Barfuß in Bussen und Bahnen am Heiligabend (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 27.12.2005, 08:26 (vor 6847 Tagen)

Heiligabend 2005: Auch ich wollte einmal an diesem Tag eine größere Stadt aufsuchen. Zum längeren Fahrradfahren hatte ich aber keine Lust, also gönnte ich mir den Luxus einer Bahnreise nach Basel. Lediglich die Strecke zum Zofinger Bahnhof legte ich mit dem Velo zurück. Da ich mit keinen allzu tiefen Temperaturen rechnete, fiel es mir nicht schwer, die Schuhe gleich zu Hause zu lassen. Schuhe im Gepäck, das wäre.............. Nein, ich gebrauche dieses "umstrittene" Wort nicht!

Kein Mensch begegnete mir auf dem Velo, auch auf dem Bahnsteig gab es nur wenig Leute, von denen einige etwas erstaunt auf mich blickten. Es war gerade 0°C. Pünktlich um 7.19 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung, leise glitt er durch den Nebel, der auch jenseits des Juras nicht aufhörte. Aber was soll's. Ich hatte eine Fahrkarte, die auch zum Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel im Basler Raum berechtigte (Citycard). Und die fahren häufig, das Netz ist engmaschig, mir konnte nichts passieren. Meine Füße, die vom Radfahren kalt geworden waren, erholten sich wieder im Zug.

Als ich in Basel den Bahnhof SBB verließ, merkte ich sofort, daß hier die Temperatur niedriger war als in Zofingen. Also schritt ich zur Tramhaltestelle, das nächste Tram sollte meins sein. Es handelte sich um ein gelbes BLT-Tram der Linie 11 in Richtung St. Louis Grenze. Die meisten Fahrgäste, die noch verschlafen die Bahn bestiegen, starrten erstaunt auf meine Füße, mehr aber nicht. An der Endstation blieb ich sitzen, als ein Haufen Fahrgäste zustieg. Diese schienen mich gar nicht zu registrieren. Da sie französisch sprachen, nehme ich an, daß es sich um Grenzgänger handelt. Und Franzosen scheinen ja, obwohl sie seltener barfuß laufen, gegenüber Barfüßern toleranter zu sein als Schweizer.

Das Tram rollte zurück durch die Stadt, erreichte die Vororte, fuhr an mit Rauhreif überzogenen Wiesen vorbei. An der Endstation in Aesch stieg ich aus. Der Boden schien hier noch kälter zu sein als in Basel. Etwa 5 Minuten wartete ich auf einen Omnibus, was jedoch nur möglich war, indem ich immer langsam auf und ab ging. Ja nicht stehen bleiben! In den Läden sahen einige Leute erstaunt aus dem Fenster.

Der Bus kam, eine Haltestelle später stiegen ein Vater und sein kleiner Sohn ein. Erst geschah nichts, dann sah der Sohn in meine Richtung, auf meine Füße, der Mund ging auf. Sprachlosigkeit, dann leise: "Der ist ja barfuß!" Die Buslinie endete am Bahnhof Dornach-Arlesheim, wo ich noch schnell das Toilettenhäuschen, das keinen Grund zum Meckern bzl. barfüßiger Benutzung bot, aufsuchte. Gerade genug Zeit, denn schon rollte das gelbe Tram der Linie 10 ein. Zufällig waren auch der Vater und der Sohn in die selbe Bahn eingestiegen, jedoch durch unterschiedliche Türen. Der Knabe starrte mich wieder und sagte: "Der ist ja AUCH barfuß, wie der im Bus!" Darauf lächelte der Vater: "Das ist doch derselbe!"

Mit grimmiger Miene ging der Straßenbahnfahrer durch den Wagen, fragte, wo ich hinwollte. Als ich ihm sagte, daß ich im Raum Basel mit der Tageskarte herumfahren wollte, wollte er meine Fahrkarte sehen. Irgendwie blickte er skeptisch drein. "Und Schuhe?" "Habe ich nicht!" Wollte er mich etwa von der Beförderung ausschließen? Er tat es nicht, sondern ging mürrisch wieder zurück ins Führerhaus. Ich blickte um mich, sah Piktogramme, die darauf hindeuteten, daß Rauchen und Essen im Fahrzeug verboten war. Aber nirgendwo ein Piktogramm mit durchgestrichenen nackten Füßen. Und eine Gefahr ging von mir doch auch nicht aus, dann doch eher von einer Frau, die kurz vor der Abfahrt noch zum Tram hetzte und einen Weihnachtsbaum schleppte. Beinahe wäre noch die Baumspitze von der automatisch schließenden Tür eingeklemmt worden, wenn ich nicht aufgesprungen wäre und die Spitze aus dem Gefahrenbereich genommen hätte. Die Frau bedankte sich. Sie war froh, daß es ihr erspart blieb, das Weihnachtsfest unter einem Tannenbaum mit ner "abben" Spitze zu verbringen. Da spielt es doch keine Rolle, wenn der "rettende Engel" barfuß ist.

Dann setzte sich der Zug, der auf der längsten Tramlinie der Schweiz verkehrt, in Bewegung. Ich fuhr damit aber "nur" bis Bottmingen (immerhin aber wieder einmal durch Basel durch), wo ich ausstieg. Ich ging in Fahrtrichtung vorwärts, um an der vorgesehenen Stelle die Gleise zu überqueren. Die Bahn stand immer noch dort. Um den Betrieb nicht zu gefährden, schritt ich nicht unmittelbar vor der Bahn über die Gleise, sondern wartete, bis die Bahn abgefahren war. Dabei warf mir der Fahrer noch einen bösen Blick zu. Es war übrigens der einzige Bedienstete von Verkehrsbetrieben, der mir übel gesonnen war, alle anderen Fahrer und Schaffner in Bussen und Bahnen waren freundlich an diesem Tag.

Ich wanderte durch den Ortskern von Bottmingen hinauf in die "Berge" des Bruderholzes. Der Boden kam mir hier nicht zu kalt vor. Ein Spaziergänger fragte mich, ob ich mir Blasen eingelaufen hätte durch zu enge Schuhe. Ich verneinte und sagte, ich laufe aus gesundheitlichen Gründen barfuß. Da war er zufrieden und wünschte mir noch frohe Festtage.

Mit einem grünen Tram befuhr die engen Serpentinen des Jakobsbergs wieder hinunter nach Basel. Am Barfüßerplatz wechselte ich in ein Combinotram nach Riehen Grenze. Von dieser Endhaltestelle wanderte ich durch den Ortskern von Riehen, vorbei an Geschäften. Einige Leute starrten in meine Richtung, als ob sie noch nie einen barfüßigen Menschen gesehen hätten, aber mehr auch nicht. Speziell Kinder machten große Glotzaugen. Vor der Kirche in Riehen bestieg ich wieder ein Combinotram, das mich bis zur "anderen" Endhaltestelle in Allschwil bringen sollte. Es war gegen 13 Uhr, und ich hatte Hunger. Im Tram durfte ich ja die mitgebrachten Kekse nicht verzehren. In Allschwil wußte ich, daß es am Wanderweg parallel zum Dorfbach Sitzbänke gab. Ich überquerte eine Wiese, wo mich Kinder fragten, ob es nicht zu kalt war. Ich fand eine Bank, von wo ich einen Blick über die Wiese zum nahen Ortskern mit den malerischen Fachwerkhäuschen und der Kirche hatte. Und hier erlebte ich eine Bescherung, die genügend Stoff für einen gesonderten Beitrag bildet.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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