Barfuß in Wiehl (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 20.09.2005, 07:44 (vor 7011 Tagen)

Zwei Wochen schuhlose Ferien sind vorbei. Der erste planmäßige Höhepunkt war die Besichtigung der Tropfsteinhöhle in Wiehl am Samstag, den 10.9. 2005 mit Ulrich aus Berlin und Markus U., über die in diesem Forum schon berichtet wurde. Der gebührenfreie Parkplatz vor der Höhle war Ausgangspunkt für den gelungenen Tag zu dritt. Von der Stadt Wiehl selbst haben wir während dieser Zeit nicht viel mitbekommen. Da ich aber schon eher angereist war, möchte ich an dieser Stelle noch einiges dazu bringen.

Obwohl Wiehl nicht allzu weit von großen Städten wie Köln und Bonn, oder auch nur mittleren Städten oder auch nur Stadtteilen wie Siegburg, Troisdorf oder Bensberg entfernt ist, ist hier die Bevölkerung doch noch ganz anders, irgendwie bodenständiger. Vielleicht liegt es daran, daß man nicht einfach mit der S-Bahn oder Straßenbahn aus den Metropolen hierher gelangt. Durch das Tal der Agger fährt immerhin noch eine Eisenbahn, die in Wiehlmünde abzweigende Bahn durch das Tal des Flusses Wiehl wurde jedoch für den Personenverkehr stillgelegt, stattdessen verkehren Omnibusse. Bahnhöfe auf dem Gebiet der heutigen Stadt Wiehl gab es im Stadtteil Bielstein, dieses Gebäude [image] habe ich jedoch nicht gefunden, nur ein historisches Stationsschild. Das Bahnhofsgebäude des Wiehler "Hauptbahnhofs" steht noch und ist leicht als solches erkennbar, jedoch wirkt das Gelände darum herum ziemlich öde. Im Dunkeln möchte ich da nicht barfuß laufen. Das Bahnhofgebäude im Stadtteil Altwiehl liegt versteckt abseits der Straße und beherbergt eine Gastwirtschaft (ich weiß nicht, ob diese noch in Betrieb ist oder geschlossen).

Eines hatte die Wiehltalbahn aber noch für mich zu bieten: Zwischen Wiehl und Bielstein gab es mal eine Verladestation für Sand oder ähnliches, ist ja auch egal. Wichtig für mich war, daß man von der Straße in Richtung Gleis radeln konnte und unter dem Verladegebäude das Fahrrad trocken abstellen konnte und auch seinen Schlafsack ausbreiten konnte, ohne naß zu werden. Die zwei Nächte, die ich dort verbrachte, waren teilweise verregnet, aber ich blieb trocken. Der feinkiesige Untergrund des Gebäudes ähnelte dem der Wiehler Tropfsteinhöhle, zumindest fühlte er sich so an, wenn man barfuß darüber ging. Ich konnte hier auch ungestört übernachten, der Platz war nicht von Pennern oder Frauen mit aufgedunsenen Gesichtern besetzt.

Dann die Stadt Wiehl selbst: Ein paar alte Fachwerkhäuser, eine Kirche [image], barfuß angenehm begehbare Seitenstraßen im Stadtzentrum, ein großzügig angelegtes Einkaufszentrum, das zwar neu ist, dessen Bebauung die Stadt aber nicht verschandelt. Auch ein Aldi-Markt ist dort, in dem ich vor der Höhlenbesichtigung barfuß eingekauft hatte, ohne daß es Reaktionen seitens des Verkaufspersonals oder der Kundschaft gab.

Als ich am späteren Freitagnachmittag einen Spaziergang durch die Stadt unternahm, fragte mich ein kleiner Junge: "Sind Sie arm?" Als ich verneinte und fragte, wieso er darauf käme, meinte er: "Weil Sie keine Schuhe anhaben!" In einer Großstadt hätte mich kaum ein Junge gefragt. Die Gegend um Wiehl ist aber ärmlicher, und hier wird Barfüßigkeit wohl noch eher mit Armut in Verbindung gebracht. Zu dem Zeitpunkt war es übrigens ca. 25°C warm und bewölkt

In Wiehl gibt es auch das Museum "Rad und Wagen" (östlich des Stadions), das jedoch nur am Samstagnachmittag geöffnet hat (Eintritt frei). Da ich zu dem Zeitpunkt anderswo war (Attendorn, Freudenberg, Hullbuche usw., was sicher interessanter war), war ein Besuch dieses Museums nicht möglich. Vermutlich wäre es auch barfuß interessant gewesen. Dann gibt es noch einen Aussichtsturm im Westen. Ich radelte bergauf bis zu der Stelle, wo der Asphalt endete, den Rest schritt ich zu Fuß. Teilweise angenehmer Waldboden, teilweise auch geschottert. Die eiserne Treppe im Turm ist vielleicht nicht gerade ideal für Leute, die zum ersten Mal barfuß laufen, aber was soll's.

Leider ist der Autoverkehr in der Stadt ein bißchen hoch. Um die Stadt zu entlasten, hat man eine Umgehungsstraße gebaut, diese überquert auf einer Brücke den Wiehlpark. Zwar beeinträchtigt diese Brücke die Gesamterscheinung des Parks ein wenig, bietet jedoch auch einen zusätzlichen Schutz vor Regen. Der Park wird vom Flüßchen Wiehl durchflossen, auch befindet sich ein See (mit Fontäne) dort drin. Auf angenehm barfuß begehbaren (und im Prinzip auch beradelbaren) Wegen ist es möglich, die Stadt ohne störenden Autoverkehr zu durchqueren, wobei Stichwege in die Altstadt an verschiedenen Stellen möglich sind.

Etliche Brücken gibt es in dem Park, Betonbrücken, die mit dem übrigen Wegenetz in Verbindung stehen, aber auch Holzbrücken unterschiedlichster Konstruktion. Eine gedeckte Holzbrücke erinnerte mich sehr an die Schweiz, noch interessanter fand ich eine "Kettenbrücke", über die jedoch nur ein Nebenweg führte. Sie besteht aus Holzplanken, die einzeln an Ketten aufgehängt sind. Die "Fahrbahn" führt auch nicht eben über das Gewässer, sondern hat zwei "Berge". Es ist also eine ziemlich wackelige Angelegenheit, diese Brücke zu überqueren. Ältere Erwachsene meiden sie daher, aber Kinder (und nicht selten auch deren Eltern) hatten einen Heidenspaß daran. Ich war übrigens der einzige, der sie barfuß überquerte. Ich kann mir vorstellen, daß durchaus die Gefahr besteht, daß man sich dabei die Zehen einklemmt. Mir passierte das zwar nicht. Trotzdem habe ich mir blamiert, als ich zum ersten Mal die Brücke überqueren wollte. Ich wollte nämlich auch mein Fahrrad hinüberschieben, dieses gelang mir nicht, ich scheiterte vor der Erhebung. Zurück ging auch nicht mehr, mein Rad war zu schwer. Erst als ich die vielen Gepäckstücke entfernt und einzeln an Land gebracht hatte, konnte ich auch mein Rad "befreien".

Im Park gibt es eine Minigolfanlage, einen Kiosk, einen riesigen Kinderspielplatz, einen Unterstand direkt am Radweg und einen überdachten Rastplatz mit Toilettenhäuschen. Prinzipiell ist das dichte Beisammensein von Rastplatz mit Feuerstelle und Kinderspielplatz ideal: Eltern können sich ausruhen und gleichzeitig die Kinder im Auge behalten. Nachteilig ist aber, daß solche Plätze auch Gesocks anzieht, was Flaschen zerdeppert und somit die Barfußfreundlichkeit erheblich beeinträchtigt. Am Freitagnachmittag waren etliche Mütter mit Kindern noch da, einige liefen auf dem Spielplatz barfuß, ein Mädchen und auch dessen Mutter auch auf den Wegen im Park. Am Abend aber füllte sich der Park mit Jugendlichen, den allerlei Getränke und sonstige Verpflegung anschleppten, sie sprachen kein deutsch untereinander. Um 22 Uhr war immer noch reichlich Betrieb, während zur selben Zeit auf dem oberen Unterstand ältere Männer (Penner?) etwas auf deutsch vor sich hinlallten.

Als ich am Samstagmorgen wieder dort vorbeifuhr, lagen oben massenweise Scherben, unten jedoch war es deutlich sauberer. Offensichtlich tragen ausländische Jugendliche mehr zur Ordnung bei als deutsche Besoffene. Trotzdem lagen auch unten einige Scherben. Unter der Umgehungsstraßenbrücke befindet sich eine Sandfläche zum Spielen, hier fand ich die Reste einer großen Weinflasche, die ich aufsammelte und in den Papierkorb warf. Als ich dort morgens saß, um mein Frühstück zu essen und abermals eine Scherbe erblickte, kam der "Op-Ticker" vorbei und sagte: "Gleich hier rein" und hielt einen Abfallsack auf. Er war koreanischer, vietnamesischer oder chinesischer usw. Abstammung und meinte in einem nicht ganz akzentfreiem, jedoch irgendwie sympathischen Ton: "Überall Scherben! Und dann noch hier im Sand! Die armen Kinder!" Als er dann noch am Papierkorb vorbeikam, um ihn zu entleeren und die vielen Scherben sah, fragte er mich: "Lagen diese Scherben etwa auch im Sand?" Als ich das bejahte, sagte er nur: "Vielen Dank!" Man merkte, dieser Mann konnte noch mitfühlen, obwohl er einen sicher nicht allzu gut bezahlten Job hatte. Ein Mitteleuropäer, der so einen Job hat, wäre sicher lustlos durch den Park gegangen.

Der Stadtparkreiniger sagte übrigens kein Wort zu meiner Barfüßigkeit. Das gleiche traf auch für einige alte Leute zu, die im Park spazieren gingen. Vielleicht sahen sie das nicht. Oder sie glaubten, ich hätte sie mal eben aufgezogen. Trotzdem wurde ich angesprochen, jedoch wegen meines vollbeladenen Fahrrades. Als ich denen erzählte, daß ich aus der Schweiz kam und in einer Woche die Strecke zurückgelegt hätte, staunten sie nur. Aber alle Reaktionen durchaus positiv. Vermutlich waren es Rentner, die früher selber hart arbeiten mußten, etwa im Bergbau. Reichtum war für die wohl ein Fremdwort.

Das Toilettenhäuschen war übrigens im tadellosen Zustand, nicht nur was Barfußtauglichkeit anbelangte. Es wurde auch kurz bevor ich es benutzte, gereinigt. Auch hatte ich die Möglichkeit, mich dort zu waschen und mir die Zähne zu putzen, was ja nicht immer möglich ist, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist und keine Hotels oder Campingplätze benutzt. So kam ich auch einigermaßen sauber zur Höhlenbesichtigung.

Ich hoffe, daß dieser Bericht trotz der Länge gelesen wird. Vielleicht interessant für Leute, die im Köln-Bonner Raum leben und einen Tagesauflug (mit Kindern) nach Wiehl machen wollen. Tropfsteinhöhle, Museum, Aussichtsturm, Park mit riesigem Spielplatz, vieles barfußfreundlich.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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