Poetischer Text (Hobby? Barfuß! 2)
Aus dem Skript einer Sendung des Deutschlandfunks:
Kommen und Gehen
Geschichten vom Einwandern und Auswandern in Norditalien [...]
Das Weggehen von Zuhause fällt nicht leicht. Und das Ankommen in einem neuen Land ist schwierig, es gilt, mit einer fremden Sprache und mit misstrauischen Menschen zurechtzukommen. Wer seine Heimat verlassen hat, wird immer anders sein als seine neuen Nachbarn, und, sollte er zurückgehen, auch dort wiederum ein Fremder sein. In seinem Roman "Der Himmel im Süden" erzählt der Schriftsteller Erri De Luca die Geschichte eines Mannes, der seiner großen Liebe nach Argentinien folgt, mit ihr gegen die Militärdiktatur kämpft und viele Jahre später heimkehrt nach Italien. Nur wenigen Menschen kann und will er sich mitteilen - er zieht Bücher als Begleiter vor, führt ein zurückgezogenes Leben als Gärtner und macht sich seine Gedanken über das Wurzelschlagen, über das Leben, und über das Unterwegssein. [...]
"Im Garten erscheint Selim wegen der Mimosen und um ein bißchen über sein Dorf zu reden, wo man barfuß geht und darum gerne miteinander spricht.
Wenn du Schuhe anziehst, sprichst du nicht, so denkt er über uns. Wenn uns die nackte Fußsohle auf dem Erdboden fehlt, sind wir voneinander getrennt, sagt seine Zunge, in deren Innerem eine Gräte aus Silber stecken muß, um seine Stimme so klingend zu machen.
Er sagt: Hier bei euch baut man mit Wasser aus der Erde. Ihr nehmt Wasser aus einem Brunnen, aus einer Quelle, aus einem Fluß. Bei uns baut man mit Wasser vom Himmel.
Wir sammeln es und wenn wir ein wenig haben, rühren wir mit diesem Wasser an. Unsere Häuser sind aus Regen gemacht, es sind eher Wolken als Häuser.
Und Selim lacht, er lacht über die Häuser dieser Welt.
Er begleitet mich zum Mittagstisch, verabschiedet sich damit von mir. Er geht nach Sizilien, wo jetzt die kleinen Tomaten geerntet werden, die Kirschtomaten.
Ich sage ihm, daß er der Erde folge. [...]
Ich folge deiner Erde sagt er lächelnd, die mit den Jahreszeiten geht, während meine stillsteht.
Dann tunkt er das Brot ein und sagt: 'Gute Zusammentreffen hat es gegeben, weil die Menschen weit übers Meer gefahren sind. Die Kartoffel aus Amerika hat das Öl der Oliven gefunden und die Tomate ist auf dem Korn gelandet.'
Er kaut mit Genuß, ich denke an seinen dunklen, über das Rotgrün der Tomatenpflanzen gebeugten Rücken, an die Sonne, die er sich bald zehn Stunden am Tag und für die Hälfte des gerechten Lohns auf den Rücken laden wird. Und schließlich sage ich ihm, daß es eine Ehre für mich ist, mit ihm an einem Tisch zu sitzen."