Barfuss auf dem Vilan (2376 m) (Hobby? Barfuß! 2)
"Ich bring euch an die Sonne" meinte der Postautochauffeur am Bahnhof Grüsch im Prättigau zu den beiden einzigen Passagieren, dem barfüssigen Wanderer und der jungen Dame, die wohl im Kurort Seewis im Prättigau ihren Arbeitsplatz hat. Und tatsächlich, wenige Meter über dem hübschen Dorf fand der Sonnenaufgang statt und der Aufstieg vollzog sich im schönsten Sonnenschein. Angenehme Wiesen- und Alpwege, bald einmal aufgewärmter Boden, eine wundervolle Barfussroute. Ziel war der Wächter am Eingang zum Prättigau, der Vilan, mit seinen fast 2400 m thront er 1800 Höhenmeter über dem Rheintal. Auf dem Gipfel hat man nach allen Seiten eine überwältigende Aussicht. Was wohl selten ein Gipfel zu bieten hat: Ein Bänklein und ein garderobeähnliches, eisernes Gestell, das wohl im Winter die Bretter der Skitouristen aufnimmt.
Der Abstieg auf die Nordseite ist vorerst steil, und, weil lange im Schatten, nur oberflächlich aufgetaut und deshalb feucht und rutschig. Also vorsichtig die Füsse plazieren und ausprobieren, ob sie auch an Ort und Stelle bleiben. Bald aber ist der Fuss des Gipfelkopfes erreicht und nun geht es an der Sonne, immer hart an der Gratkante bleibend, weiter nordwärts, stets begleitet vom eindrücklichen Tiefblick in die Bündner Herrschaft. Der Abstieg vom Grat ist nochmals recht steil, aber dank grossen Steinen auch für den Barfuss problemlos gangbar. Ein entgegenkommendes Ehepaar erkundigt sich über das barfüssige Berglaufen und, neben entsprechenden Auskünften, kann ich auch noch ein paar Wandertipps für diese Gegend geben.
Nun erreiche ich die Bergstation der Aelplibahn auf 1800 m. Die Aelplibahn, eine frühere Militärseilbahn, wird von Freiwilligen betrieben. Sie ist kein Kind des Massentourismus, vermag sie doch in der Stunde bloss 32 Passagiere in ihren beiden Doppelkabinchen nach oben zu befördern. Dennoch tut sich auf der Terrasse ein ansehnliche Schar an Aelplermagronen und andern Köstlichkeiten gütlich. Einen Moment vergessen sie, den nächsten Bissen in den Mund zu schieben, als da plötzlich einer barfuss und in Shorts über die Terrasse läuft (was kann ich dafür, dass der Wanderweg hier durch geht!). Der einzige Spruch, der mir haften geblieben ist, hiess: "Die Aliierten kommen!" Den Grund hiefür konnte ich nicht eruieren, denn unterdessen war ich längst die Treppe hinuntergehüpft und begann den Abstieg auf einem angenehmen, offensichtlich auch von den Bahnbetreibern ausgebauten Zickzackweg. Die letzten 400 Höhenmeter hinunter waren dann allerdings eine Schinderei: Ein kiesiges Alpsträsschen, das sich alle Zeit liess, in langen Schleifen dem Tal zuzulaufen. Der Kopf wollte nicht, dass ich die Sandalen auspackte und zum Glück sah mir niemand zu, wie ich wie auf Eiern Richtung Malans zirkelte. Zum Ueberfluss gibt es an diesem Sonnenhang nördlich der Alpen auch noch Edelkastanien!
Dafür durfte ich dann im Weindörfchen Malans die Bewunderung einer Dame einheimsen, der ich alsogleich die Bewunderung zurückgab, den sie trampelte energisch und mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf ihrem Mountain - Bike die steile Dorfstrasse hinauf und hatte erst noch genug Atem, um mit mir ein paar Worte zu wechseln. Gerade rechtzeitig kam ich zum Bahnhof, um, natürlich immer noch ohne Schuhe, den nächsten Zug heimwärts zu besteigen.