Barfuß an der Emme (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 05.04.2006, 08:56 (vor 6813 Tagen)

Sonntag, 2.4.2006: es sollte anfangs sonnig sein, gegen Abend aber wieder Regen geben. Also radelte ich morgens los Richtung Burgdorf, von wo ich eine Wanderung entlang der Emme eingeplant hatte. Die Sonne schien, aber ich hatte starken Gegenwind. Die Temperatur war auch so, daß ich auf Jacke, lange Unterhosen, Handschuhe, Mütze und selbstverständlich auch auf Schuhe verzichten konnte. Viel Verkehr war nicht. Ein Mann der mich auf dem Rennrad überholte (was von ihm einige Geduld erforderte), war erstaunt, daß ich so wenig winterlich gekleidet war.

In Burgdorf stellte ich mein Velo ab und wanderte die Strecke bis Lützelflüh und zurück, wobei ich teilweise verschiedene Uferseiten der Emme benutzte. Es ist übrigens das dritte Mal, daß ich hier barfuß wanderte (und hier im Forum erwähnte). Die Trampelpfade sind auch wirklich barfußfreundlich, besonders wenn es in der Nacht zuvor geregnet hat. Ab und zu muß man über Wurzeln klettern, aber das bringt Spaß. Allzu überlaufen sind diese Pfade nicht, da parallel dazu auf dem Damm ein weniger barfußfreundlicher Weg verläuft, dieser wird von Radfahrern, fett beschuhten Wanderern und Joggern lieber benutzt. Dagegen bevorzugen die Leute mit Hunden "meinen" Weg, was mich nicht stört. Meistens sind Leute mit freundlichen Hunden (und das sind in der Schweiz die meisten Hunde) auch tolerant gegenüber Barfüßern. Und vermutlich sind auch den Hunden die Trampelpfade lieber, in denen ihnen ab und zu ein Barfüßer oder ein anderer Hund begegnet, als der Dammweg, wo es von Radfahrern und Joggern nur so wimmelt.

Ab und zu mußte ich ein kurzes Stück auf dem Dammweg gehen, etwa bei Mündungen von Wasserläufen. Die Reaktionen der Leute waren durchweg positiv, eine Frau fragte mich auch, weshalb ich es tue. Sie wußte, daß Barfußlaufen gegen Erkältungen vorbeugt. Ab und zu begegnete ich auch Kindern auf dem Trampelpfad, während deren Eltern auf dem Dammweg gingen. Einige machten große Glotzaugen. Dabei war tagsüber das Wetter wirklich frühlingshaft. Höchstens einige Radfahrer und Jogger (überwiegend Männer, weniger Frauen und Kinder) hatten schon auf weniger winterliche Kleidung umgestellt, aber nicht barfuß, sondern in Kombination mit geschlossenen Sportschuhen (und Socken).

Erst als ich wieder beim Fahrrad war (und der Himmel sich eintrübte), sah ich, wie eine Gruppe von vier Kindern und einem Hund vom Ufer der Emme in Richtung Stadt wegbewegte. Alle trugen zwar Wollpullover (es war recht windig, wenn man nicht im Schutze der Bäume ging), aber zumindest bei 3 Kindern hatte man den Eindruck, als ob sie mit Winter nichts mehr am Hut bzw. an der Mütze hatten. Ein Junge trug kurze Hosen, allerdings Turnschuhe und Socken, ein Mädchen trug kurze Hosen und Sandalen ohne Socken und ein drittes Mädchen (das mit dem Hund an der Leine) trug einen langen Rock und keine Schuhe (und kein Behältnis zum Transport von Schuhen). Als ich mit dem Rad in Richtung Altstadt fuhr, holte ich die Gruppe unterhalb des Schloßfelsens wieder ein, zwei Kinder verschwanden in einer Hofeinfahrt, die anderen, darunter das barfüßige Mädel gingen weiter die Hauptverkehrsstraße entlang. Es gibt also noch Kinder, die sich auch außerhalb des Hochsommers in städtischen Bereichen ohne Schuhe bewegen. Und das, wie wenn es nichts selbstverständlicheres gibt als barfuß laufen.

Oder handelte es sich etwa um die Tochter des barfüßigen Radioreporters, den Markus G. irgendwie in Zusammenhang mit Evas geplanter Volkswanderung im Berner Raum erwähnte? Vor einiger Zeit erschien hier im Forum auch ein Beitrag über einen Ganzjahresbarfüßer aus Burgdorf, vielleicht hat der seine Tochter auch angesteckt.

Da Regen in der Luft hing, radelte ich noch einmal hoch in die Altstadt (hier einige erstaunte Blicke), um dann so schnell wie möglich in Richtung Zofingen zu fahren, der Wind meinte es gut mit mir. In der Gegend von Riedtwil fand gerade ein Hornussenmatch statt. Dort war der normalerweise für Autos gesperrte Fahrradweg abseits der Hauptstraße von parkieren Autos der Zuschauer blockiert. Und das bißchen Asphaltweg, was nicht von Autos verstellt war, wurde von Menschen versperrt. Dabei war auf dem nassen Gras neben dem Asphalt genügend Platz, um den Match zu beobachten. Stattdessen nehmen sie einen noch den Verkehrsraum weg, so daß ich über das Gras radeln mußte. Dabei wurde ich von einigen Leuten angepöbelt. Sie schimpften über meine fehlenden Schuhe, über die kurze Hose und darüber daß ich ausgerechnet während des Spiels hier längsfahren mußte. Sogar das Wort "Polizei" hörte ich. Das ist übrigens das zweite Mal, daß sich Hornusser-Fans als extrem arrogante und intolerante Zeitgenossen erlebte. Beim letzten Mal wurde ich wegen Barfußlaufen bei der Polizei verpfiffen, auch diesmal rechnete damit, aber nichts geschah.

Hinter Langenthal gab es einen Menschenauflauf vor einem Landgasthof. Offensichtlich gab es dort eine Konfirmationsfeier, alle Leute waren sehr festlich gekleidet. Auch hier besaßen einige die Unverfrorenheit, ihre Autos auf dem Radweg abzustellen. Von den anwesenden Leuten warfen mir speziell alte Leute recht giftige Blicke zu. Offensichtlich paßte es diesen steinreichen Herrschaften nicht, den Anblick eines barfüßigen Radfahrers zu erdulden. Selber Schuld! Wenn die wirklich unter sich bleiben wollen, dann haben die das gefälligst hinter meterhohen Zäunen abzuhalten. Da siehst man wieder: Wer Geld hat, besitzt die Unverfrorenheit, öffentlichen Raum für sich zu mißbrauchen (und das ist das Abstellen von Autos auf dem Radweg) und andere, die nicht dazu gehören, jedoch genau das gleiche Recht haben, den öffentlichen Raum zu benutzen. Zwei Mädchen (offensichtlich wurden sie konfirmiert), fühlten sich in diesem formalen Rahmen auch nicht wohl und langweilten sich zu Tode. Für die war ich sicher eine Abwechslung, jedenfalls rief mir eines nach: "Wow! Sexy!" Was war den Eltern wohl peinlicher, das Verhalten der Mädchen oder meine Aufmachung?

Hinter St. Urban holte mich doch noch der Regen ein, so daß ich eine Regenjacke überziehen mußte. Trotz alledem hat mir der Tag gefallen, speziell die barfüßige Wanderung an der Emme. Und ich hoffe, daß es mir auch in einer Woche gefallen wird, wenn ich die Emme durch einen anderen Fluß austauschen werde, einen viel größeren, auch mit vier Buchstaben und mit "e" am Anfang und am Ende, nur in der Mitte anders.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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