Berufliche und gesellschaftliche Stellung (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 29.08.2005, 15:17 (vor 7033 Tagen) @ Pedro

Hallo Pedro!

Auch ich möchte hier etwas beisteuern.

Beruflicher Aspekt:
Man muß einmal unterscheiden zwischen selbständig und angestellt. Beim Angestellten hängt es von der Hierarchie ab. Wenn man "einfacher" Angestellter oder Arbeiter ist, dann interessiert es den Vorgesetzten absolut nicht, was man in der Freizeit macht, solange die Arbeit nicht darunter leidet. Im mittleren Kader sieht es schon anders aus, da darf man sich auch nicht in der Freizeit "daneben" benehmen. Und für manch einen erzkonservativen Chef bedeutet barfuß laufen auch dazu. In Unternehmen, in denen der Kunde irgend anonymes Unternehmen mit Sitz ganz woanders ist, sieht es auch anders aus als wenn der Kunde ein im selben Ort lebender Einzelmensch ist. Mit anderen Worten: Bei gleicher Hierarchiestufe stößt ein Mitarbeiter in einem Industrieunternehmen weniger leicht auf Schwierigkeiten bzl. barfuß wie ein Bank- oder Versicherungsmitarbeiter der einzigen Filiale in einer Kleinstadt. Jedoch kann barfuß in der Freizeit bedeuten, daß man bei gleicher Leistung weniger leicht befördert wird oder bei einem unumgänglichen Stellenabbau "bevorzugt" behandelt wird.. Nur: In solchen Situationen spielen auch andere Freizeitbeschäftigungen oder bloße Sympathie eine Rolle, speziell dann, wenn man die Leistung der einzelnen Mitarbeiter nicht einfach bestimmen kann.

Ich arbeite in einem unternehmen, in dem ich am Arbeitsplatz aus Sicherheitsgründen nicht barfuß laufen darf und keine kurze Hose tragen darf, jedoch kümmert es keinen, was ich in der Freizeit mache. Zwar laufe ich erst seit gut 2 Jahren barfuß, jedoch auch ohne das war ich vorher schon ein ziemlich "schräger Siech" (aus Überzeugung ohne Lebenspartner, gerne mit dem Fahrrad unterwegs, Übernachtungen im Freien, eher geizig als verschwenderisch, kein Vereinsmeier). Alles Dinge, die ich mit meinem jetzigen Beruf vereinbaren kann. Wäre ich in einer höheren Hierarchie, wäre ich häufiger unterwegs, aber nicht alleine, sondern mit anderen. ich wäre also mehr Stunden am Tag an meine Dienstkleidung gefesselt.

Am meisten Probleme mit Barfuß in der Freizeit hat man (zumindest als Mann) auf der "Zweiten Führungsebene", zumindest wenn der oberste Boß ein Barfußfeind ist. Denn hier gilt der Satz von Vesa Local:

"Und "dort oben" ist die "Luft sehr dünn", je weniger Gleichrangige in der Hierarchie es gibt, desto mehr Neider wird man finden, denen jedes Mittel recht ist, einen Konkurrenten abzusägen, sobald er gegen die "ungeschrieben Gesetze" verstößt."

Wie sieht es mit Selbstständigen aus? Wer selbstständig ist und Mitarbeiter hat, könnte vielleicht von einem Mitinhaber abgesägt werden. Aber auch als Selbständiger ohne Mitarbeiter kann man auf Schwierigkeiten mit barfüßiger Freizeitgestaltung stoßen. Als Sänger, Maler usw. hat man es einfacher als als Zahnarzt, Makler, Notar usw. Als "Monopolist" kann man sich auch mehr erlauben als in einem Beruf, in dem die Konkurrenz groß ist. Als Patient kann man meistens nicht beurteilen, ob etwa ein Zahnarzt gut ist oder nicht. Also werden "Pseudoargumente" vorgebracht. Und barfuß in der Freizeit gehört dazu. Also glaubt man, der Zahnarzt wäre schlechter. Bei Maklern und Notaren ist der Fall noch krasser. Zum Zahnarzt muß jeder, egal ob arm oder reich, mit Maklern und Notaren haben überwiegend reiche Leute zu tun. Und da reiche Leute meist eher barfußfeindlich eingestellt sind (ohne es jedoch laut zu sagen), werden diese bevorzugt einen Notar oder Makler aufsuchen, der "seriös" ist, soll heißen, auch in der Freizeit Anzug, Krawatte und selbstverständlich Schuhe trägt.

Gesellschaftlicher Aspekt:
Hier in der Schweiz kennt man mich eigentlich so wie ich bin, meine Barfüßigkeit war eigentlich nur eine Vervollständigung meines Wesens. Dort, wo ich herkam, weiß man vermutlich nichts darüber. Meinen Eltern ist es peinlich, und vermutlich werden sie das Thema barfuß gegenüber anderen Leuten, die mich in grauer Vorzeit mal gekannt haben und viel von mir gehalten haben, niemals ansprechen, aus Angst, diese Leute würden enttäuscht sein. Aber damit kann ich leben. Eigentlich vermisse ich niemanden, den ich in meiner Heimat zurückgelassen habe.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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