Barfüßiger Fahrradurlaub - 11. Etappe (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 27.09.2005, 09:49 (vor 6938 Tagen)

Mittwoch, 14.9.2005: Ich hatte in der Nähe von Oggersheim im Schlafsack übernachtet. Es war die Nacht über trocken geblieben, nun war es hochnebelartig bewölkt, ich rechnete mit Sonne im Laufe des Tages. Ein Auto fuhr vorbei, vermutlich Baumschularbeiter, die im Gegensatz zu mir keine Ferien hatten und daher vermutlich Sicherheitsschuhe tragen mußte, während ich nun ausnahmsweise 2 Wochen ohne Unterbruch barfuß sein durfte.

Lediglich die vielen Autobahnen und Schnellstraßen ließen ahnen, daß ich mich nicht weit von einer Ansammlung von Großstädten befand. Die Landschaft dagegen täuschte noch fast unberührte Natur vor. Leute mit Hunden waren unterwegs, weder die Hunde, noch die dazugehörenden Leute störten sich an meiner Barfüßigkeit. Ich radelte vorbei an einem Gebäude, auf dem stand "Verein für Hundeliebhaber". Wie passend! Auch ein "Verein für Rosenliebhaber" hätte in diese Gegend gepaßt. Oder ein "Verein für Kohlliebhaber"!

Es dauerte aber nicht lange, dann erreichte ich Oggersheim, was in einem von einer Großtante geerbten uralten Lexikon noch als "bayrische Kleinstadt bei Ludwigshafen" verzeichnet ist. Heute weder bayrisch, noch klein, noch bei, sondern in Ludwigshafen. Nur wenige Gebäude, etwa das Kloster [image] lassen ahnen, daß Oggersheim mehr als ein von einer Großstadt geschlucktes Bauernkaff war. Als ich barfuß das Kloster umrundete, störte sich auch keiner an meiner Barfüßigkeit. Dagegen sahen einige Schulkinder mich im Oggersheimer Stadtzentrum erstaunt an. Sie waren in Rudeln unterwegs, offensichtlich waren sie mit der Rhein-Hardt-Bahn http://home.wtal.de/bahnfreunde/images/rhb1122ogg.jpg] (allerdings mit moderneren Fahrzeugen als hier oder der "richtigen" Straßenbahn, die in Oggersheim endet, gekommen, und dann die letzten Meter von der Haltestelle zur Schule zu gehen. Es ist wohl fast überflüssig zu erwähnen, daß von den Schülern niemand barfuß lief, selbst solche ohne Socken waren selten und auch auf Mädchen (und diese der Haar- und Gesichtsfarbe eher "ungermanischen" Ursprungs) beschränkt.

Ich radelte ins Stadtzentrum von Ludwigshafen, nicht gerade übermäßig sehenswert, jedoch gibt es dort einige spezielle Radwege. Auch in Rathausnähe gibt es eine Anlage mit Holzbrücken über Gewässer (dort geht auch die Straßenbahn auf Tauchstation), wo man gut barfuß laufen kann. Eine Frau mit Hund lächelte freundlich, als ich in derartiger Fuß"bekleidung" mein Velo über eine Holzbrücke schob.

Über die nördlichere Rheinbrücke radelte ich über die benachbarte Universitätsstadt Mannheim. Der Radweg war wegen Bauarbeiten eingeengt, ich hörte einen Bauarbeiter zu anderen sagen: "Hast du das gesehen? Der kann sich nicht mal Schuhe leisten. Sicher ein Zigeuner!" Was Leute so alles denken!

In Mannheim schob ich wiederum das Rad durch Straßen der Altstadt, speziell dort, wo auch Straßenbahnen fahren. Auch begab ich mich zum Wasserturm [image], wo ich das Rad über die Wege, die trotz fehlenden Asphalts oder Pflaster doch einigermaßen gut barfuß begehbar waren. Die Gärtner schienen etwas erstaunt zu sein, in der Fußgängerzone dagegen wurde meine Barfüßigkeit kaum beachtet. Lediglich ein total betrunkener etwa dreißigjähriger Mann pöbelte mich an: "Was fällt dir ein! Kannst du dir keine Schuhe kaufen? Das ist doch asozial!" Normalerweise reagiere ich auf derartige Dinge nur mit einem überlegenen Grinsen, diesmal reagierte ich aber mit den Worten in einem höflichen Ton: "Wenn Sie das stört, dann rufen Sie die Polizei! Und da die Mannheimer Polizei vermutlich wegen Menschen ohne Schuhe nicht aus dem Amtssessel springt, empfehle ich Ihnen, sich gleich an die Zofinger Stadt- oder Kantonspolizei zu wenden. Die ist derart unterbeschäftigt, daß sie, wenn sie einen Barfüßer sichtet, sofort alles stehen und liegen läßt und ihn mit einer derartigen Intensität verfolgt wie es in Deutschland zwischen 1933 und 1945 mit Leuten gemacht wurde, die entweder einer anderen sogenannten Rasse angehörten oder aber sich so in der Stadt benahmen wie Sie!" Offensichtlich hatte er meine Worte (die ich übrigens nicht in Gegenden gebraucht hätte, in denen Zofingen bekannt ist) nicht begriffen. Jedenfalls schien er nicht die Polizei gerufen zu haben, oder hat die mich nur nicht gefunden?

Mein Weg führte nach Heidelberg, und zwar möglichst über den Radweg am Neckar (und teilweise auch nahe am Trassee der OEG). In der Heidelberger Fußgängerzone wurde meine Barfüßigkeit auch nicht groß registriert, ein anderer Barfüßer dagegen umso mehr. Es handelte sich um einen Mann, der vermutlich etwas älter ist als ich. Er war relativ klein, trug einen Bart und als einziges sichtbares Kleidungsstück einen Umhang, der lediglich die Unterschenkel und Füße unbedeckt ließ. Auch die Arme waren unter dem Umhang verborgen. Oder besaß er überhaupt keine Arme?

Ich wollte noch eine Pause machen, wozu ich mein Velo barfuß den ziemlich steilen Kopfsteinweg in Richtung Schloß schob. Dort, wo ein waagerechter Weg zum Schloßgarten führt, stellte ich mein Rad ab. Einig Leute, die das Schloß besuchen wollten, starrten mich an oder gaben Bemerkungen, wobei wohl eher die Tatsache, daß ich mich mit dem schwer beladenen Fahrrad hochquälte, Aufsehen erregte als meine Barfüßigkeit. In der Tat hatte ich lahme Arme, keine schmerzenden Füße. Ich war übrigens nicht der einzige, der eine schwere Last nach oben beförderte. Ein junges Ehepaar mit Kinderwagen tat das gleiche, wobei sie sich die Arbeit teilten. Der winterlich gekleidete Mann trug das Kind auf den Armen, während die sommerlich gekleidete Frau Schwierigkeiten hatte, beim Hochschieben des Kinderwagens ihre Flipflops an den Füßen zu behalten. Als ich mein Rad an denen vorbeischob, sagte der Mann: "Ohne Schlappen scheint es hier wohl besser zu gehen, wenn man schwere Dinge schiebt. Der Radfahrer hat offensichtlich deswegen die Schuhe ausgezogen!" Worauf ich sagte: "Das erste stimmt zweifellos. Und da das so ist, habe ich erst gar keine Schuhe mitgenommen, da ich keine Lust habe, sie ständig an und aus zu ziehen." Die Frau jedoch quälte sich weiter mit ihren Flipflops ab. Bergab ging es für mich einfacher, allerdings hatte ich dann lahme Finger vom Betätigungen der Bremsen.

Weiter radelte ich ins hübsche Städtchen Neckargmünd [image], das wegen Bauarbeiten am Bahnhof "Neckargmünd Altstadt" vermehrt für Staus auf den Straßen sorgt. In der Altstadt fielen meine Füße nicht auf, als ich mich noch einige Zeit unten am Neckarufer aufhielt, war ich sogar nicht der einzige Barfüßer. Eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter und einem kamen aus der Altstadt, die Tochter schien nicht mal Schuhe dabei zu haben (der Hund auch) und auch öfter barfuß zu laufen. Die Mutter dagegen entledigte sich erst am Ufer ihrer Sandalen und Socken (und zog zumindest erstere immer wieder an, wenn sie auch nur ein paar Meter weitergingen.

Jetzt folgte das letzte Stück für den Tag. Mein Ziel war die Große Kreisstadt Sinsheim, in der ich einen Freund besuchen wollte, und zwar für mehr als einen Tag. Seitdem ich in der Schweiz lebe, tat ich das alle 1-2 Jahre, in früheren Jahren aber immer mit Schuhen. Vorher suchte ich noch einen Blumenladen auf, hier registrierte man meine Barfüßigkeit nicht. Die Verkäuferin fragte mich lediglich, ob ich noch weit zu fahren hätte mit den Blumen auf dem Fahrrad. Meine Gastgeber wußten übrigens von meinem Wandel vom Schuhträger zum Barfüßer. Immerhin habe ich denen von meinen verschiedenen Barfußtreffen berichtet, ebenso von meinen Erlebnissen mit der Polizei. Ich rechnete also nicht damit, daß sie ähnlich reagieren würden wie die Schwester von Markus U. Und so geschah es auch. Ich kann somit meinen Gastgebern nur dankbar sein für die Zeit, die ich bei ihnen verbringen durfte, egal ob mit oder ohne Schuhe. Schönen Gruß auch hier, vielleicht lesen sie ja mit. Bis Samstagmorgen verbrachte ich dort, bevor ich wieder nach Hause radelte. Aber davon in meinem letzten Bericht.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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