Auf´s Glatteis geführt (nach Kälberwerder) (Hobby? Barfuß! 2)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 30.01.2006, 22:19 (vor 6808 Tagen)

Hallo

Einem Bekannten von mir gelang es doch tatsächlich mich zu überreden trotz aller Warnungen die zugefrorene Havel zu betreten. Nach wochenlangem Dauerfrost musste das Eis eigentlich tragfähig sein. Da ich noch lebe, war es das auch.
Er wollte unbedingt mal quer über die Havel von Berlin-Wannsee nach Berlin-Kladow wandern, was ihm in seinem 55jährigen Leben bisher noch nie gelang. Ich selbst hatte zwar vor über 20 Jahren mal Gelegenheit über den Wannsee zu laufen, doch das ist lange her. Auf Grund der Schifffahrt, für die so lange wie möglich eine Fahrrinne frei gehalten wird, ist so etwas nur sehr selten möglich.
Mein Bekannter erwartete allerdings keineswegs, dass ich da vielleicht barfuß mitmachen würde. Als ich ihn dann Schuhe tragend im Auto am U-Bahnhof abholte und er mich scherzhaft fragte: "Na? Heute nicht barfuß?", meinte ich dann: "Nein, noch nicht." Er ahnte nun, was ich vorhatte. :-)
Da man ja mit warmen Füßen starten soll, zog ich mir erst auf dem Parkplatz an der Pfaueninsel, genauer gesagt an der Fähre dorthin, die Schuhe aus, und wanderte los. Er konnte es kaum fassen, dass ich das wirklich in die Tat umsetzte. Wir hatten knapp unter 0°C.
Das Eis auf der Havel sah dann wenig vertrauen erweckend aus. An der Fähre zur Pfaueninsel war nämlich gar keins vorhanden, statt dessen pendelte die Fähre hin und her. Wahrscheinlich tat sie das nur, um ihre Fahrrinne frei zu halten, denn ein Stück weiter konnte man problemlos und kostenlos über das Eis auf die Insel gelangen. Das offene Wasser beunruhigte mich zwar zunächst, aber ein Stück weiter konnte man deutlich erkennen, dass das Eis dick genug ist um tragfähig zu sein. Außerdem waren auch eine ganze Menge anderer Leute auf dem Eis unterwegs.
Barfuß war es ausgesprochen rutschig. Ich konnte nicht so schnell vorankommen, wie ich wollte, da ich sehr vorsichtig ging. Stellenweise waren raue Bereiche mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, auf der es sich wesentlich besser gehen ließ.
Ein paar Schlittschuhläufer sprachen uns an, ob man um die Pfaueninsel herum käme. Wir verneinten das wegen der Fähre, dann sahen sie meine Füße. Einer fragte: "Ist denn das gesund?" Ich bejahte das und war froh, dass er nicht fragte, ob es nicht kalt sei. Da hätte ich sonst lügen müssen. Ich erklärte ihm noch, dass es mit etwas Übung kein Problem sei und ich schon mal zwei Stunden bei Schnee durchgehalten habe. Er fand das beachtlich.
Wir gingen dann noch ein kurzes Stück über die Pfaueninsel, ohne allerdings die Pfauen zu sehen, die dort im Sommer frei herumlaufen. Der Schnee auf der Insel ließ dann meine Füße merklich abkühlen, da nun auch von oben Kälte herankam.
Wir gingen dann weiter zur Insel Kälberwerder, auf der ich noch nie war. Das geht auch normalerweise gar nicht, da es keine öffentlich Fähre dorthin gibt. Am Ufer war das Eis offensichtlich irgendwann um vielleicht 10 - 20 cm abgesagt, so dass sich eine eisglatte Schräge ergab, die kaum überwindbar erschien. An einem kleinen Bootssteg kamen wir dann aber problemlos an Land.
Wieder sprachen mich Leute an, die wissen wollten, ob ich wenigstens Schuhe dabei hätte. Hatte ich, aber ich brauchte sie nicht. Auf der Insel, die nur von befugten betreten werden darf, fanden wir einen Kinderspielplatz, eine Laube mit Schuppen und zwei "Olympiaeichen" mit entsprechenden Hinweistafeln, die an irgendwelche Ruderer erinnerten. Ein genialer Ort für Denkmäler, eine normalerweise unerreichbare Insel. :-)
Um weiter in Richtung Kladow zu kommen, betrat mein Begleiter das Eis am nördlichen Ufer, rutschte aus und schlitterte auf dem Rücken liegend mehrere Meter über das Eis. Hier sah es auch überhaupt nicht Vertrauen erweckend aus. Große Risse zogen sich entlang des Ufers aus denen Wasser hervorquoll! Ich weigerte mich hier das Eis zu betreten. Das schien mir zu gefährlich. Kladow lag zwar nah, doch in diesem Bereich der Havel wanderte niemand mehr. Außerdem befindet sich dort die Fahrrinne. Ob die wohl ausreichend zugefroren wäre? Ein Risiko wollten wir jedenfalls nicht eingehen.
Er kam schließlich wieder zurück auf die Insel und wir traten den Rückweg an.
Am östlichen Ende von Kälberwerder sah es so aus, als wäre da offenes Wasser! Tatsächlich stellte mein Bekannter, der sich dort deutlich mutiger als ich vorwagte fest, dass sich unter einer dünnen Wasserschicht festes Eis befand.
Auf dem Rückweg begegneten wir noch einmal den Schlittschuhläufern, mit denen wir schon am Anfang sprachen und die mir nun erneut ihre Bewunderung ausdrückten.
An der Pfaueninsel vorbei erreichten wir wieder das Ufer von Wannsee und gingen über die teils vereisten, teils gestreuten Wege zurück zum Parkplatz. Das Eis der Havel lief sich noch am angenehmsten, da es frei von irgendwelchen Unebenheiten ist. Die vereisten Wege fühlen sich dagegen fast wie Schotter an.
Auch war das Eis vom Kälteempfinden her wesentlich angenehmer als der Schnee an Land, da meine Füße oben trocken blieben. Als ich daher auf Kälberwerder den Wunsch äußerte wieder auf das Eis zu kommen, um meine Füße wieder aufzuwärmen, hatte mein Begleiter Gelegenheit sich darüber zu amüsieren. :-)
Wir waren etwa 4 km auf dem Eis unterwegs und brauchten dafür mit vorsichtigen Schritten ca. 1½ Stunden.
Im Auto blieb ich barfuß. Die Füße wurden recht schnell wieder einigermaßen warm. Ein kribbeln oder brennen gab es nicht. Zu Hause wurden meine Füße auch nicht übermäßig warm, im Gegenteil, beim fernsehen wurden sie eher, wie immer, recht kühl. Den ganzen Abend warme Füße zu haben, das gibt es bei mir leider genauso wenig wie einen Wärmeschub. :-(

Viele Grüße

Ulrich

Auf´s Glatteis geführt (nach Kälberwerder)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 31.01.2006, 08:25 (vor 6807 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

Hallo Ulrich,

schönen Dank für Deinen gelungenen Bericht. Ich kann richtig neidisch werden. In der Schweiz gibt es zwar auch einige große Seen und Flüsse, aber die frieren so gut wie nie zu. Und wenn schon, dann ist es gleich so kalt, daß barfuß laufen keinen Spaß mehr bringt.

Gleichzeitig ärgere ich mich, daß ich nicht schon früher barfuß lief. Während meiner Studienzeit in Oldenburg wohnte ich etwa 200 Meter von einer kleinen Kieskuhle entfernt, die ich im Sommer zum Baden nutzte. Es kam eigentlich nur selten vor, daß diese Kuhle gefror, aber es kam vor. Dann waren Schlittschuhläufer darauf zu finden, und ich befuhr die Eisfläche mit die Fahrrad, wenn ich zur Uni wollte bzw. davon kam (was eine Abkürzung von etwa 40 Metern bedeutete). Wenn dann nach einer längeren Kälteperiode die Lufttemperatur auf ca. 0°C angestiegen wäre, hätte ich barfuß das Eis betreten können, die Schuhe hätte ich gleich zu Hause lassen können. Vertane Chance, heul!

Manchmal radelte ich auch zum Bornhorster See am anderen Ende Oldenburgs, um auch dort die Eisfläche zu beradeln. Dieser See wäre zu weit weg gewesen, um bei ca. 0°C ohne Schuhe dorthin zu radeln, ich hätte also barfuß dorthin wandern müssen oder "Herrn Pekols" Omnibusflotte in Anspruch nehmen müssen. Vertane Chance, heul!

Während meiner Oldenburg-Zeit reiste ich noch öfters übers Wochenende zu meinen Eltern. In Hamburg rollte der Zug über die Lombardsbrücke, meistens war die Alster eisfrei. Wenn sich aber Schlittschuhläufer auf der Alster tummelten (was selten vor kam, aber es kam mal vor), dann wußte ich, daß ich, soweit das Wetter es zuließ, an diesem Wochenende mit dem Fahrrad von Rellingen nach Hamburg fahren würde, um die Alster zu beradeln. Ausgangspunkt war der Jungfernstieg. Manchmal (aber nicht immer) war es sogar möglich, unter der Lombardsbrücke durchzukommen. Wenn nicht, dann unterquerte ich sie zu Land, um dann weiter auf dem Eis der Außenalster zu radeln. Auf die Idee, die Alster barfuß zu betreten, wäre ich nie gekommen. Schon als fett beschuhter und behandschuhter, jedoch unbemützter Radfahrer war ich ein Exot unter den Eisbesuchern, als Barfußläufer (oder gar als barfüßiger Radfahrer) hätte ich wohl Ärger mit der Obrigkeit bekommen. Aber sicher wäre es bei ca. 0°C möglich, unter Zuhilfenahme des HVV bis zum Jungfernstieg, Hauptbahnhof, Dammtor oder sonst einer S- oder U-Bahnhaltestelle zu reisen, ohne überhaupt Schuhe dabei zu haben. Theoretisch zumindest, in der Praxis würde ich wohl frühestens dann die Schuhe ausziehen, wenn ich vom Elternhaus aus nicht mehr zu sehen bin. (Von meinen zweirädrigen Eisexkursionen auf der Alster wissen meine Eltern übrigens bis heute nichts). Vertane Chance, heul!

Die Aare kenne ich nur ohne Eis, wohl aber habe ich ein altes Foto gesehen, wie sich Eisschollen vor dem damals neuen (und heute abgerissenen und durch einen Neubau ersetzten) Wasserkraftwerk Ruppoldingen auftürmten und sogar das Wehr bedrohten. Damals war es aber arschkalt. Obwohl zu der damaligen Zeit für viele Leute Schuhe noch Luxus bedeuteten, waren auf dem Foto keine barfüßigen Kinder zu erkennen, alle waren dick vermummt, etwa so wie Kinder heute an einem Tag im März bei +10°C vermummt sind. Auch ohne die lausige Kälte wäre es sicher gefährlich gewesen, sich barfuß über aufgetürmte Eisschollen über einem Fließgewässer zu bewegen.

Seitdem ich in der Schweiz lebe, war weder der Vierwaldstätter See, noch der Bieler See, noch der Zürichsee zugefroren. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob während der letzten 17 Jahre der Hallwiler See eine tragfähige Eisfläche hatte. Einmal hörte ich im Radio, daß der Pfäffiker See zum Betreten freigegeben war und sogar ein Kleinflugzeug auf der Eisfläche landete (der Pilot wurde allerdings gebüßt, weil der See nicht als Landeplatz freigegeben war). In der Hoffnung, daß der Hallwiler See eine ähnliche Eisdecke hätte, radelte ich dorthin. Es war übrigens nach langer Kälteperiode plötzlich auf +10°C angestiegen, also einer Temperatur, bei der ich heute ohne Skrupel barfuß radeln würde. Damals aber beschränkte ich mich auf nicht übermäßig winterliche Behosung. Ich wurde enttäuscht: Keine Spur Eis auf dem Hallwiler See. Aber meine Enttäuschung legte sich schnell. Es war auch angenehm, mein Rad am Seeufer abzustellen und bei mildem Wetter zu Fuß den See zu umrunden. Da barfuß für mich damals noch ein Fremdwort war, vermißte ich auch nichts zu meinem Glück. Nichts heul!

Du schriebst:
"Barfuß war es ausgesprochen rutschig. Ich konnte nicht so schnell vorankommen, wie ich wollte, da ich sehr vorsichtig ging. Stellenweise waren raue Bereiche mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, auf der es sich wesentlich besser gehen ließ."

Das habe ich auch festgestellt, als ich am letzten Wochenende barfuß über vereiste Schotterwege ging. Feldwege in einem nicht ganz topfebenen Land weisen im Gegensatz zu überfrorenen Gewässern häufiger "eisglatte Schrägen" auf. Dafür ist die Gefahr geringer, daß einem wilde Eisläufer mit ihren Kufen die Zehen abfahren. Von derartigen Unfällen habe ich allerdings noch nie etwas gehört, wohl aber, daß Eisläufer auf der Eisbahn gestürzten Personen über die Finger fuhren.

Viele Grüße
Michael aus Zofingen

Auf´s Glatteis geführt (nach Kälberwerder)

Lothar, Stammposter, Sunday, 05.02.2006, 22:12 (vor 6802 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

Hallo Ulrich,

allen Respekt, tolle Leistung 11/2 Stunden auf Eis.
Habe es auch gerade mal ein paar Minuten probiert aber nicht lange durchgehalten. Außerdem ist da mein Gewicht problematisch. Obwohl sich auf dem See tagsüber da ganz viele Kinder mit Schlittschuhen getummelt haben, hat das Eis schon wenige Meter vom Ufer gefernt unter mir einen heftigen Knackslaut von sich gegeben, so dass ich mich dann nur noch in Ufernähe bewegt habe. Allerdings war es durch die ganzen Schlittschuhspuren nicht glatt wie in deiner Schilderung so dass es sich eigentlich ganz gut laufen lies.

Lothar

Auf´s Glatteis geführt (nach Kälberwerder)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 06.02.2006, 16:15 (vor 6801 Tagen) @ Lothar

Hallo Lothar

allen Respekt, tolle Leistung 11/2 Stunden auf Eis.

Dankeschön.
Die 1½ Stunden wären sicher auch noch zu überbieten gewesen, aber der Weg war zurückgelegt und ich war einigermaßen zufrieden.

Habe es auch gerade mal ein paar Minuten probiert aber nicht lange durchgehalten. Außerdem ist da mein Gewicht problematisch. Obwohl sich auf dem See tagsüber da ganz viele Kinder mit Schlittschuhen getummelt haben, hat das Eis schon wenige Meter vom Ufer gefernt unter mir einen heftigen Knackslaut von sich gegeben, so dass ich mich dann nur noch in Ufernähe bewegt habe.

Ich glaube nicht, dass da wirklich dein Gewicht so eine große Rolle spielt. Wenn das Eis fest genug ist, dann hält es auch Dich aus. Immerhin bringe ich auch etwa 80 kg auf die Waage.

Allerdings war es durch die ganzen Schlittschuhspuren nicht glatt wie in deiner Schilderung so dass es sich eigentlich ganz gut laufen lies.

Schlittschuhspuren gab es auf der Havel auch, aber dennoch war es glatt.

Viele Grüße

Ulrich

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