Barfuß Hochrad fahren? (Hobby? Barfuß! 2)
Ich war barfuß mit dem Fahrrad nach dem ebensolchen Museumsbesuch im Seetal nach Hause gefahren, im strömendem Regen. Mein erster Gang galt dem Bücherschrank, um das Buch hervorzukramen, das mir meine Kollegen von der Uni zum Abschied geschenkt hatten, als ich in die Schweiz übersiedelte:
20000 Meilen mit dem Hochrad um die Welt
Autor: Thomas Stevens
ISBN 3-522-60670-1
Thienemann-Verlag, Stuttgart (1984)
Es handelt von einer Fahrradtour, die der Autor selber zwischen 1884 und 1886 zurückgelegt hatte. Eine respektable Leistung, wenn man bedenkt, daß die Straßen damals ganz anders waren als heute, holperiger, dafür aber weniger Verkehr. Auch ist ein vollgummibereiftes Hochrad nicht mit den heutigen Treckingbikes zu vergleichen. Damals kostete ein Fahrrad auch das, was heute ein mittelgroßes Auto kosten würde, wenn man die Kaufkraft umrechnet.
Demnach konnte der Autor auch nicht arm gewesen sein, entsprechend trug er auch Schuhe. Aber nicht nur die, sondern auch die sonstige Kleidung (Hut, lange Hose, langärmelige Oberbekleidung) ist sicher nicht das, was ich als "ideale Fahrradkleidung" empfinden würde, von der Schußwaffe, die er dabei hatte, ganz zu schweigen. Waren halt andere Zeiten.
Was hat das noch mit barfuß zu tun? Das 421-seitige Buch enthält auch Zeichnungen. Zeichnungen mit indischen Gegenden zeigen barfüßige Leute. Auch war im Text zu lesen:
"Die Trachten der ungarischen Landsleute sind malerisch und seltsam; Frauen und Mädchen tragen an Sonn- und Feiertagen Stulpenstiefel und kurze Kleider, aber zu anderen Zeiten kurze Kleider ohne irgendwelche Fußbedeckung."
Na bitte! Ungleiche Rollenverteilung. Barfuß aus Armut, Schuhe nur am Sonntag.
Als ich im Museum das Hochrad betrachtete und mir die barfußfreundlichen Pedalen aus massivem Gummi auffielen, wäre ich auf der Stelle am liebsten gleich barfuß damit weggefahren. Wäre ich überhaupt in der Lage, ein Hochrad zu lenken, ohne Sturz usw.? Schon das Aufsteigen dürfte schwierig sein. Wären diese Hochräder überhaupt im heutigen Verkehr noch zugelassen, auch dann, wenn man sie mit heutiger Beleuchtung, Klingel usw. versieht? Wäre man sicher genug, wenn man sich damit den Weg durch die Großstadt, vorbei an Straßenbahnen, Omnibussen zu bahnen, an jeder Ampel anzuhalten usw.? Ich glaube, jeder Polizist würde einen damit anhalten, egal, ob man damit barfuß oder fett beschuht radelt. Einmal wegen Sicherheit. Und zum anderen, um zu überprüfen, ob aus irgendeinem Museum ein derartiges Gefährt verschwunden ist.
Aber die Pedale können sich sehen lassen, richtig barfußfreundlich.
Aber Achtung: Bevor jemand nun plant, beim Besuch des Dorfmuseums in Seon einen Schraubenschlüssel mitzunehmen, um die Pedale vom Hochrad zu demontieren und am eigenen Mountainbike, Treckingbike, Rennvelo usw. anzubauen, der muß damit rechnen, daß das Gewinde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kompatibel mit heutigen Gewinden ist. Also laßt das Hochrad am besten so wie es ist! Auch ohne die Mitnahme von Hochrad-Pedalen ist das Museum für Barfüßer (und nicht nur die) empfehlenswert.
Öffnungszeiten:
Samstag 13-19 Uhr
Sonntag 10-16 Uhr
Der Eintritt ist frei!
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen