ein kleiner Reisebericht aus der Karibik (Hobby? Barfuß! 2)
Lieber Harald!
Schön nun von Deiner Karibikreise zu hören. Ein Regenwald ohne Gifttiere, das ist doch Naturbarfüßers Wunschtraum, oder? Hatte ich bisher nur ganz selten. Mich würde natürlich noch sehr interessieren, wie der Aufenthalt weiterging und was Du bei den Indianern gemacht hast. Aber die Art, wie dieser Beitrag hier schließt, deutet ja schon auf eine Fortsetzung hin...
Viele Grüße
Pedro
An kalten Wintertagen erinnere ich mich gerne an meine Reise in die Karibik im letzten Oktober. Ich hatte durch einen Freund, der in einem kleinen Vereins zur Entwicklungszusammenarbeit aktiv ist, Gelegenheit zu einem Besuch im Autonomiegebiet der Kalinago, des letzten "indianischen" Volkes der Karibik, auf der Insel Dominica. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich war nicht ganz ohne Schuhe unterwegs, in erster Linie aus Rücksicht auf ein paar offiziellere Termine meines Freundes, bei denen ich auch dabei sein wollte, andererseits habe ich auch oft die bequemere Variante mit Schuhen (auf heißem Asphalt, auf steinigen Wegen, ...) gewählt. Allerdings: Ich hatte keine festen Schuhe mit. Zum Wandern hatte ich meine langjährig geliebten Trekkingsandalen eingepackt, die dann tatsächlich einen heftigen Tropenregen nicht überlebt haben, für die Stadt ein Paar Flipflops.
Das mit den kaputten Trekkingsandalen finde ich übrigens witzig. Es ist nicht das erste Mal, dass auf einer Reise plötzlich meine Schuhe kaputt werden oder verloren gehen. Auf meiner ersten Reise nach Neuseeland hab ich das herausgefordert und nur meine ältesten Turnschuhe mitgenommen. Diesmal und auch letzten Sommer, als ich nicht ganz freiwillig, aber durchaus genussvoll durch die Berge im Südosten Polens gewandert bin, war das eigentlich nicht so geplant. Ist das eine Fügung des Schicksals, die nur uns Barfußmenschen passiert?
Hier jedenfalls ein kurzer Bericht über barfüßige Aspekte meiner Reise. Zunächst ein wenig Allgemeines. Dominica ist eine der vielen kleinen Inseln im Süden der Karibik. Die Insel liegt zwischen den beiden französischen Überseedepartements Martinique und Guadeloupe, war bis 1978 britische Kolonie und sollte nicht mit der spanischsprachigen Dominikanischen Republik verwechselt werden... Man spricht hier Englisch oder "Patois", ein Gemisch aus Französisch mit verschiedenen afrikanischen Sprachen. Die Bevölkerung besteht großteils aus Afrikanern, deren Vorfahren teilweise aus der Sklaverei auf benachbarten Inseln geflohen sind. In einem entlegenen Inselteil leben etwa 5000 Nachkommen der Indianer, die sich selbst Kalinago nennen und von den spanischen Entdeckern Kariben genannt wurden. Die Insel ist äußerst gebirgig und besitzt viel tropischen Regenwald. Große wirtschaftliche Bedeutung hat der Bananenanbau in nicht allzu steilen Küstenregionen.
Die Anreise:
Über Paris fliege ich mit der Air France nach Guadeloupe. Niemand stört es, als ich beim Einsteigen meine Trekkingsandalen in der Hand trage. Im Gegenteil, ein paar Leute lächeln mir freundlich zu, vor allem die irgendwie "alternativ" aussehenden Reisenden. Am nächsten Tag ziehe ich Shorts und Flipflops an. Der ungeschriebene Dresscode ist in der Karibik lockerer als in Südeuropa oder Westafrika. Hier muss es schon sehr offiziell zugehen, dass ich mich in einer kurzen Hose nicht mehr wohl fühle. Und Flipflops finde ich mittlerweile sehr praktisch. Sie sind so schnell ausgezogen und lassen sich gut in einem kleinen Rucksack verstauen...
Am nächsten Tag fliege ich mit einem ganz kleinen Flugzeug nach Dominica weiter. Das Wort "Dschungelflieger" will nicht aus meinem Kopf, als wir durch ein paar Regenwolken von einer Insel zur nächsten fliegen. Wie der Rücken eines Seeungeheuers ragt die dicht mit Regenwald bewachsene Insel Dominica aus dem Meer. In der Hauptstadt treffe ich bald meinen Freund, der mit einer anderen Flugverbindung aus Deutschland kommt.
Barfuß durch die Hauptstadt?
Roseau, die Hauptstadt Dominicas, wirkt fast wie ein Dorf. Ruhig und gemütlich ist es in dieser Stadt aus Holzhäusern. Wenn man will, kann man barfuß herumschlendern. Es gibt keine Kommentare dazu. Das Leben ist hier einfach viel bunter und vielfältiger als in Europa, da fällt man durch nackte Füsse nicht so leicht auf und durch die Hautfarbe tut man das so wie so... Aber viele Barfüßige begegne ich hier nicht, am ehesten Kindler und Bettler. Es ist ein bisschen wie in Afrika, Gehsteige bestehen oft aus zerbrochenem Beton, es gibt scharfe Kanten zu den offenen Wassergräben oder zur Fahrbahn. Meistens gehe ich mit meinen Flipflops und fühle mich so sicherer. Aber sie sind wie gesagt schnell ausgezogen, z.B. bei einem der zahlreichen Regenschauer.
Barfuß in den Regenwald?
Regenwaldtrekking gehört zweifellos zu den Attraktionen Dominicas. Man nennt sich mit Recht "Nature Island of the Caribbean". Beliebte Ziele sind die Bergseen, darunter einer mit kochendem Wasser. Natürlich darf einen der Regen nicht stören. In den Bergen regnet es praktisch jeden Tag, mitunter unglaublich heftig. Wandern ist hier viel anstrengender als zuhause. Schmale Pfade führen durch dichte Vegetation, man steigt über rutschige Steine, versinkt im Schlamm, muss vielleicht auch einmal über einen Baumstamm klettern oder unten durch. Wie kann man das besser tun als mit nackten Füssen? Ich packe hier jedenfalls immer am Beginn eines Regenwaldpfades die Sandalen, die ich vielleicht noch auf der Asphaltstraße getragen habe, in den Rucksack. Man kann das unbeschwert tun: Es gibt auf dieser Insel keine Giftschlangen oder sonstigen gefährlichen Tiere, auf die man treten könnte.
Barfüßige Indianer?
Das Autonomiegebiet der Kalinago befindet sich auf der Ostseite der Insel und ist von der Hauptstadt über kurvenreiche Bergstraßen zu erreichen. Im "Carib Territory" sieht es zunächst aus wie in einem Garten: Unter Kokospalmen blühen bunte Blumen, verstreut stehen kleine Holzhäuser in der Landschaft, immer wieder gibt es Bananenkulturen, da und dort Zitronen- oder Grapefruitbäume. Traditionen sind wichtig für die Leute hier, die trotzdem ein mitunter verblüffend modernes Leben führen. Die meisten sind Bauern, denen der sinkende Bananenpreis Sorgen macht. Die Abende sind lang in den Tropen, man sitzt vor dem Fernseher und schaut eines von etwa 50 Programmen, die meisten davon aus den USA. Im Büro des "Chief" steht selbstverständlich ein Computer. Es ist also nicht die Welt eines ständig barfuß gehenden "Naturvolkes", vielleicht war es das noch vor ein paar Jahrzehnten. Aber es gibt sie doch, die Leute, für die nackte Füsse anscheinend doch die bessere Alternative sind, obwohl Flipflops aus Asien auch hier spottbillig sind. Oft wird im Gemüsegarten ohne Schuhe gearbeitet. Jenett, unsere Zimmervermieterin, hab ich nie mit Schuhen an den Füssen gesehen, auch nicht beim Einkaufen im "Dorfladen". War es wieder so ein eigenartiger Zufall, dass ausgerechnet ich sie getroffen habe? Nach dem Ende meiner Trekkingsandalen habe ich ja nur mehr meine Flipflops bei mir, und auch die liegen bald immer öfter unbenutzt herum...