Ein Spießer in Aktion (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 21.03.2006, 11:33 (vor 6762 Tagen)

Samstag, 18.3.2006, ca. 9 Uhr: Ich hatte bereits eine barfüßige Wanderung von Basel, Bahnhof SBB nach Weil am Rhein hinter mir, nun hatte ich die Ausläufer des Stadtzentrums erreicht. Der Weg führte an der Polizeistation vorbei, und prompt wurde ich von einem Beamten, der vor dem Gebäude wartete, in Empfang genommen. Hatte er aus purer Langeweile aus dem Fenster gesehen und mich schon aus einiger Entfernung antraben sehen? Oder hatte mich ein Spießer angeschwärzt? Ich mußte meinen Ausweis abgeben, er ging damit ins Gebäude und ließ mich draußen warten. Nach etwa 5 Minuten kam er wieder, meinte, barfußlaufen wäre zwar ungewöhnlich, aber nicht verboten. Er blieb die ganze Zeit höflich, gab mir den Ausweis zurück, ich durfte weiter ziehen.

Kaum war ich 200 Meter weiter, da kam mir ein Polizeifahrzeug, das vermutlich auf dem Weg zur Wache war, entgegen. Die Beamten, ein Mann und eine Frau, stiegen aus, und fragten, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahte, mußte aber den Ausweis vorzeigen, worauf ich sagte, daß ich vor wenigen Minuten bereits bei der Polizeistation kontrolliert wurde. Während der Mann im Auto mit der Zentrale Verbindung aufnahm, fragte die Frau, ob es nicht zu kalt sei. Ich sagte, daß Barfußlaufen bei Temperaturen nicht oder nur knapp unter Null gesund sei, solange man in Bewegung bleibt. Dann fragte sie, woher ich komme, was ich auch erzählte. Dann fragte sie, warum ich ausgerechnet nach Weil, um barfuß zu wandern, worauf ich die Sache mit der Post erzählte. Nach etwa 10 Minuten kam der Mann aus dem Auto zurück und sagte: "Es stimmt. Sie sind vor kurzem kontrolliert worden." Ich durfte weiter ziehen.

Auf dem Weg zum Postamt starrten mich einige Leute an, wie wenn ich von einem fernen Planeten stamme. In der Post wurde ich aber höflich bedient, ich erhielt das, was ich wollte. Das Geld, was ich abhob, hätte sicher gereicht, um mir etliche Paare hochwertige Schuhe zu kaufen. Oder neue Dienstkleidung. Aber nichts da. Ich brauche es kurz vor Ostern, da ich da etwas Außergewöhnliches vor habe.

Ich verließ das Stadtzentrum im Osten und kam an der Laguna (Hallenbad) vorbei. Eine Familie befand sich offensichtlich auf dem Weg ins Bad. Der Mann fragte mich, ob mir auch schon mal Schuhe im Hallenbad gestohlen worden wären und daher nun meine Schuhe gleich im Auto lasse. Ich antwortete, daß mir zwei Fälle bekannt seien, daß im Hallenbad Schuhe geklaut werden und ein ähnlicher Fall wäre bei einer Eisbahn passiert. Aber das wäre nicht der Grund, weshalb ich keine Schuhe trage. Ich laufe schlicht und einfach gerne barfuß, solange das Wetter und die Situation es zulassen.

Auf dem Weg zur Schweizer Grenze kam mir ein Mann mit Hund entgegen, er sagte: "Das soll ja gesund sein!" und nach einer Pause: "Aber nicht für jeden!"

Etwa 200 Meter vor der grünen Grenze holte mich auf dem für "normale" Autos gesperrten Weg ein Fahrzeug des deutschen Zolls ein. Die Zöllner stiegen aus, wieder Ausweiskontrolle, die übliche Befragung. 20 Minuten dauerte es, bis der eine Zöllner im Auto über Funk Informationen einholte. Während der Zeit kamen bestimmt 20 Leute zu Fuß oder auf Fahrrädern vorbei. Die Zöllner interessierte das gar nicht. Wie viel Stangen Zigaretten, Flaschen Alkohol, Kilo Drogen, Waffen, Sprengstoff usw. wohl über die Grenze geschmuggelt wurden, weil ich dank meiner nicht übermäßig winterlichen Aufmachung verhinderte, daß deren Taten aufgeklärt wurden? Auch die Zöllner blieben höflich. ich mußte auch noch meinen Rucksack öffnen (nicht aber mein Portemonnaie mit den "geschmuggelten" Euros. Ich durfte weiter ziehen.

Ich wanderte ein Stück "wieseaufwärts" (wieder direkt am Flußufer), um dann einen Asphaltweg nach Riehen zu benutzen. Ich kam am der dortigen Polizeistation vorbei, wurde dort aber nicht abgefangen. In der Fußgängerzone gab es ungläubige Blicke, ebenso am Bahnhof. Ein Mann fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahte, worauf er meinte: "Barfußlaufen ist doch nicht verboten!"

Kurze Zeit später hörte ich hinter mir eine recht laute Stimme. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie etwa 50 Meter hinter mir ein Mann mit dem Handy telefonierte. Ich konnte längst nicht alles verstehen, aber einige Wortbrocken, etwa "kurze Hose", "barfuß", dann nach einiger Zeit "Zuchthaus" sowie "Schweinerei" und "unzumutbar", dann "Polizei". Ein Spießer in voller Aktion. Ich wußte, was demnächst passieren würde. Am liebsten wäre ich umgekehrt und hätte den Idioten ein Messer in den Rücken gerammt, selbstverständlich von hinten. Aber man darf ja nicht gleiches mit gleichem vergelten, also ging ich weiter. Der Mann blieb in sicherem Abstand hinter mir und telefonierte immer noch.

Als ich mich nach einiger Zeit wieder umdrehte, sah ich, wie ein Polizeifahrzeug neben ihm stand und er in meine Richtung wies. Die "Bullenschleuder" folgte mir auf dem Weg parallel zur Bahnlinie, der eigentlich nur für Radfahrer und Fußgänger zugelassen ist. Dann das übliche: Die Beamten, ein Mann und eine Frau, stiegen aus, ich mußte den Ausweis vorzeigen, worauf ich sagte, daß ich bereits zweimal von der deutschen Polizei und einmal vom deutschen Zoll kontrolliert wurde. Während der Mann das Funkgerät bedient, fragte die Frau, ob es nicht zu kalt sei. Ich sagte, daß Barfußlaufen gesund sei und auch bei mir Knie- und Rückenbeschwerden zum Verschwinden gebracht habe. Auch erzählte ich, daß es in Basel einen Fährmann gäbe, der auch im Winter barfuß sein Boot über den Rhein setze. Sie meinte daraufhin, daß sie davon wüßte, sich aber nicht mehr sicher sei, ob dieser Fährmann noch da sei. Etwa 15 Minuten dauerte das "Verhör". Teilweise konnte ich auch den Funkverkehr verfolgen. Aus dem Funkgerät kamen folgende Fragen: "Ist er Brillenträger? Ist er spärlich bekleidet? Ist er Chemiker? Dann ist er bekannt. Der Beamte konnte es nicht glauben und fragte: "Ist es so?" "Ja, es ist halt so", tönte es aus dem Funkgerät. Ich durfte weiter ziehen.

Ich folgte weiter der Bahnlinie, durch "Strebergartenkolonien" (Angeblicher Kommentar eines Inders: "In der Schweiz sind sogar die Slums aufgeräumt!"), und schließlich zum Kraftwerk Birsfelden, wo ich den Rhein überquerte.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion