Begegnungen in Dresden (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 19.04.2006, 16:34 (vor 6733 Tagen)

Dienstag, 10.4.2006, ca. 7.15 Uhr in Dresden: Es war noch kälter in "meinem" Schuppen oberhalb der "Mordgrundbrücke" als in der Nacht zuvor. Ich eilte barfuß den Weg hinunter zur Haltestelle der Straßenbahnlinie 11. Meine Füße schmerzten vom "nicht übermäßig barfußfreundlichen Weg" und vom Splitt auf dem Trottoir vor der Haltestelle. Die gelbe Bahn kam so zum Stehen, daß die hinterste Tür für mich die nächste war. Da sich der Fahrkartenautomat im vorderen Zugteil befand (an der Haltestelle gab es keinen), mußte ich nach vorne durchgehen. Während dieser Zeit fuhr das Tram an. Da die modernen Dresdener Straßenbahnen stark beschleunigen und bremsen können. War es gar nicht so einfach, nach vorne zu kommen. Für ein zügiges Fahren sicher vorteilhaft, aber wenn man sich zum Automaten vorbewegen will, ist dieses noch dazu auf einer kurvenreichen Gefällstrecke gar nicht so einfach. Mein schwerer Rucksack tat sein übriges. Daß ich barfuß war, war sicher nicht der Grund für mein etwas unsicheres Lösen der Tageskarte aus dem Automaten in der schaukelnden Bahn. Eine ältere Frau mit aufgedunsenem Gesicht und Kropf, bekleidet mit Wintermantel, Wollmütze, dunkelbrauner Cordhose, Wollsocken und Filzpantoffeln fing lautstark an zu lachen. Ich interpretierte es als ein "von Alkohol geschwängertes Lachen", richtig dreckig. Als ich meine Fahrkarte gelöst hatte, ging ich in den hinteren Zugteil, aber auch da konnte ich ihr Lachen noch hören. Leute, die an späteren Haltestellen hinzustiegen, fragten sich, worüber diese "Hexe" lachte.

Der "Elfer" brachte mich in die Innenstadt, irgendwo stieg ich in eine andere Bahn um, die mich zum Schillerplatz brachte. Hier in der Nähebis zur Endhaltestelle im Süden Dresdens. Hier stieg ich aus und ging in Richtung Elbbrücke, genannt das "Blaue Wunder":

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Es war ziemlich zugig auf der Brücke, die ich auf dem mündungsseitigen Trottoir aus Beton (oder war es Stein?) überquerte. Am anderen Ufer befanden sich die Talstationen der alten Dresdener Bergbahnen. Zunächst folgte ich einem recht steilen Weg, der parallel zur Seilbahn

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verlief und gelangte so zur Bergstation. Einige Hotelgäste sahen mich fassungslos an, sagten aber nichts. Einen anderen Weg, über den das Gleis der Standseilbahn führte (und auf der gerade in kurzem Abstand aufeinander zwei Seilbahnwagen rollten) , benutzte ich für den Abstieg. Als dieser Weg in eine Straße mündete, fuhr gerade ein Polizeifahrzeug vorbei, ohne anzuhalten. War wohl Zufall. Ich war also diesmal nicht Opfer eines Spießers geworden.

Ich schritt zur Talstation der Schwebebahn

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und wartete noch die Abfahrt ab. Dann wanderte ich wieder zurück zum "Blauen Wunder" und überschritt es auf dem quellseitigem Trottoir, das mit Holzplanken ausgelegt war und sich daher wesentlich angenehmer unter den nackten Füßen anfühlte. Mit der Straßenbahn sollte es weitergehen. Da ich noch Zeit hatte, löste ich am Automaten an der Haltestelle bereits die Tageskarte für den nächsten Tag. Warum ein solches? Um nicht am nächsten Morgen im schaukelnden Tram ein Billett lösen zu müssen? Nein! Für den nächsten Tag benötigt ich eine Karte einschließlich der Tarifzone Pirna, und so eine Karte gibt es nicht im Zug nicht. Eigentlich kann man am Dresdener Haltestellen-Automaten ALLE Fahrkarten auf Vorrat kaufen, man braucht sie am Tag des Gebrauches nur im Bus/Tram abstempeln. Achtung: Im Automaten der Bahn kann man keine Karten auf Vorrat kaufen, da sie dort bereits abgestempelt sind. Sorry wegen off-topic! Aber derjenige, der vorhat, eine Mehrzonenfahrkarte zu kaufen und mangels Automaten an der gewünschten Einstiegshaltestelle barfuß über schlechte Wege zu einer entfernteren Haltestelle gehen muß (oder mehr bezahlen bzw. schwarz zur Haltestelle mit Automaten fahren muß), wird sich sicher zu diesem Hinweis freuen.

In die Straßenbahn stieg auch ein Mann mit Fahrrad ein, er trug eine Wollmütze, Jeans und Sandalen mit Socken. Er fragte mich, ob ich auch im Winter barfuß laufe, was ich bejahte, soweit es nicht allzu kalt sei. Er sagte, daß er schon mal zu Fuß nach Jordanien gewandert sei und die meiste Zeit keine Schuhe getragen hätte. Die Israelis hätten ihn später nicht in ihr geheiligtes Land gelassen. Als ich ihm erzählte, daß ich des öfteren in der Schweiz Ärger mit der Polizei hätte, weil ich beim Wandern oder Radfahren häufiger barfuß bin und kurze Hosen trage, meinte er das sei typisch Schweiz. Den Leuten ginge es derart gut, daß sie ihre Probleme künstlich erfinden müßten. Als ich ihm vom Treffen im Elbsandsteingebirge erzählte, fand es interessant und er wünschte mir noch viel Spaß, bevor er die Bahn verließ.

Obwohl es ganztags trocken blieb, stieg die Temperatur nicht über 7°C. Zum Mittag fuhr ich in ein idyllisch gelegenes Waldstück nahe der Haltestelle "Infenion Süd", hier wird die Straßenbahn nach Hellerau zur eingleisigen Waldbahn. Auch hier wanderte ich ein Stück durch den Wald, bevor ich in den Südwesten der Stadt fuhr. Hier fragte mich ein Junge, ob ich arm sei. Als ich das verneinte, wunderte er sich, warum ich barfuß sei. Darauf meinte ich, das sei gesund.

Für einen barfüßigen Bummel durch die abendliche Altstadt war es am Abend zu spät geworden. Der "Elfer" brachte mich zur Mordgrundbrücke und ich tastete mich in der Dunkelheit hoch zum "Hotel". Diesmal verpaßte ich im Dunkeln den richtigen Weg nicht. Im "Schuppen" breitete ich Plastikfolie und Schlafsack aus. Es folgte die kälteste Nacht in Dresden.

Fortsetzung folgt.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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