Der Mann läuft doch nur barfuß (Hobby? Barfuß! 2)
2. Januar 2006, Berchtoldstag (hier ein arbeitsfreier Tag): Die Nacht zuvor war es trocken. Aber auch am Vormittag setzte immer wieder leichter Regen ein. Schnee lag noch auf den Rasenflächen, die Straßen waren naß. Die Temperatur betrug +3°C und die Sonne brach durch, als ich mich gegen 13.45 Uhr auf den Weg machte. Meine Füße schmerzten, als ich mich barfuß auf den Weg machte. Ich spürte jedes Steinchen, lag wohl an der Belastung vom Vortag.
Als erstes begegnete mir der frühere Chef vom Sicherheitsdienst in unserer Firma. Vermutlich wäre ihm der Hut hochgegangen, wenn er mich in dieser Aufmachung auf dem Firmenareal erwischt hätte. jetzt aber fragte er nur: "Michael, ist das nicht zu kalt?" Ich schritt wieder den Weg zum Heiternplatz hoch, die große Rasenfläche, war immer noch herrlich matschig. Also stapfte ich dort durch. Viele Leute waren dort, aber sie schienen mir zugeknöpfter als am Tag zuvor (war vermutlich etwas kälter, windiger und die Sonne verschwand auch öfter hinter einer Wolke. (Daß unter den Leuten auch eine Arbeitskollegin war, habe ich erst heute erfahren. Sie erzählte mir, daß sie es kaum glauben konnte, daß ich barfuß unterwegs sein kann. Sie war dick vermummt aus Angst vor Rheuma).
Der Weg hinunter bestand aus rauhem Asphalt, überall erstaunte Blicke. Ich kam zur Vogelvoliere, wo ein kleines Mädchen mich anstarrte. Meine nackten Füße schienen interessanter zu sein als die Eulen hinter Gitter. Es sagte immer nur: "Barfuß!", worauf die Mutter immer wieder sagte: "Ja." Ein Junge sagte: Dann erblickte es mich und sagte: "Der ist blutt!" Aus einem Fenster rief eine Frau: "Wissen Sie, daß Sie barfuß sind?" Ich bejahte mit den Worten, daß es gesund sei. "Dann ist es ja gut", sagte sie beruhigt.
Über Nebenstraßen begab ich mich in Richtung Bahnunterführung. Plötzlich kam eine "Bullenschleuder" auf mich zugeschossen. Der Polizist (es war nur einer im Wagen) sprang aus dem Fahrzeug, wußte sogar meinen Namen. Grimmig fragte er mich: "Waren Sie auf dem Heiternplatz?" Ich bejahte. "Ist das verboten?" "Nein, aber andauernd kommen Meldungen von Leuten, die glauben, daß da einer herumlaufe, der nicht ganz dicht sei!" wobei er den typischen "Autofahrergruß" machte. Darauf entgegnete ich: "Die Menschheit ist heute sehr verweichlicht. Kaum bewegt man sich auf natürlichste Art von einem Ort zum andern, schon haben die Leute nichts besseres zu tun als die Polizei zu rufen. Eine Sache, die sehr bedenklich ist, aber typisch für die heutige Zeit!"
Grimmig bestieg der Beamte wieder den Wagen und rauchte von dannen. Leider hatte ich keine Zeugen für dieses menschenverachtende Verhalten des Zofinger Stadtpolizisten. Vermutlich hat er sich derart über die Meldung geärgert, weil er ausrücken mußte anstatt in der warmen Wachstube die Zeit mit Jassen (Kartenspiel) zu verbringen. Und dann hat er wieder einmal "nur" mich gefunden. Was mich wunderte war, weshalb er mich ausgerechnet an dieser Stelle angetroffen hatte. Der direkte Weg von der Polizeistation zum Heiternplatz führt niemals durch diese Straßen. Oder ob er schon oben war und ich war schon weg? Und anschließend ist er durch alle möglichen Straßen geirrt? Ich war zumindest froh, daß er mir keine Geldbuße aufgebrummt hat. Ein elektrisches Thermometer auf einem Fabrikgebäude zeigte +3°C. Also überhaupt kein Grund, einen Barfüßer wie einen Schwerverbrecher zu jagen. Gleichzeitig fiel mir ein, daß in Deutschland vor etwas über 60 Jahren Menschen von "Ordnungshüter" noch härter angefaßt wurden für Dinge, die noch weniger verbrecherisch waren als das Barfußlaufen.
Ich wanderte in Richtung Strengelbach, folgte dann aber einem asphaltiertem Feldweg parallel zu Autobahn in Richtung Brittnau. Als der Asphalt rauh wurde, benutzte ich den Matschstreifen daneben. Zwei Mädchen und ihre Mutter, die ohne Ausnahme deutlich winterlicher vermummt waren als ich, staunten nicht schlecht. In einer Brittnauer Siedlung fragten zwei junge Männer, ob es nicht zu kalt sei. Auch sie schienen zu glauben, als ich sagte, daß Barfußlaufen GERADE bei diesen Temperaturen gesund sei. Später kam mir eine alte Frau entgegen. Sie sagte: "Ich friere, wenn ich Sie nur sehe!" Auch sie schien mir zu glauben, daß ich keine Erkältung mehr gehabt hätte, seitdem ich mich nicht mehr übermäßig winterlich anziehe. Und mein Rückenleiden wäre verschwunden, seitdem ich zusätzlich häufiger auf Schuhe verzichte.
Dann folgte wieder der Trampelpfad, der dank Augusthochwasser sandiger geworden war. Diesmal waren meine Zehen nicht klamm geworden. Ich hielt mich auch noch etwa 5 Minuten auf einer Sandfläche am Flußufer auf. Vor 3 Jahren hätte ich es kaum für möglich gehalten, an einem Januarabend barfuß sich am Ufer der W i g g e r aufzuhalten. Wenn ich jemand anderen dabei "erwischt" hätte, hätte ich meinen Augen nicht getraut (aber im Gegensatz zu den Spießern wäre es mir nicht im Traum eingefallen, deswegen die Polizisten vom Jassen zu "vertreiben").
Es folgte noch ein asphaltierter Feldweg nach Hause. Dort waren, als es bereits dunkel war, ein Ehepaar und zwei Kinder unterwegs, die Tochter mit einem Tretroller, der jüngere Sohn auf einem Plastiktrecker (die Eltern ohne Fahrzeug). Die Tochter war am schnellsten und rollerte deswegen immer hin und her. Da ich das matschige Feld links des Weges benutzte, war ich schneller unterwegs als die Gruppe. Die Tochter kam mir entgegen, hielt aber an, als sie meine Barfüßigkeit bemerkte. Lange bleib sie stehen. Der Sohn fuhr auf dem Weg ganz links, so daß ich beim Überholen haarscharf an ihm vorbeischritt. Offensichtlich war er völlig aus dem Häuschen, als etwa in (seiner) Kopfhöhe plötzlich unmittelbar neben ihm zwei nackte Füße auftauchten. Da ich hinten keine Augen habe, bekam ich nicht mit, was hinter mir geschah. Ich hörte nur die Mutter lachen und sagen: "Hast du Angst? Der Mann läuft doch nur barfuß!"
Ein (trotz "Bullenärger") schöner barfüßiger Januarspaziergang ging zu Ende.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen