weitgehend trockenes und ca. 20°C warmes Wetter angesagt war, entschloß ich mich, mit dem Fahrrad nach Basel zu fahren, selbstverständlich barfuß. Einzig zwischen Zofingen und Olten setzte ein heftiger Regen ein, so daß ich eine Regenjacke benötigte, dann war es wieder trocken.

Ausstellungen gab es in der Zentralwerkstätte Klybeck und im etwa 200 Meter davon entfernten Depot am Wiesenplatz. Gegen 10 Uhr sollte es beginnen, etwa 10 Minuten eher erreichte ich das Depot, wo ich mein Fahrrad sorgfältig im Ständer abstellte. Die Bediensteten waren derart mit sich selbst beschäftigt, so daß sie meine nackten Füße nicht bewußt registrierten.

Als erstes besichtigte ich die im und vor dem Depot abgestellten Straßenbahnen und Busse. Der Asphalt vor dem Depot war teilweise glatt, teilweise auch rauh und mit Splittresten bedeckt. Dagegen waren die Hallen ausgezeichnet barfuß begehbar, teilweise glatter Beton, teilweise Holzbalken neben den Gleisen, und zwischen den Strängen eines Gleises demontierbare Platten aus wasserfestem Sperrholz.

Interessant war es auch, im Depot unter den Straßenbahnzügen zu gehen. Ein Bediensteter warnte uns, ja nicht mit dem Kopf gegen vorstehende Eisenteile zu stoßen, nicht aber vor Teilen, in die man treten könnte. Er führte den Überrollschutz vor und ich entdeckte auch die beiden Glocken. Weniger barfußfreundlich dagegen waren die Treppen und Wege aus Eisengitter, von wo man Einblick in die Oberseiten der Trams hatte. Aber irgendwie empfand ich das Eisengitter doch angenehmer als ähnliche Einrichtungen im Elbsandsteingebirge.

Auch wurden kostenlose Fahrten angeboten. Ein Zug bestehend aus einen historischen Triebwagen, einen alten Beiwagen und einem offenem Wagen, genannt "Badewanne" [image] stand abfahrbereit vor dem Depot. Ich bestieg die "Badewanne" (Wann hat man sonst schon Gelegenheit, im offenen Tram durch die Stadt zu fahren?). Und die barfüßige Benutzung einer Badewanne ist ja selbst bei Nichtbarfüßern (und Leuten, die sich nach einer Wanderung durch den Feldbergschnee Erfrierungen geholt haben und selbst im Bett eine Zeit lang Socken tragen mußten) nicht unüblich. Aber in dieser Badewanne war ich der einzige Barfüßer. Der rillige Fußboden aus Holz war angenehm an den Füßen ebenso wie der frische Wind, der mir um die Nase wehte, während "der Vierer" in etwa halbstündiger Fahrt seine Runde vom Wiesenplatz über Messeplatz, Wettsteinbrücke, Barfüßerplatz, Mittlere Brücke, Claraplatz zurück zum Wiesenplatz drehte. Auch auf den Straßen Basels sah ich keine Barfüßer, wohl aber etliche Leute sockenlos in Sandalen (auch Männer).

Zurück am Wiesenplatz sah ich mir gerade einen Film an, der das Schneechaos in Basel am 4./5. März 2006 zeigte, speziell wie Triebwagen mit Schneepflug (die 20 Jahre mangels Schnee nie zum Einsatz kamen) den Schnee zur Seite schoben und wie dahinter ein normales Tram scheinbar mühelos fuhr. Auch wurde gezeigt, wie der Schnee auf Lastwagen geladen wurde und wie die Ladung Schnee in den Rhein gekippt wurde. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Schnee, und wie er am 5. März plötzlich aufhörte und die Sonne schien, so daß ich zum Zofinger Karnevalsumzug gehen konnte, barfuß!

Ich ging wieder vors Depot, setzte mich auf eine Bank, von hier konnte ich beobachten, daß ich nicht der einzige Barfüßer war. Auf der Hüpfburg [image] mußten nämlich die Kinder die Schuhe ausziehen. Und die Kinder, die keine Socken an hatten, mußten barfuß hüpfen oder draußen bleiben. Allerdings trugen die meisten Kinder Socken und hüpften somit sockig. Drollig fand ich das Verhalten eines kleinen Mädchens, das auf Socken hüpfte. Als dann ein etwas größeres Mädchen, das keine Socken trug, kam und die Schuhe auszog, um zu hüpfen, riß das kleine Mädchen die Socken von den Füßen, um barfuß weiterzuhüpfen. Als das große Mädchen nach dem Hüpfen die Sandalen wieder anzog, wollte das kleine die Sandalen auch sockenlos tragen. Ansonsten zog nur noch ein Junge die Socken gleich mit aus. Die meisten Kinder zogen die Schuhe sofort danach wieder an, einige verließen jedoch auch barfuß (oder auf Socken) die Hüpfburg, um kurz irgendwo anders hinzugehen und dann weiter zu hüpfen.

Neben meinem Sitzplatz war auch ein Montagewagen tätig, der Publikum (und auch Kameraleute) hochhob. Von oben hatte man eine herrlich Aussicht aufs Festgelände [image]. Ich betrachtete mir noch, wie die Eingleisung eines Trams mittels Speziallastwagen demonstriert wurde, dann ging ich hinüber in die Hauptwerkstätte.

Hier begann gerade eine Führung durch das Ersatzteillager, mit "Führer" waren wir lediglich zu viert. Auch hier kein Kommentar zu meinen Füßen. Auf eine Frage meinerseits fragte er lediglich, ob er weiter Schweizerdeutsch sprechen sollte oder auf Hochdeutsch überwechseln sollte (er durfte weiter schweizerdeutsch schnurren). Der Fußboden im Lager war staubig, die Füße wurden dabei recht schwarz, besonders, als ich (nicht ganz zufällig) gegen ein altes Drehgestell trat. Als die Führung zu Ende war, stand eine Packung mit Tempo-Taschentüchern bereit, damit man sich die Hände abwischen konnte, falls man irgendetwas dreckiges im Lager angefaßt haben sollte.

Ich ging auch noch durch die anderen Bereiche der Hauptwerkstätte. Auch hier keine Bemerkungen von Bediensteten. Ab und zu hörte ich aber Kinder sagen: "Der läuft barfuß!" Und den "Kneipen" auf dem Festgelände gab es auch manche Bemerkung, aber das störte mich nicht. Vor der Hauptwerkstätte wartete ein Sondertram (diesmal ein "moderner" Vierachser), mit dem ich noch einer Runde durch die Stadt drehte. In diesem Wagen saß eine Familie mit keinem Mädchen. Es starrte immer auf meine Füße. Als ich die Füße auch noch so ansetzte, daß das Mädchen meine vermohrten Fußsohlen sehen konnte, machte es große Glotzaugen.

Kurz vor 16 Uhr, dem offiziellen Ende des Festes, erreichte ich den Wiesenplatz wieder. Eine vierköpfige Familie bewegte sich auch zum Ausgang. Da kleinste Mädchen ging barfuß über den Platz, die Mutter schob die Kinderkarre und trug die Sandalen der Kleinen in der Hand. Die anderen Familienmitglieder waren sockenlos in Sandalen. Nachdem die Familie das Gelände verlassen hatte, bestieg die kleine die Karre und ließ sich durch die Stadt schieben, barfuß, aber dank der Karre geschützt vor Scherben, Hundekot usw. Und ich begab mich zum Fahrrad, um mich auf den Heimweg zu machen.

Ein schöner Aufenthalt ging zu Ende. Ob es in 111 Jahren wieder ein ähnliches Fest geben wird? Etwa mit Stadtrundfahrten im "historischen Combino"? Falls ich dann noch leben sollte, dann werde ich wieder dort sein, selbstverständlich barfuß. Und vielleicht sind dann Barfüßer dann nicht mehr in der Minderheit. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen vor 111 Jahren grundsätzlich mit Hut bzw. Mütze unterwegs waren und wie wenige es heute tun, dann stehen die Chancen gar nicht so schlecht.

Und wen noch mehr Bilder vom Jubiläum interessieren, der kann sie hier sehen:
http://www.bvb.ch/111_joor_bvb/foto-galerie.htm

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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