Barfüßiger Museumsbesuch im Seetal (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 03.10.2005, 07:22 (vor 6932 Tagen)

Das Seetal liegt zwischen Lenzburg und Luzern. Das Tal hat seinen Namen nach den beiden Seen, dem Baldegger See und dem Hallwiler See. Seon ist eine Ortschaft in diesem Tal, hier gibt es auch ein Dorfmuseum, das ich am letzten Samstag besuchen wollte, und zwar wegen einer Sonderausstellung, natürlich barfuß. Unter anderem sollte man dort auch etwas über die "Seetalkrokodile" erfahren, die es dort gab, da paßt doch ein barfüßiger Besuch. Manch ein Mensch fiel schon diesen Krokodilen zum Opfer, nicht einmal im Auto war man vor ihnen sicher. Bevor nun aber jemand zum Bücherschrank geht und was über diese gefährlichen Krokodile erfahren will, der soll aber nicht zum Biologiebuch greifen, sondern zum Eisenbahnbuch. Die Seetalkrokodile waren nämlich Lokomotiven, die früher auf der Seetalbahn verkehrten. Diese Strecke war früher wegen vieler ungesicherter Bahnübergänge sehr unfallträchtig, heute ist sie sicherer geworden, aufgrund der Streckenführung und aufgrund der Fahrzeuge, die an Straßenbahnen erinnern.

Ich radelte also barfuß los und wollte bis 13 Uhr (dann öffnete das Museum) dort sein. Da ich aber zu früh losgeradelt war, suchte ich mir noch einen Platz, wo ich was verzehren konnte. Und ich fand ihn am Aabach. Ich war hier der einzige Barfüßer, aber es gab Zeiten, als barfuß hier gang und gäbe war. Ich hatte nämlich die Reste einer früheren Badeanstalt "entdeckt", man konnte es noch deutlich erkennen (im Museum sah ich auch später noch ein Foto aus der Betriebszeit).

Als ich ins Museum ging, wurde meine Barfüßigkeit kaum beachtet, weder vom regulären Museumspersonal, noch von den Fachleuten der Sonderausstellung (ein Frau trug sogar eine Aargauer Tracht, zu der neben Schuhen auch ein Hut gehört). Ich verstehe ja nicht viel von Trachten, aber meiner Meinung nach hätte es auch gut ausgesehen, wenn die Frau barfuß und ohne Hut die "Resttracht" getragen hätte.

Die Seetalbahn-Ausstellung war sehr interessant. Einst eine gemütliche Dampfbahn mit repräsentativen Bahnhofsgebäuden, dann eine vernachlässigte elektrische Nebenbahn, und seit kurzen eine Art S-Bahn mit tramähnlichen Fahrzeugen und schmucklosen Haltestellen. Leider wurden viele Bahnhofsgebäude vor kurzem abgerissen, so auch in Seon. Auch gab es Fotos zu sehen, alte und neue. Unter anderem solche, die barfüßige Kinder zeigten in der Nähe von Eisenbahnen. Vermutlich waren diese Kinder barfuß wegen Armut, denn es sah nicht so aus, als ob es Sommer war. Auf einem neuen Foto waren auch wenige barfüßige Kinder zu sehen, aber da war es Hochsommer. Keine Barfüßer zeigte dagegen ein Foto, und trotzdem fühlte ich mich an dieses Forum erinnert. Es zeigte nämlich einen Triebwagen der Saarbahn, der auf der Seetalbahn getestet wurde. Schönen Gruß also an unsere Barfüßer aus dem Saarland!

Aber auch ohne die Seetalbahnausstellung ist das Museum empfehlenswert. Einige Räume sind so ausgestattet wie Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer usw. der damaligen Dorfbevölkerung. Da das Museumsgebäude (direkt am Bahnhof Seon) auch alt ist, sind die Treppen und Fußböden hölzern. So hat man als Barfüßer ungefähr das Gefühl dafür, wie es den barfüßigen Kindern in der Küche, der "guten Stube" usw. ergangen ist, ein Gefühl, das ein Schuhträger niemals zu spüren bekommt. Ich empfand die Treppen, Fußböden und alten Teppiche sehr angenehm.

Im obersten Stock waren auch Arbeitsstätten von Handwerkern zu sehen. Besonders lange betrachtete ich die Gegenstände einer Schuhmacherwerkstatt. Ich erkannte einiges, was mein Vater (er hat mal Schuhmacher gelernt, jedoch nicht das Geschäft seines Vaters übernommen, wohl aber viele Maschinen) mal besaß und noch besitzt und ab und zu auch noch benutzt. Ob sich Leute darüber Gedanken gemacht haben, warum mich als Barfüßer ausgerechnet die "Schusterei" besonders interessierte? Eigentlich betrachtete kaum ein Erwachsener mein Füße, nur einige Kinder machten große Glotzaugen. Ein Mädchen rief sogar: "Der ist ja GANZ barfuß!" Kann man denn zwar "NICHT ganz barfuß", jedoch auch nicht "unbarfuß" sein?

Die Schuhe, die dort zu sehen waren, möchte ich allerdings nicht tragen, viel unbequemer, als das, was ich so an Schuhen trage. Auch was es an Kleidung zu sehen gab, halte ich für eine Zumutung, viel zu steif. Dann die Hüte, wozu? Von Utensilien fürs Militär ganz zu schweigen. Demnach war sie doch nicht so gut, unsere "gute alte Zeit". Freiwillig barfuß laufen ist anders als barfuß laufen müssen aus Armut. Interessant fand ich auch die Preisliste eines Friseurladens aus den frühen sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. 3,80 SFr kostete damals noch ein Männerhaarschnitt, das waren noch Zeiten. Wenn der Friseur heute noch so günstig wäre, würde ich häufiger gehen, barfuß natürlich.

Weiter zu erwähnen waren noch alte Dampfbügeleisen, Lampen, Fotoapparate, "Dampfradios", Plattenspieler, "Dampffernseher" und auch ein altes Fahrrad, mit einem großen und einem kleinen vollgummibereiftem Rad und SEHR barfußfreundlichen Pedalen. Ich ließ dieses Rad jedoch dort, wo es war und fuhr mit meinem eigenen zurück nach Zofingen, in strömendem Regen, der während meines Museumsaufenthaltes eingesetzt hatte.

Die Seetalbahn-Ausstellung ist noch am nächsten Wochenende zu sehen, Öffnungszeiten:
Samstag 13-19 Uhr
Sonntag 10-16 Uhr
Der Eintritt ist frei!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Barfüßiger Museumsbesuch im Seetal

RainerL @, Stammposter, Tuesday, 04.10.2005, 14:30 (vor 6931 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

Ein Mädchen rief sogar: "Der ist ja GANZ barfuß!" Kann man denn zwar "NICHT ganz barfuß", jedoch auch nicht "unbarfuß" sein?

Ja, man kann. Denn diese genaue Definition von Barfüßern was barfuß ist also ohne Schuhe und Socken wird im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur so benutzt. Barfuß wird häufig auch gesagt wenn man sockenlos meint, es gibt ja auch Barfußsohlen als Einlegesohlen wenn man ohne Socken in Schuhen laufen will...

...und auch ein altes Fahrrad, mit einem großen und einem kleinen vollgummibereiftem Rad und SEHR barfußfreundlichen Pedalen.

Tja damals scheinen wohl viel mehr Leute barfuß Fahrrad gefahren zu sein, deshalb die barfußfreundlichen Pedale. Habe hierzulande noch keine gesehen ... :-(

socken- und schuhlose Grüße ;-)
Rainer

Barfüßiges Radfahren in früheren Zeiten?

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 05.10.2005, 06:29 (vor 6930 Tagen) @ RainerL

Hallo Rainer,

mit dem Satz
"und auch ein altes Fahrrad, mit einem großen und einem kleinen vollgummibereiftem Rad und SEHR barfußfreundlichen Pedalen"
meinte ich das Hochrad , das vor 1900 gebaut wurde (Vgl: index.php?id=994251363). Damals war Radfahren noch ein "Sport der Reichen", während Barfußlaufen noch ein Indiz für Armut war. Gemessen an Kaufkraft und Einkommen war ein Hochrad damals sicher so teuer wie heute ein mittelgroßer BMW. Wer sich damals ein Fahrrad leisten konnte, wäre niemals barfuß gefahren, er wäre verstoßen worden von seinesgleichen. Heute ist die Zeit reifer: Wer sich einen BMW leisten kann, ist nicht gleich unten durch, wenn er ihn barfuß lenkt.

Darum glaube ich, daß Deine Vermutung
"Tja damals scheinen wohl viel mehr Leute barfuß Fahrrad gefahren zu sein, deshalb die barfußfreundlichen Pedale. Habe hierzulande noch keine gesehen ..."
vielleicht für Zeiten kurz vor oder kurz nach dem 2. Weltkrieg stimmen mag, nicht aber für Zeiten vor 1900. Ich vermute, daß man die Pedale nicht gezielt, sondern nur zufällig auch barfußfreundlich produziert hat. Vermutlich war es damals technisch am einfachsten, große Gummiklötze herzustellen, Plastik gab es ja noch nicht. Sicher hat aber auch die Beschaffenheit der Schuhe eine Rolle gespielt. Im Gegensatz zu heute waren Gummisohlen wohl eher selten, Ledersohlen waren in der Mehrzahl. Und wenn man Ledersohlen trägt, rutscht man am wenigsten leicht ab, wenn die Pedale aus Gummi sind. Metallpedale mit den fiesen Zinken wären damals wohl auch herstellbar gewesen, jedoch rutscht man mit Ledersohlen aus, da sich sie Zinken mit in die Ledersohlen verbeißen, wohl aber in nackte Fußsohlen und in die heutigen Gummisohlen (wodurch ganz nebenbei die Schuhindustrie in zweierlei Hinsicht angekurbelt wird; einmal weil das barfüßige Radfahren vermiest wird, zum anderen wegen des höheren Sohlenverschleißes ).

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

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