Hallo Alex,

sicher stimme ich Dir zu, daß man in fremde Wohnungen keinen Dreck schleppt. Aber wieso ist es unverschämt, ungefragt barfuß in eine fremde Wohnung zu kommen. Weil Nichtbarfüßer glauben KÖNNTEN, mit nackten Füßen schleppt man mehr "Mohr" in die Wohnung als mit Schuhsohlen? Oder weil andere glauben KÖNNTEN, barfuß laufen an sich wäre unanständig?

Wenn man zu unbekannten Personen in die Wohnung geht, woher soll mal wissen, was diese für anständig und was für unanständig halten. Soll man jedes Mal vorher fragen? Dann müßte man aber nicht nur fragen, ob man barfuß kommen darf, sondern auch, ob man ohne Krawatte kommen darf, in verwaschenen Jeans, mit Mütze, mit Dreitagebart, mit gefärbten Haaren, mit Piercing, mit Brille(!) usw.

Die Meinung über Anstand ist ja so verschieden. Es gibt zweifellos Leute (meist konservative ältere Männer), die von einem männlichen Besucher erwarten, daß er Krawatte und eine lange Hose aus "Nicht-Jeans-Stoff" trägt und keinen oder einen "ordentlichen" Bart hat. Bei solchen Leuten würde ich vermuten, daß sie auch barfuß nicht wünschen, auch wenn man nicht explizit fragt. Vermutlich würde man auch nicht gerne gesehen werden, wenn man Anzug und Krawatte mit Flipflops oder Sandalen (egal ob mit oder ohne Socken) kombiniert. Merkwürdigerweise hätten dieselben konservativen "alten Sieche" keine Probleme damit, wenn der männliche Besucher zwar ordentlich mit Anzug, Krawatte, festen Schuhen und schwarzen Socken in Begleitung eine jungen Dame erscheint, die in stoffarmer Kleidung und in ebenso materialarmen Sandalen erscheint und letztere bei der nächstbesten Gelegenheit auch noch abstreift.

Die Ehefrau des "alten Sieches" hätte für die Aufmachung der jungen Dame wohl weniger Verständnis.

Wenn man die Leute kennt, die man besucht, und man einerseits weiß, wie "spießig" sie sind, andererseits aber nicht etwa eine Erbschaft, Gehaltserhöhung, Beförderung usw. aufs Spiel setzen wollen, dann befindet man sich leider in der mißlichen Situation, sich anpassen zu müssen. Aber unanständig ist etwas erst, wenn anderen dadurch ein Schaden entsteht, etwa durch dreckige Füße/Schuhe, Schuhe mit spitzen Absätzen, Schornsteinfegeruniform, Hüte mit Hutnadeln, aber auch durch ein gewisses Verhalten wie auf den Boden spucken oder Zigarettenkippen auf den Boden werfen oder Kaugummi unter Tische kleben.

Manchmal habe ich den Eindruck, daß einige (wenige) Barfüßer hier im Forum intoleranter gegenüber anderen Barfüßern sind als viele Schuhträger gegenüber Barfüßern. Handelt es sich um Egoismus, um die "Haltet-den-Dieb-Methode"?

Man traut sich selber nicht, bei jemandem ungefragt barfuß aufzutauchen, folglich ist ein solches Verhalten "unverschämt".

Man traut sich selber nicht barfuß in die Kirche zu gehen, also "tut man das auch nicht".

Man selber läuft "nur" barfuß bei Temperaturen ab +5°C, also ist einer, dem es unter +6°C für barfuß zu kalt ist ein "Weichei", und wer es wagt, erst unterhalb von +4°C auf Schuhe zu greifen "ein Lebensmüder", der sofort in einer geschlossene Anstalt für immer verwahrt werden muß, weil durch sein Verhalten die Gefahr heraufgeschworen wird, daß auch normalen Barfüßern der Lebensraum eingeschränkt wird.

Man traut sich selber nur in solcher Kleidung barfuß auf die Straße, die ordentlicher ist als diejenige, die sie mit Schuhen tragen würden, folglich sind diejenigen, die keine "spezielle Barfußkleidung" haben, sondern genau das tragen, was sie auch mit Schuhen tragen würden, schuld daran, daß bei Schuhträgern die Assoziation barfuß = Penner aufkommen könnte.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen