Barfuß-Artikel in StZ (Hobby? Barfuß! 2)
Heute gab es in der Stuttgarter Zeitung (Südwestdeutsche Zeitung) einen schönen Barfußartikel über einen unserer Forumsteilnehmer.
Grüße
Kai (einer der anderen)
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Artikel aus der Stuttgarter Zeitung - Stadtausgabe, Montag,
29. August 2005
Seite 7
Ausgabe: Nr.199
Südwestdeutsche Ztg.
Kai Hiltmann geht seit Jahrzehnten am liebsten ganz ohne Schuhe
Seine bloßen Füße empfinden manche als provozierend
NACHBARN
Von Ute Köhler
In letzter Sekunde, man hat schon geklingelt, schießt dem Besucher ein Gedanke durch den Kopf: Darf man hier überhaupt Schuhe tragen? Man darf. Auch wenn Kai Hiltmann barfuß - zur Zeit mit Gips - zur Tür gehumpelt kommt und der Rest der Familie auf nackten Sohlen geht: ¸¸Diese Wohnung ist ja nicht steril." Er fügt an: ¸¸Wenn Sie sich in Ihren Schuhen wohl fühlen, können Sie sie natürlich anlassen."
Die Reporterin schaut auf ihre Pumps und ist beschämt. Die Barfußläufer, zu deren weltweiter Gemeinschaft Kai Hiltmann gehört, sind unüberhörbar der Meinung, dass solches Schuhwerk dem menschlichen Wohlbefinden gar nicht zuträglich sein kann: ¸¸Mit Schuhen geht einem eine ganze Erlebniswelt verloren", sagt der 43-Jährige aus Villingen-Schwenningen. Er ist erstaunt über das Interesse, das die Umwelt an seinen bloßen Füßen zeigt: ¸¸Eigentlich ist das doch der Normalzustand." Schließlich trage der Mensch auch Handschuhe nur, um sich vor Kälte oder vor Verletzungen zu schützen. Wer zudem einmal Ohrenschützer getragen habe, um Lärmschäden zu vermeiden, der wisse, wie abgeschnitten von der Umwelt man sich damit fühle.
Kai Hiltmann hat sein heutiges Leben als Barfüßler schrittweise erreicht. Als Teenager mochte er es zwar, ohne Schuhe über Wiesen zu laufen, vergaß die ganze Sache dann aber einfach. Erst mit 20, als Student, hat er wieder angefangen, barfuß zu gehen - erst nur den Weg zur Uni, dann immer länger. Heute sitzt der Ingenieur auch mit nackten Füßen an seinem Arbeitsplatz: ¸¸Das wird toleriert", sagt er. Der frühere Chef habe die Marotte nicht gemocht; der jetzige duldet sie. Zumal man im Unternehmen weiß: ¸¸Wenn ich mit Kunden zu tun habe, dann trete ich denen natürlich korrekt gekleidet und mit Schuhen gegenüber."
Hiltmanns Frau Nadija und Sohn Jonas teilen die Liebe zur zwanglosen Fortbewegung, sind aber nicht so festgelegt. Nadija, die aus einem Dorf stammt und von sich sagt, sie sei schon barfuß gegangen, als sie das Wort noch gar nicht buchstabieren konnte, entscheidet nach Tageslaune, ob sie Schuhe anzieht oder nicht. Der achtjährige Jonas, der neuerdings auch schon Reporterfragen beantworten muss, hat offensichtlich noch keine durchgängige Linie gefunden. Was ihm aber auf jeden Fall gefällt: Wenn er ohne Schuhe geht, kann er mit seinem Freund zusammen hinter der Ecke auf die Kameraden warten und sie ¸¸mit den Socken bombardieren".
Ein Blick ins Internet zeigt, wie groß weltweit die Gemeinde der Barfußläufer ist. Da werden gemeinsame Wanderungen organisiert, Tipps ausgetauscht und vor Verletzungsgefahren gewarnt. Aber auf seine Füße zu achten, das lernt ein Barfüßler mit der Zeit ganz von selbst, sagt Kai Hiltmann. Er erzählt von einer Kollegin, die im Urlaub in einem Bach in eine Scherbe getreten ist: ¸¸Das würde einem Barfußläufer nie passieren." Denn da gelte die Regel: Tritt nie irgendwohin, wo du den Untergrund nicht sehen kannst. Seinen gebrochenen Fuß hat sich Hiltmann übrigens beim Beachvolleyballspielen geholt: ¸¸Aber das wäre mit Schuh genauso passiert", glaubt er.
Wer ohne Schuhe reist wie die Familie Hiltmann, der kann auch Erfahrungen mit der Toleranz machen. In der Schweiz zum Beispiel, hat der 43-Jährige erfahren, wird Barfußlaufen als Traditionspflege ausgelegt. Anderswo empfindet man es eher als provozierend. In Südtirol hätte ihn ein italienischer Museumswärter ums Haar nicht zum Ötzi gelassen: ¸¸Die Italiener mögen das nicht", sagt Hiltmann, und auch von den Franzosen hört man Skeptisches. Bei einem USA-Trip hat der Villinger überdies am eigenen Leib bestätigt bekommen, was amerikanische Barfüßler im Internet über die Stimmung vor Ort berichten. Als Kai Hiltmann barfuß in eine Buchhandlung kam, um für einen größeren Betrag Bücher einzukaufen, ist er ohne Federlesen rausgeschmissen worden: ¸¸Die Buchhändlerin hat noch zu mir gesagt: Wenn Sie darüber diskutieren wollen, hole ich gleich die Polizei." Seine Dollars hat er damals anderswo ausgegeben.
Fünf Millimeter dick ist die Hornhaut, die sich im Laufe der Jahre unter Hiltmanns überaus gepflegten Füßen gebildet hat: ¸¸Mehr wird es auch nicht", meint er, schließlich bleibe ja auch der Tastsinn erhalten. Am Anfang musste er sich allerdings ein bisschen einlaufen, um die Füße zu stabilisieren: ¸¸Nach den ersten Tagen hatte ich Muskelkater an Stellen, von denen ich gar nicht wusste, dass man dort welchen kriegen kann." Anschließend aber geht man besser ohne Schuhe, meint Hiltmann, körpergerechter: ¸¸Nicht umsonst sagen auch Sportschuhhersteller: Der beste Schuh ist nicht so gut wie ohne Schuhe zu gehen."
Nur barfuß Auto fahren könnte theoretisch ein Problem sein, denn die Straßenverkehrsordnung verlangt geeignetes Schuhwerk. Aber: ¸¸Plateausohlen und hochhackige Schuhe sind sicher kein geeignetes Schuhwerk", sagt dazu der Barfüßler und versucht höflich, nicht nach unten auf die Slingpumps der Reporterin zu schauen. Im Übrigen habe die Rechtsabteilung des ADAC den Barfußfahrern eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt: Gelegentlich praktiziert sei das ganz unbedenklich. Weniger konziliant hat sich übrigens Hiltmanns Arzt gezeigt: ¸¸Der hat mich gewarnt, ohne Schuhe durch den Schwarzwald zu wandern, weil ich mir da angeblich den Fuchsbandwurm einfangen könnte." Wenn das funktionierte, könnte man die Geschichte des Fuchsbandwurms neu schreiben.
www.hobby-barfuss.de, www.barefoot.org
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