Morgens um sieben ist die Welt nicht immer ganz in Ordnung! (Hobby? Barfuß! 2)
Samstag, 18.3.2006: Damit ich meine Steuererklärung fristgerecht abschließen konnte, mußte ich noch im Laufe des Monats März ein deutsches Postamt aufsuchen zum Zinsen auf dem Postsparbuch nachtragen zu lassen (und um einen höheren Geldbetrag abzuheben, da ich demnächst außerhalb der Schweiz Geld benötige, also Euro). Dazu bot sich der Raum Basel an, warum sollte ich das nicht mit einer Barfußwanderung kombinieren? Da es andererseits morgens recht kalt war, entschloß ich mich, mit dem Zug nach Basel zu fahren (ich fahre lieber barfuß Zug als mit Schuhen Fahrrad).
Mit dem Rad bei -1°C zum Bahnhof, Abfahrt 6.13 ab Zofingen, der Schaffner sagte nichts. In Basel verließ ich den Bahnhof SBB, und nach etwa 200 Metern fragte mich eine Frau, ob man mir Schuhe gestohlen hätte, worauf ich antwortete, daß es gesund sei barfuß zu laufen, solange man in Bewegung bleibt. "Dann möchte ich Sie nicht länger aufhalten!" sagte sie.
Während ich an der Tramhaltestelle "Kirschgarten" vorbeiging, hielt auch gerade ein "Zweier" an. Als das Tram wieder anfuhr, glaubte ich am Fahrgeräusch zu hören, daß es langsamer an der Haltestelle anfuhr als üblich. Wegen mir? Oder nur, weil noch nicht viele Fahrgäste in der Bahn saßen? Als das Tram mich einholte, sah ich, wie der Tramchauffeur in meine Richtung blickte, erst dann gab er "Gas".
Durch die Freie Straße, über die "Mittlere Brücke", zum Messeplatz, zum Badischen Bahnhof, ab und zu alte Frauen mit Hündchen, die mich mit offenen Mäulern fassungslos anstarrten (die Frauen natürlich, nicht die Hunde!), ab und zu ein paar Besoffene, die mich anpöbelten, wobei es sich entweder um alte Schweizer mit grauen Bärten handelte oder aber um junge Ausländer. Also Leute, die, teils unverschuldet, teils vielleicht auch nicht ganz unschuldig an ihrer Misere, dem Staat nur Geld kosten. Vielleicht sahen sie in mir einen noch "ärmeren Siech", der sich nicht einmal Schuhe leisten kann? Vermutlich ahnen sie nicht, daß da gerade einer vorbeiging, der auf dem Papier einen 40-Stunden-Job hat, meistens aber deutlich länger am Arbeitsplatz ist (ohne Bezahlung von Überstunden) und nicht mal auf die Idee kommt zu streiken. Basel ist halt nicht Stuttgart, und der Müll wird immer noch pünktlich weggeräumt. Sicher bin auch ich der Meinung, daß es ein Skandal ist, daß einige Leute immer mehr arbeiten müssen, während gleichzeitig immer mehr Leute gar keine Arbeit mehr haben. Fest steht aber: Wenn ich nur halb so lange an meinem Arbeitsplatz wäre und die andere Hälfte einer von den Lästerern auf der Straße, dann wäre vermutlich niemandem geholfen. Mein halber Lohn und meine halb so lange Arbeitszeit würden mich sicher nicht an den Rand des Existenzminimums bringen, und ich hätte mehr Zeit für barfüßige Unternehmungen (und die Schuhe und Dienstkleidung würden doppelt so lange halten). Aber ob die Firma damit glücklich wäre, wenn meine Arbeit nur zur Hälfte ich selber und zur anderen Hälfte einer von diesen heruntergekommenen Leuten machen würde? Leider ist es hier so, daß Leute, die freiwillig weniger arbeiten und verdienen wollen, die ersten sind, die ihre Arbeit verlieren. Aber jetzt schweife ich ab.
Also barfuß weiter auf einer Straße parallel zur Bahn bis zur Brücke über den Fluß Wiese, hier ein Toilettenhäuschen aufgesucht, alles sauber. Keinen Grund hier nicht barfuß reinzugehen. Sogar Papier war vorhanden! Dann entschied ich mich direkt am Wiesenufer zu wandern, nicht auf dem Weg, der alles andere als ideal barfuß begehbar war. Das Ufer selbst dagegen ist im Normalfall ideal für Barfüßer. Gras, Sand usw. Diesmal jedoch mit Einschränkungen: Der Boden war noch gefroren, an einigen Stellen war Rauhreif, und der Fluß führte kürzlich mal Hochwasser, so daß angeschwemmtes Zeug herumlag. Eigentlich ist es speziell bei tiefen Temperaturen verlockend, barfuß durch angeschwemmtes Gras zu schreiten, aber leider befinden sich im angeschwemmten Gras auch gerne Brombeerranken oder Berberritzen. Zweimal trat ich in so etwas, aber dank der Kälte spürte ich den Schmerz der Dornen nicht. Die Leute, denen ich begegnete (meistens führten sie Hunde), sagten nichts.
Bei einer Brücke mußte ich den Fluß verlassen. Hier befand sich die "grüne Grenze" zur Bundesrepublik Deutschland, die ich überSCHRITT. Nebenbei bemerkt: Es war Premiere, daß ich barfuß eine Staatsgrenze überschritt, alle bisherigen barfüßigen Grenzüberquerungen geschahen fahrenderweise, entweder mit dem Zug oder mit dem Velo. (Und eine dritte Grenzüberquerung, nämlich durch Überschwimmen des Rheins vor vielen Jahren tat ich nicht einmal barfuß, sondern wegen des steinigen Untergrundes mit alten Sandalen, pfui!). Von hier führte ein Weg über ein freies Feld in Richtung Weil am Rhein. Es folgte ein Park, wo einmal die Messe "Grün 99" statt fand. Auch hier ideal zum Barfußlaufen. Dann erreichte ich eine vielbefahrene Straße, dieser folgte ich ins Stadtzentrum. Ich wußte, wo die Post war, und dahin wollte ich, barfuß natürlich.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen