Barfuß unter Schmetterlingen und Nachteulen im Papiliorama in Kerzers (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 17.10.2005, 08:23 (vor 6984 Tagen)

In Kerzers im Kanton Freiburg gibt es das Papiliorama http://www.papiliorama.ch/. Es liegt etwa 1,5 km östlich vom Ortskern von Kerzers, direkt an der Bahnlinie Murten - Kerzers - Lyss. Kürzlich wurde sogar extra eine Bahnstation vor dem Papiliorama eingerichtet, damit die Besucher nicht mehr den Weg vom Hauptbahnhof in Kerzers zu Fuß gehen müssen. Früher befand sich das Papiliorama übrigens in Marin bei Neuenburg, leider brannte es dort ab.

Das Papiliorama in Kerzers besteht hauptsächlich aus zwei kuppelartigen Gebäuden. In der einen Kuppel wachsen tropische Pflanzen und exotische Schmetterlinge fliegen dort herum. Die andere Kuppel (Nocturama) ist abgedunkelt, dort kann man nachtaktive Tiere beobachten. Damit die Tiere überleben können, muß auch das Klima entsprechend warm und feucht sein. Vor Jahren fiel mir man Reklame auf, in der geschrieben stand, daß wegen der hohen Temperaturen leichte Kleidung empfehlenswert ist. Auch Fotos zeigten nur Besucher in sommerlicher Kleidung, wobei ich allerdings nicht weiß, ob das Foto auch im Sommer aufgenommen wurde.

Jetzt aber ist der Sommer vorbei, das Schweizer Mittelland lag gestern (16.10.2005) unter einer Nebeldecke. Also ideal, um die farbige Tropenvielfalt und die lauen Tropennächte zu genießen. Ich mußte keine Sekunde überlegen, welche Schuhe für derartige Anlässe ideal sind. Die Antwort war klar: GAR KEINE! Da ich nicht mit dem Fahrrad, sondern mit der Bahn angereist war, benötigte ich auch auf der Fahrt nicht allzu winterliche Kleidung. Handschuhe, Mütze, Schal, Jacke, lange Hosen, Schuhe und Socken blieben zu Hause.

Morgens um 9 Uhr öffnet das Papiliorama, um 9.07 Uhr erreichte mein Zug die Haltestelle davor. Ich war der einzige, der hier den Zug verließ, auch standen noch kaum Autos auf dem Parkplatz. Zielstrebig ging ich auf den Eingang zu. Der Eintritt kostet im Normalfall 13 Franken, was vielleicht nach viel klingt, aber angesichts der enormen Energiekosten sicher nicht zu hoch ist. Ich brauchte nur 11 Franken bezahlen. Von diesem Vorzugspreis profitieren (nur noch bis Ende Dezember 2005) alle Leute, die eine Bonviva-Card besitzen. Ich möchte keine genauere Werbung machen. Es handelt sich um eine Aktion meiner Bank. Manchmal kommt man günstiger in Zoos, manchmal in Theaterveranstaltungen, manchmal in Sportveranstaltungen usw. Eine solche Bankkarte bekommt übrigens nicht jeder Bankkunde mit ein paar hundert Franken auf dem Konto, sondern nur solche, die "etwas mehr Geld auf der Bank" haben. Ob ich beim Vorlegen der Karte (auf der mein Name, sogar mit Doktortitel, steht, nicht aber ein Bild ist) auch den Rabatt bekommen würde? Würde die Frau an der Kasse vielleicht annehmen, ich wäre nicht der rechtmäßige Besitzer der Bankkarte, weil ein Mann in T-Shirt, kurzen Hosen und barfuß bei ca. 10°C Außentemperatur wohl kaum zu einem Doktor paßt? Aber nein! Ich brauchte nicht meinen Paß vorweisen, sondern bekam anstandslos meine verbilligte Eintrittskarte. Sie fragte mich lediglich, ob ich mit dem Auto angereist war (ob der Parkplatz extra kostet?), was ich mit "Nein, mit dem Zug" beantwortete. Dieses glaubte sie mir auch. Ich hatte nicht den geringsten Eindruck, als ob sich die Frau an meiner Aufmachung störte.

Drinnen mußte ich feststellen, daß es doch recht warm war, zum Glück hatte ich noch ein leichteres T-Shirt dabei (von der Temperatur her hätte ich gar keins benötigt). Zuerst war ich mit den Schmetterlingen allein. Enorm, was es alles für farbenprächtige Sorten gibt! Und überall die schönen Pflanzen. Wasser rauschte von den "Bergen", Fische schwammen hier in einem Becken. Darunter auch "Johann", der Riesengurano. Mit einem Gesicht wie eine Bulldogge und großen Glotzaugen würde Johann sicher keinen Schönheitswettbewerb gewinnen. Aber seine Schwimmbewegungen waren majestätisch, und immer schwamm er zu der Aquariumsscheibe, vor der ich gerade stand. Richtig neugierig war er. Ich hatte aber nicht den Eindruck, als ob seine großen Glotzaugen auf meine nackten Füße fixiert waren. Er ist weise genug um zu wissen, daß Barfußlaufen nichts ehrenrühriges ist, im Gegensatz zu einigen Menschen. Die Schmetterlinge umgaukelten mich. Ein ganz frecher setzte sich sogar auf meine Schulter und saugte wohl meinen Schweiß auf. Auf meine Füße setzte sich kein Schmetterling. Mögen die keinen Käse? Doch! Schmetterlinge mögen gerne Käse, nur bei mir fanden sie keinen. Ich beobachtete nämlich, wie sich ein Schmetterling auf den Stoffturnschuh eines Besuchers setzte.

Auf den oft feuchten Wegen ist es sicher ein Genuß, barfuß zu laufen. Als Barfüßer trägt man auch dazu bei, daß die Tiere im Papiliorama geschont werden. Einmal erschrickt man sie nicht durch laute Geräusche, und zum anderen achtet man mehr darauf, wohin man tritt. Das ist wichtig, denn einige Schmetterlinge setzten sich auch auf die Wege. Ich bekam mit, wie ein fett beschuhter Junge aus Unachtsamkeit einen Schmetterling zertrat. Zwar überlebt ein Schmetterling auch einen nackten Fuß nicht, aber wer gewöhnt ist, auf Glas und Schnecken zu achten, der übersieht auch keinen Schmetterling und macht daher einen Bogen um ihn.

Im Nocturama waren Affen, Faultiere, Ozelote, Schlangen, Brillenkäuze, um nur wenige Tiere zu nennen. Besonders interessant fand ich die Fledermäuse, die manchmal haarscharf an einem vorbeiflogen, so daß man der Wind spürte, der kurzzeitig für Abkühlung sorgte. Ich wurde auch Zeuge, wie die Tiere gefüttert wurden. Die Tiere fraßen der jungen Tierpflegerin aus der Hand. Was ich weniger schön fand: Die Tierpflegerin bewegte sich ziemlich schnell von einem Gehege zum anderen und das ziemlich laut. Dabei wurden die Besucher aufgefordert, sich ruhig und leise zu verhalten, um die Tiere nicht zu stören. Und Bedienstete sollten doch ein Vorbild sein. Wenn die Zeit drängt, dann kann man wenigstens eines tun: Während der Arbeit keine modischen Schuhe mit harten Absätzen tragen. Aus meiner Sicht ist barfuß dafür wie geschaffen. Und falls Sicherheitsgründe dagegen sprechen sollten: Sandalen oder sonst wie Schuhe mit weichen Gummisohlen tun es auch! Auch wenn es draußen nicht mehr Hochsommer ist: Unpassend wäre es nicht, wenn man leichteres Schuhwerk trägt. Immerhin trug die Pflegerin auch nur eine leichtes Top und Jeans.

Was Reaktionen zu meiner Aufmachung anbelangt: Bedienstete reagierten nicht. Bei einigen Kindern erntete ich große Glotzaugen, die etwas anders waren als die von "Johann". Dabei hatten etliche Kinder (und Erwachsene) ihre Wollpullover um die Hüften gebunden, weil es drinnen zu warm war. Ab und zu sagte jemand: "Der ist barfuß!" Sehr oft kam die Antwort der Eltern: "Hier ist es doch warm!" Ein Familienvater war in kurzen Hosen und Sandalen ohne Socken erschienen, ansonsten trugen alle geschlossene Schuhe. Auch als ich mich auf dem Außengelände des Papilioramas aufhielt (dort gibt es einen Streichelzoo, ein Biotop und einen Kinderspielplatz), waren die Reaktionen kaum anders als drinnen.

Wie es wohl im Hochsommer aussieht? Ob da Leute ohne Schuhe durch das Papiliorama gehen? Flipflops kann man leicht mal eben in die Hand nehmen. Von der Bodenbeschaffenheit wäre es innerhalb der Kuppeln durchaus möglich, auch als Anfänger barfuß zu laufen. Ob es zum Vorteil für die Tiere wäre, wenn jeder Besucher vor dem Betreten der Kuppeln seine Schuhe abgeben würde? Für die Tiere sicher, aber vermutlich nicht für die Finanzen. Wie hoch der Nutzen ist, wenn durch Barfußlaufen weniger Tiere geschädigt werden läßt sich sicher nicht einfach auf Franken und Rappen genau berechnen. Genau auf Franken und Rappen berechnen läßt sich allerdings, welchen Einfluß ein "Barfußzwang" auf die Zahl der Eintritte hat. Vermutlich würde ein Barfußzwang keine zusätzlichen Besucher anlocken. Dabei kann ich mir vorstellen, daß manch ein Mensch nicht kommen würde, wenn man sich der Schuhe entledigen müßte. Also wird es keinen Barfußzwang geben.

Wer sich für Schmetterlinge interessiert, dem kann ich das Papiliorama in Kerzers nur empfehlen, am besten dann, wenn das Wetter grau in grau ist. Und selbstverständlich barfuß. Auch wer nicht unbedingt das Verlangen hat, bei Temperaturen um 10°C längere Zeit barfuß zu laufen, der kann trotzdem die Schuhe zu Hause lassen. Die paar Schritte vom Bahnhof Kerzers Papiliorama schafft man leicht, und die Umsteigezeiten in Kerzers Hauptbahnhof in Richtung Bern oder Neuenburg sind kurz.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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