Barfuß im Basler Weihnachtsgedränge (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 27.12.2005, 11:16 (vor 6912 Tagen)

Heiligabend 2005: Um es spannender zu machen, werde ich die Bescherung erst zuletzt beschreiben. Als Folge der Bescherung waren meine Füße enorm kalt geworden, also war ich froh, als ich wieder die "rettenden Planken" eines Combinotrams unter den nackten zu spüren bekam. Ich saß hinten und kam mir vor wie im Bauch eines riesigen Schlange. Diese Schlange spuckte mich am Barfüßerplatz wieder aus. Diese Haltestelle sollte im Laufe des Tages die am meisten von mir frequentierte sein, wo in erster Linie natürlich auf die zentrale Lage zurückzuführen ist. Die Tatsache, daß ich barfuß war, verhinderte allerdings auch nicht gerade, daß ich ausgerechnet hier ein-, aus- oder umstieg.

Jetzt aber wollte ich erst einmal eine längere Etappe auf Schusters nicht vorhandenen Rappen im Innenstadtbereich von Basel zurücklegen. Als ich dem Tram enthüpfte, fiel meine gegenüber den anderen Leuten geringfügig weniger winterliche Aufmachung schon auf, im Gedränge der Freienstraße allerdings nicht. Lediglich Kinder machten auch hier große Glotzaugen. Die Erwachsenen waren wohl derart in Hektik, um noch die letzten Weihnachtseinkäufe zu erledigen und hatten keine Zeit, sich für die Kleidung der Leute zu interessieren. Auf der Mittleren Brücke war kaum Gedränge, hier starrten mich die Leute an. Auf der Rheinpromenade dagegen war ich mutterseelenallein. Nur ab und zu begegnete ich einem Jogger oder einem Menschen mit Hund. Keine bösen Blicke, ab und zu ein freundlicher Gruß.

Beim Kraftwerk Birsfelden überquerte ich den Rhein. Eine Gruppe Radfahrer überholte mich. "Das kommt schon gut!" rief einer. Als sie schon weiter weg waren, hörte ich ihn zu einem anderen sagen: "Der will sicher zum Weihnachtsschwimmen!" Ich erreichte den Barfußpark Birsfelden und ließ es mir nicht nehmen, diesen Parcour zu benutzen, kostet ja nichts. Leute, die hier vorbeigingen, schienen sich nicht zu wundern. Ein Vater mit zwei Kindern ging über den Rasen. Ein Junge fragte, was die Anlage sei. Darauf der Vater: "Das ist ein Barfußparcour. Da darf man nur rauf, wenn man barfuß ist - so wie der Mann!" Dabei deutete er auf mich. Somit gingen die Kinder neben dem Parcour. Auf die Idee, sich den fetten Winterstiefel zu entledigen, kamen sie nicht.

Ich erreichte die Birskopfwiese, die anders als im Hochsommer menschenleer war. Das Thermometer zeigte 2°C an, was mich jedoch nicht daran hinderte, barfuß über das Gras zu gehen. Ich folgte dem Rheinufer zur "eisernen Badeanstalt". Dank Niedrigwasser war eine Sandfläche frei von Wasser. Zwei Kinder spielten dort, sie schienen erstaunt zu sein, daß ich dort barfuß lief und sogar ein paar Schritte ins Wasser machte. Wegen durchnäßter Hosensäume, die ich ebenso wie Markus U. überhaupt nicht mag, brauchte ich mir ja auch keine Gedanken zu machen, sie lagen nicht zu tief. Mir kam das Rheinwasser gar nicht mal kalt vor. Kälter war schon das Wasser des Kneippbeckens am Rheinufer, auch hier watete ich durch. Als ich die Treppe zur Wettsteinbrücke hinaufschritt, mußte ich auf Scherben aufpassen.

Dann aber war ich wieder im Gedränge der Großstadt. Ab und zu hörte ich ein "Oje" aus den Mündern älterer Damen. Angenehm war das Kopfsteinpflaster zu begehen. Ich ereichte das Münster, ich schritt durch den Kreuzgang neben dem eigentlichen Gotteshaus über die angenehm begehbaren Platten. Ein Mann fragte, ob das gesund sei, was ich bejahte. Ein Blick von der Münsterterrasse zum Rhein, dann hinunter zur Fähre. Der "Ferima" trug übrigens geschlossene Schuhe. Ich konnte nicht erkennen, ob es sich um denselben Fährmann gehandelt hat, der schon zu "unmöglichen" Jahreszeiten seinen Dienst barfuß oder sockenlos in Sandalen versah oder um einen anderen Fährmann.

Ich schritt wieder hinunter zur Freienstraße, dann durch das Gedränge in Richtung Marktplatz. Einige, einige Leute bleiben stehen. ich weiß nicht, wer bei den Kindern am meisten Aufsehen erregte, ein Musiker, ein fett beschuhter Weihnachtsmann oder ein Mann auf freiem Fuß. Ganz bis zum Markt ging ich nicht, sondern ich bog kurz vor dem Ende der Freienstraße nach in eine Seitengasse ab. Sogar in Basel ist es für einen freien Schweizer Bürger NICHT verboten, nach links abzubiegen, auch dann nicht, wenn wie in diesem Fall Stadtpolizisten im Abschnitt vor mir patrouillierten.

Ich wanderte nach durch verschiedenen Gassen der Altstadt, es gab einige lästernde Bemerkungen aus Kneipen. Bis zum Spalentor wanderte ich, dann zur Mittleren Brücke, zum Münster, zur Barfüßerkirche (heute Museum), zum Elisabethenkirche. Erst hier bestieg ich wieder einmal eine grüne Straßenbahn, die mich zum Kronenplatz in Binningen brachte. Ich verließ das Tram etwa zu dem Zeitpunkt, als Andi ein Weihnachtsmail an mich verschickte, was ich natürlich nicht mitbekam (Andi, vielen Dank!).

Es gab einige erstaunte Blicke, als ich barfuß den Weg hinunter, vorbei am Schloß zum Binninger "Hauptbahnhof" schritt. Dann ging es "gelb" weiter. Vom Tram sah ich, wie ein Mann in kurzen Hosen den Zoo verließ. Ich konnte wegen der einbrechenden Dunkelheit nicht erkennen, ob es sich um "den mit Hut" handelte. Jedenfalls trug er einen Hut oder eine Mütze.

Ab der Heuwaage ging es "grün" weiter. Ich wollte Basels "Hochgebirgsbahn" mit der am Bruderholz wechselnden Liniennummer mal auf voller Länge genießen. Ein ausländischer Mann bestieg mit seiner Tochter das Tram, die kleine machte große Glotzaugen und sagte: "No shoes!" Am Jakobsberg stieg eine Mutter mit ihrem kleinen lebhaften Sohn die Bahn. Zuerst schien er mich nicht zu bemerken, wohl aber die Mutter. Nach einer zeit sagte er plötzlich: "Der Mann läuft ja barfuß!" Darauf die Mutter: "Ich wundere mich, daß du es nicht eher bemerkt hast!" Der Junge sah mich fragend an, worauf ich ihn fragte: "Läufst du denn nicht gerne barfuß? Das bringt doch Spaß!" Damit hatte er wohl nicht gerechnet, aber die Mutter auch nicht. Als bei einer Haltestelle eine alte Dame mit einem herzigen Pudel das Tram betrat, gab es für den Jungen etwas interessanteres als nackte Füße.

Nach abermaligem Umsteigen sollte mich die Tramlinie 3 zur Endstation Birsfelden Hard bringen. Mittlerweile war es stockfinster. Ich verließ das Tram, ich hatte eine abermalige Wanderung vor, diesmal durch die Dunkelheit. Aber das ist ein Kapitel für sich.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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