Blaue Bohnen am Halvortjörna, Ein Reisebericht, kein Western! (Hobby? Barfuß! 2)
Blaue Bohnen am Halvortjörna
Kein Western - ein Trekkingbericht!
Irgendwie war in diesem Jahr einfach der Wurm drin, mit der Trekkingtour in Skandinavien. Eigentlich hatte ich ja eine 150km Tour von Vuoggatjålme über Mavas, Pieskehaure nach Kvikkjokk geplant und dafür dann Trekkingpartner gesucht. Aber schon bald wurde klar, dass ich die Zeit dafür wohl nicht haben werde. Eigentlich war die Tour für dieses Jahr schon abgehakt, da ergab es sich doch noch, dass ich zumindest für ein paar Tage Mitte September in den Norden fahren könnte.
Ich plante eine Tour von Nikkaluokta über Vistasstugan, Nallo, Allesjaure, Unna Allakass nach Katterjåkk, kaufte die Bahntickets und bereitete alles vor und schaute mir täglich die Wettervorhersage für das Gebiet an.
Oh Graus, starker Schneefall wurde zumindest für die höher gelegenen Regionen vorhergesagt. Eine Trekkingtour mit Wintereinbruch erschien mir zumindest alleine doch zu riskant, also wurde umgeplant, Femundsmarka, 600km weiter südlich. Die Bahntickets wurden umgebucht, was die Abreise noch mal um 3 Tage verzögerte. Aber, auch für die Gegend um Röros wurde Schneefall vorhergesagt, auf der schwedischen Seite sollte es aber zwar kalt, aber zumeist trocken sein. Nun gut, aber zunächst muss ich mal von Röros aus starten.
Mit der Bahn geht es über Oslo und Hamar nach Röros, das ist eine traumhafte Bahnstrecke.
In Hamar habe ich eine gute Stunde Zeit und es ist eigentlich ein milder sonniger Herbsttag, wenn auch etwas windig.
Dann weiter nach Röros. Und dort ist es dann weder mild noch sonnig. Der Wind bläst mir nasskalten Nieselregen ins Gesicht, während ich auf den Schulbus von Röros nach Langen warte.
Bei der Ortschaft Langen mit ihren Touristenhütten setzt mich der Busfahrer dann ab und während ich meinen Rucksack fertig mache wird aus dem Nieselregen ein richtiger gleichmäßiger Landregen.
Es macht keinen Spaß, im strömenden Regen zu wandern und nach wenigen Kilometern komme ich zur Schutzhütte Litjrennbua. Diese ist zwar recht einfach eingerichtet, aber zumindest hat sie einen Holzofen und zwei Holzpritschen zum Schlafen. Besser, als im Regen das Zelt auf zu schlagen, und in der Hütte ist es bei Kerzenlicht auch wirklich richtig gemütlich. Allerdings schafft der Ofen keine wohlige Wärme, man muss sich schon in seiner unmittelbaren Nähe aufhalten.
In der Nacht kommt zu dem Regen auch noch ein kräftiger Wind hinzu, der eisig durch die Ritzen zwischen den Bretterwänden der Hütte pfeift.
Der nächste Morgen, Donnerstag: Die Sonne scheint, aber dicke graue Wolken kündigen baldige Schauer an. Ich mache mich trotzdem auf den Weg, möchte heute zumindest den See Ljösnadalstörna erreichen, wo ich vor 2 Jahren schon mal übernachtete.
Bald haben mich die ersten schweren Wolken eingeholt und man glaubt es kaum, am 15.September rieseln die ersten Schneeflocken auf die Femundsmarka hernieder. Aber es sind nur leichte Schauer, nichts Dramatisches. Um die Mittagszeit passiere ich den Hof Svartvika und bald danach eröffnet sich über der Moorlandschaft ein herrlicher Ausblick auf das Fjällmassiv Viggelen. Die Berge sind mit Neuschnee eingepudert, dort hat es in der Nacht den ersten Schnee gegeben. Ein eisiger Wind bläst direkt aus Norden und die Schneeschauer werden immer häufiger.
Am frühen Nachmittag erreiche ich den See Ljösnadalstörna und ich baue mein Zelt genau an der selben Stelle auf, wie vor 2 Jahren. Der Platz ist fast direkt am Ufer und etwas windgeschützt, da hinter einem kleinen Hügel gelegen und die ebene Stelle ist gerade groß genug, um mein Salewa Micra darauf zu errichten. Wenn die Sonne zwischen den Schneewolken hindurch kommt, scheint sie genau bei mir ins Zelt und auf der anderen Seite erhebt sich das schneebedeckte Haupt des Vigelen in den Herbsthimmel. Nach jedem Schneeschauer kann ich sehen, wie die Schneedecke am Berg wieder ein Stückchen weiter nach unten gewachsen ist. Eigentlich ist es eine herrliche Stimmung, wenn die Schneeflocken über dieser lieblichen Landschaft im Herbstwind wirbeln und sich das Licht über der Landschaft ständig verändert.
Freitagfrüh. Ich strecke meine ohnehin schon kalte Nase aus dem Zelt und schaue nach draußen. Ganz in zartem Weiß präsentiert sich die Landschaft, leichte Flocken rieseln sanft vom Himmel herunter, es wintert ein! Es ist zwar nur eine ganz zarte, dünne Schneedecke, die sich zwischen die Heidelbeersträucher gelegt hat und auch das Zelt teilweise bedeckt, aber drüben am Vigelen ist alles dick weiß.
Ich gehe barfuss die paar Schritte zum Seeufer, um Wasser für das Frühstück zu holen, um mich dann wieder in den warmen Schlafsack einzurollen. Heute ist ein Lesetag angesagt. Die Stelle hier ist einfach traumhaft schön. Und das Buch, das ich dabei habe, passt wunderbar zu der winterlichen Stimmung da draußen, mit dem Schnee und den auf- und abflauenden Sturmböen, die am Zelt rütteln: Christiane Ritters "Eine Frau erlebt die Polarnacht". Wenigstens musste ich mich nicht mit einem rußenden Ofen herumplagen, wie Frau Ritter vor 70 Jahren. Und ich musste mein Zelt auch nicht mit schrulligen Arktis-Jägern teilen, aber die Stimmung da draußen passte wunderbar zur Lektüre.
Und dann das Licht da draußen, das ständig wechselt, zwischen den mehr oder weniger heftigen Schneeschauern, die zeitweise noch nicht mal das gegenüberliegende Seeufer (ca. 100Meter entfernt) erkennen lassen, und der wärmenden Sonne. Manchmal rieseln die Flocken auch nur sanft vom Himmel und lassen die Sonnenstrahlen diffus hindurch scheinen.
Und es ist auch mal schön, nur im warmen Schlafsack in dieser absolut stillen Landschaft zu liegen und der Stille zu lauschen, bis der nächste Windstoß wieder an der Zeltplane rüttelt.
Samstag: Heute scheint es ein schöner Tag zu werden. Nur noch sanfte Wolken ziehen über den blauen Herbsthimmel. Der Birkenwald der Umgebung erstrahlt in leuchtendem gelb, weiß erhebt sich der Vigelen in den blauen Himmel. Ich entschließe mich, heute eine Tagestour ohne Gepäck nach Muggsjölia zu machen und am Abend zum Zelt zurück zu kehren.
Es wird ein herrlich sonniger, aber kalter Tag. Bald nach Ljösnavollen verlasse ich den Wald und erreiche die Fjellregion oberhalb der Baumgrenze. Die Aussichten auf die Schneebedeckten Berge, die sich über die rot-gelb leuchtenden Ebenen erheben, sind fantastisch.
Gegen Mittag erreiche ich den Halvortjörna. Aus einem Gebüsch über einem felsigen Abhang höre ich ein Pfeifen, so als ob jemand in eine Trillerpfeife bläst. Das kann doch nicht sein. Seit ich am Mittwoch den Bus verlassen habe, habe ich keine anderen Menschen getroffen. Wieder höre ich dieses Trillern, das eindeutig von solch einer Schiedsrichterpfeife kommt. Ob da jemand in Not geraten ist? Eigentlich soll man als Wildniswanderer ja immer solch eine Pfeife greifbar haben, für den Notfall. Ich schaue in die Richtung, aus der dieses Pfeifen kommt und sehe, dass da auch jemand ist. Da läuft ein Mann in einem roten Pullover hin und her, aber der scheint nicht in Not zu sein. Er gibt mir auch keine entsprechenden Zeichen. Also gehe ich weiter, kann mir keinen Reim auf den Pfeifer machen. Nach der nächsten Felskuppe treffe ich einen weiteren Mann, in grünem Tarnanzug, mit Hund, ein Jäger. Er schlendert seelenruhig durch die Landschaft, sieht mich auch, wir haben kurzen Blickkontakt. Plötzlich kracht ein Schuss und gleich danach noch einer. Ich höre, wie die Kugeln unweit hinter mir vorbei pfeifen. Zwei Schneehühner flattern entsetzt gackernd auf und streichen davon. Einige Meter hinter ihnen kriecht ein Mann fluchend aus der Deckung eines Busches, ein weiterer Jäger. Beide, der Schütze und der mit dem Hund, sind Norweger. Und der Schütze ist gar nicht erbaut darüber, dass ich da so seelenruhig herumwandere. Vermutlich bin ich nun schuld, dass er die Schneehühner nicht getroffen hat. Wenigstens hat er auch mich nicht getroffen. Ich verstehe allerdings sein Geschimpfe nicht. Ich selbst bin viel zu entsetzt, um irgend etwas zu sagen und will mir hier in Norwegen auch keinen Ärger einhandeln.
Ich gehe unter seinen strafenden Blicken weiter und setze mich einige hundert Meter weiter auf einen Felsen in der wärmenden Sonne am Seeufer, um Mittagsrast zu machen und mich von dem Schrecken zu erholen. Der hätte mich doch ohne zu Zögern über den Haufen geschossen. Nach einer Weile kommen die Männer auf dem Pfad herunter und wandern Richtung Muggsjölia. Der mit der Pfeife und dem roten Pulli ist inzwischen auch dabei. Der mit dem Hund ruft mir noch was zu, was sich aber eher wie ein Gruß anhörte al wie ein Schimpfen. Ich glaube, die waren genau so erschreckt, wie ich. Wenn er mich getroffen hätte, hätten ihm wahrscheinlich ein paar Jahre Gefängnis geblüht.
Nachdem ich mich von dem Schreck erholt habe, wende ich mich wieder den landschaftlichen Schönheiten zu und wandere zurück nach Ljösnadalen. Wenige hundert Meter vor dem Hof Ljösnavollen begegnet mir ein anderer Wanderer. Es ist Erik. Ich kenne Erik aus dem Trekkingforum, wir haben vor der Tour ein paar Mails ausgetauscht und schon geahnt, dass wir uns eventuell in der Femundsmarka treffen werden, wenn gleich das Gebiet doch viele 100 Quatrat-Kilometer groß ist. Aber das Wegenetz ist doch recht dünn und wir hatten zumindest teilweise die gleiche Route ab Röros.
Erik geht mit mir die 1,5 km zurück zu meinem Zeltplatz und wir erzählen uns am wärmenden Lagerfeuer unsere Erlebnisse von der Tour. Eric ist nun vorgewarnt, wenn er morgen nach Muggsjölia kommt und wird sich vor den Jägern in Acht nehmen.
Am Morgen trennen sich unsere Wege wieder, Eric geht weiter, er hat noch eine rund 100km lange Strecke bis Femundsenden vor sich, ich wandere zurück nach Röros.
Es wird ein herrlich milder Sonntag mit strahlendem Sonnenschein. Den späten Nachmittag verbringe ich am Strand des Sees Feragen, wo ich auch mein Zelt aufschlage. Bei herrlichem, milden, aber zeitweise sehr stürmischen Herbstwetter wandere ich an den nächsten beiden Tagen über Fjölburösten und Marenvollen nach Röros, wo ich dann auch noch einen halben Tag Zeit habe, bis mein Zug nach Oslo abfährt. Vergessen ist das Schneetreiben von Ljösnadalen, denn jetzt ist es wieder herrlich mild geworden und auch der Schnee auf den Bergen ist wieder verschwunden.
Auch Erik meldet sich einige Zeit später wieder per Mail bei mir, um mir mitzuteilen, dass er eine wunderschöne Tour gewandert ist, bei herrlichem Herbstwetter.
Ironie des Schicksals: Auch in Norwegen wird der Oktober 2005 ungewöhnlich mild und es
dauert bis zur zweiten Novemberhälfte, bis in Röros wieder Schnee fällt.
Zum Schluss noch einige Worte zum Barfuss - Wandern. Ich bin ja hier vor 2 Jahren, im Sommer schon mal gewandert, bei recht warmen Temperaturen und habe hier im Forum in einem Reisebericht ("barfüßige Begegnung in nordischer Einsamkeit") darüber berichtet, wie schön es ist, hier barfuss zu wandern. Damals habe ich sogar eine andere Barfuss - Wanderin getroffen.
Dieses Mal war es doch wie beschrieben ziemlich kalt und längere Barfuss -Touren waren anfangs nicht möglich. Aber an den letzten 3 Tagen wurde es ja wieder recht mild und da konnte ich dann wieder dem barfüßigen Naturgenuss frönen.
Am letzten Tag kam mir dann ein junges Paar aus Marburg entgegen. Wir unterhielten uns eine Weile und die Frau meinte. "Das ist so warm in den Dingern, ich gehe auch barfuss weiter!" Sie zog ihre Schuhe aus und wanderte barfuss weiter. Barfuss kann eben ansteckend sein - weil es so schön ist, wenn die Temperaturen danach sind.
Fotos zu dieser Tour findet Ihr auf meiner homepage:
http://www.nordland.im-licht-der-natur.de
Viele Grüße,
Bernd A