Barfuss in Paris (Hobby? Barfuß! 2)

aquajeans, Friday, 26.08.2005, 17:37 (vor 7036 Tagen)

Hallo liebes Forum,

Hatte gestern morgen beruflich in Paris zu tun, Krawatte und Anzug-Auftritt.

Nach Abschluss der Versammlung ging ich zu meinem Auto, geparkt in der Nähe des Sacré Coeur, tauschte Anzug mit Krawatte gegen lockere Kleidung und zog in Jeans und T-Shirtlos, um den sonnigen Nachmittag in Paris zu geniessen. Die Schuhe steckte ich in den Rucksack und ging barfuss über die Boulevards in Richtung Halles und Cité.

Auf halbem Weg begann es urplötzlich wie aus Eimern zu schütten, und ich war in wenigen Sekunden klitschnass, und hatte auch gar keine Lust, mich irgendwo unterzustellen.

Auf der Ile de la Cité ging ich am Quai des Orfèvres vorbei (Hauptquartier der Pariser Polizei), mehrere Polizeiautos fuhren vorbei,bewaffnete Wachen an den Eingängen aber ich wurde wie erwartet weder verhaftet oder nach dem Ausweis gefragt. Michael, versuch's mal in Paris ! Aber Dich verhaftet man vielleicht trotzdem.

Dann zurück über den Pont des Arts, laut französischen Barfussforum Treffpunkt der Pariser Barfüsser (habe aber keinen gesehen), durch
den Innenhof des Louvre, in die Metro und zurück zum Auto.

Es war genauso wie im Lied von Michael Holm, barfuss im Regen. Ein Traum.

Ein Traum, den ich mir in der Anonymität einer fremden Grossstadt leisten konnte. Etwas, das ich mir in meiner Heimatstadt, wo man mich kennt, NIE erlauben könnte, ohne meine berufliche und gesellschaftliche Stellung, die ich mir in 20 Jahren mühsam erarbeitet habe, zu gefährden. Schade, aber dem ist so.

Aber schön wars trotzdem.

Bis bald

Aquajeans

Barfuss in Paris

JNN, Friday, 26.08.2005, 18:50 (vor 7036 Tagen) @ aquajeans

Ein Traum, den ich mir in der Anonymität einer fremden Grossstadt leisten konnte. Etwas, das ich mir in meiner Heimatstadt, wo man mich kennt, NIE erlauben könnte, ohne meine berufliche und gesellschaftliche Stellung, die ich mir in 20 Jahren mühsam erarbeitet habe, zu gefährden. Schade, aber dem ist so.

Das ist ja 'ne krasse Aussage! Würde man dich gesellschaftlich ausschließen, nur weil du barfuß läufst? Beruflich kann ich das schon irgendwie nachvollziehen (wäre bei mir auch heikel), aber gesellschaftlich? Leben da so viele Kleingeister, die sich an nackten Füßen stören und dich, wie auch immer benachteiligen würden? Das ist ja echt dramatisch!

NN

Barfuss in Paris

Micha, Friday, 26.08.2005, 19:55 (vor 7036 Tagen) @ aquajeans

Etwas, das ich mir in meiner Heimatstadt, wo man mich kennt, NIE erlauben könnte, ohne meine berufliche und gesellschaftliche Stellung, die ich mir in 20 Jahren mühsam erarbeitet habe, zu gefährden. Schade, aber dem ist so.

Finde ich traurig. Wozu dient denn (d)eine berufliche und gesellschaftliche Stellung, wenn man nicht leben kann, wie man ist ....

Gruß Micha

Berufliche und gesellschaftliche Stellung

Vesa Local, Friday, 26.08.2005, 20:35 (vor 7036 Tagen) @ Micha

Hi!

Etwas, das ich mir in meiner Heimatstadt, wo man mich kennt, NIE erlauben könnte, ohne meine berufliche und gesellschaftliche Stellung, die ich mir in 20 Jahren mühsam erarbeitet habe, zu gefährden. Schade, aber dem ist so.
Finde ich traurig. Wozu dient denn (d)eine berufliche und gesellschaftliche Stellung, wenn man nicht leben kann, wie man ist ....
Gruß Micha

In 20 Jahren kann man es weit nach oben bringen. Selbstverständlich muß man sich dann auch mit "seinesgleichen" beschäftigen - nicht nur in der Dienstzeit, sondern auch in der Freizeit.
--> Gesellschaftlicher Aspekt.

Und "dort oben" ist die "Luft sehr dünn", je weniger Gleichrangige in der Hirarchie es gibt, desto mehr Neider wird man finden, denen jedes Mittel recht ist, einen Konkurrenten abzusägen, sobald er gegen die "ungeschrieben Gesetze" verstößt.
--> Beruflicher Aspekt.

Beruflich abgesägt zu werden, kann ich mir nicht vorstellen, wenn ich meinem Chef in meiner Freizeit in der Stadt barfuß über den Weg laufe.

Wenn Mitarbeiter allerdings mit Kunden unterwegs sind und es dann zu einer Begegnung kommen sollte, sind wir hoffentlich beiderseitig geistesgegenwärtig genug, den Kunden nichts von unserer beruflichen Zusammengehörigkeit merken zu lassen. Wenn es sich um einen "Konservativen" handelt, wird das Image leiden, und das habe dann mit Sicherheit ich auszubaden.
"Freiheit in der Freizeit" hin oder her. Leider.

Grüße
Vesa Local

Berufliche und gesellschaftliche Stellung

Micha, Friday, 26.08.2005, 21:07 (vor 7035 Tagen) @ Vesa Local

Danke für deine Erklärung. Für mich ist das Leben nur lebenswert, wenn ich der sein kann der ich bin, und nicht darauf schauen muß wer, was, wie über mich denkt/denken könnte. Und aus deinem 'leider' schließe ich, dass es dir so auch nicht unbedingt gefällt ...

Viele Grüße, Micha

Berufliche und gesellschaftliche Stellung

Pedro, Stammposter, Saturday, 27.08.2005, 00:16 (vor 7035 Tagen) @ Vesa Local

Etwas, das ich mir in meiner Heimatstadt, wo man mich kennt, NIE erlauben könnte, ohne meine berufliche und gesellschaftliche Stellung, die ich mir in 20 Jahren mühsam erarbeitet habe, zu gefährden. Schade, aber dem ist so.

Hallo Aquajeans und alle!

Berufliche Stellung: Da davon ja die materielle Lebensgrundlage abhängt, muss man ggf. in Sachen barfuß Kompromisse machen.

Gesellschaftliche Stellung: Die war mir früher nie besonders wichtig, aber seit ich Kinder habe ist sie mir plötzlich wichtig geworden. Kompromisse in Sachen barfuß mache ich dennoch kaum.

Und das hat folgenden Grund: Je höher die berufliche und gesellschaftliche Stellung, desto mehr werden persönliche Lebensstile akzeptiert. Ich habe nicht den Eindruck, dass meine Barfußigkeit meiner gesellschaftlichen Stellung je Abbruch getan hätte. Und was den Beruf betrifft: Es gibt sicherlich Berufe, bei denen es nicht geht. Aber es sind weniger als man denkt. Ich z.B. habe mir viele Jahre eingebildet, dass ich im Beruf nicht barfuß laufen könnte - bis ich es dann einfach getan habe. Und siehe da, es hat meiner beruflichen Stellung nicht geschadet.

Wünsche Euch ein schönes barfüßiges Wochenende
Pedro

Berufliche und gesellschaftliche Stellung

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 29.08.2005, 15:17 (vor 7033 Tagen) @ Pedro

Hallo Pedro!

Auch ich möchte hier etwas beisteuern.

Beruflicher Aspekt:
Man muß einmal unterscheiden zwischen selbständig und angestellt. Beim Angestellten hängt es von der Hierarchie ab. Wenn man "einfacher" Angestellter oder Arbeiter ist, dann interessiert es den Vorgesetzten absolut nicht, was man in der Freizeit macht, solange die Arbeit nicht darunter leidet. Im mittleren Kader sieht es schon anders aus, da darf man sich auch nicht in der Freizeit "daneben" benehmen. Und für manch einen erzkonservativen Chef bedeutet barfuß laufen auch dazu. In Unternehmen, in denen der Kunde irgend anonymes Unternehmen mit Sitz ganz woanders ist, sieht es auch anders aus als wenn der Kunde ein im selben Ort lebender Einzelmensch ist. Mit anderen Worten: Bei gleicher Hierarchiestufe stößt ein Mitarbeiter in einem Industrieunternehmen weniger leicht auf Schwierigkeiten bzl. barfuß wie ein Bank- oder Versicherungsmitarbeiter der einzigen Filiale in einer Kleinstadt. Jedoch kann barfuß in der Freizeit bedeuten, daß man bei gleicher Leistung weniger leicht befördert wird oder bei einem unumgänglichen Stellenabbau "bevorzugt" behandelt wird.. Nur: In solchen Situationen spielen auch andere Freizeitbeschäftigungen oder bloße Sympathie eine Rolle, speziell dann, wenn man die Leistung der einzelnen Mitarbeiter nicht einfach bestimmen kann.

Ich arbeite in einem unternehmen, in dem ich am Arbeitsplatz aus Sicherheitsgründen nicht barfuß laufen darf und keine kurze Hose tragen darf, jedoch kümmert es keinen, was ich in der Freizeit mache. Zwar laufe ich erst seit gut 2 Jahren barfuß, jedoch auch ohne das war ich vorher schon ein ziemlich "schräger Siech" (aus Überzeugung ohne Lebenspartner, gerne mit dem Fahrrad unterwegs, Übernachtungen im Freien, eher geizig als verschwenderisch, kein Vereinsmeier). Alles Dinge, die ich mit meinem jetzigen Beruf vereinbaren kann. Wäre ich in einer höheren Hierarchie, wäre ich häufiger unterwegs, aber nicht alleine, sondern mit anderen. ich wäre also mehr Stunden am Tag an meine Dienstkleidung gefesselt.

Am meisten Probleme mit Barfuß in der Freizeit hat man (zumindest als Mann) auf der "Zweiten Führungsebene", zumindest wenn der oberste Boß ein Barfußfeind ist. Denn hier gilt der Satz von Vesa Local:

"Und "dort oben" ist die "Luft sehr dünn", je weniger Gleichrangige in der Hierarchie es gibt, desto mehr Neider wird man finden, denen jedes Mittel recht ist, einen Konkurrenten abzusägen, sobald er gegen die "ungeschrieben Gesetze" verstößt."

Wie sieht es mit Selbstständigen aus? Wer selbstständig ist und Mitarbeiter hat, könnte vielleicht von einem Mitinhaber abgesägt werden. Aber auch als Selbständiger ohne Mitarbeiter kann man auf Schwierigkeiten mit barfüßiger Freizeitgestaltung stoßen. Als Sänger, Maler usw. hat man es einfacher als als Zahnarzt, Makler, Notar usw. Als "Monopolist" kann man sich auch mehr erlauben als in einem Beruf, in dem die Konkurrenz groß ist. Als Patient kann man meistens nicht beurteilen, ob etwa ein Zahnarzt gut ist oder nicht. Also werden "Pseudoargumente" vorgebracht. Und barfuß in der Freizeit gehört dazu. Also glaubt man, der Zahnarzt wäre schlechter. Bei Maklern und Notaren ist der Fall noch krasser. Zum Zahnarzt muß jeder, egal ob arm oder reich, mit Maklern und Notaren haben überwiegend reiche Leute zu tun. Und da reiche Leute meist eher barfußfeindlich eingestellt sind (ohne es jedoch laut zu sagen), werden diese bevorzugt einen Notar oder Makler aufsuchen, der "seriös" ist, soll heißen, auch in der Freizeit Anzug, Krawatte und selbstverständlich Schuhe trägt.

Gesellschaftlicher Aspekt:
Hier in der Schweiz kennt man mich eigentlich so wie ich bin, meine Barfüßigkeit war eigentlich nur eine Vervollständigung meines Wesens. Dort, wo ich herkam, weiß man vermutlich nichts darüber. Meinen Eltern ist es peinlich, und vermutlich werden sie das Thema barfuß gegenüber anderen Leuten, die mich in grauer Vorzeit mal gekannt haben und viel von mir gehalten haben, niemals ansprechen, aus Angst, diese Leute würden enttäuscht sein. Aber damit kann ich leben. Eigentlich vermisse ich niemanden, den ich in meiner Heimat zurückgelassen habe.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Berufliche und gesellschaftliche Stellung

Pedro, Stammposter, Monday, 29.08.2005, 22:53 (vor 7032 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

ich sehe das nicht so dramatisch. Unternehmen pflegen nach simplen finanziellen Gesichtspunkten zu entscheiden. Einen bewährten Mitarbeiter mit seinem gesamten know-how zu entlassen und durch einen unerfahrenen Neuling zu ersetzen, ist eine sehr teure Angelegenheit. Ein bisschen barfuß zu tolerieren, kommt da viel billiger. Wenn man also beruflich so weit gekommen ist, dass einen das Unternehmen unbedingt halten will, hat ein Stück Narrenfreiheit begonnen. Und ich kann nur alle dazu ermuntern, von dieser Narrenfreiheit auch Gebrauch zu machen.

Herzliche Barfuß-Grüße
Pedro

Phantastisch, mein lieber 'aquajeans',

Ken @, Tuesday, 30.08.2005, 13:28 (vor 7032 Tagen) @ aquajeans

ich liebe Paris auch sehr und war in den letzten 19 Jahren ungefähr so 14 mal da. Aber ich traue mich auch nicht, zuhause barfuß zu laufen , obwohl ich es so gerne würde und es am liebsten überall praktizieren würde! Und - Du kannst mir glauben - in meiner Traumstadt Paris wäre es für mich noch um ein Vielfaches schöner. In der Stadt, in der ich studiert habe, gab es ziemlich viele Barfußläufer, ich habe es dort aber leider relativ selten und (im Nachhinein betrachtet) zu wenig gemacht. Ich bin zwar dann und wann mal, meistens im Dunkeln durch ein paar Straßen barfuß nach Hause gegangen, aber allein das hat mir dann einen dermaßenen Thrill gegeben, wenn ich gesehen wurde, dass ich barfuß war, dass ich davon heute noch zehre. Ich denke, es könnte für uns beide sehr interessant werden, wenn wir mal unsere Erfahrungen austauschen würden. Solche Leute sind nicht oft zu treffen, obwohl ich heute zum ersten Mal nach etwa vier Jahren wieder auf dieser Homepage bin.
Jetzt mache ich mich auf den Weg an den Baggersee. Ich werde Jesus-Sandalen anziehen, die ich sofort in der Tasche verschwinden lasse, sobald ich aus meiner Stadt bin. Dann gibt es nur noch eins: BARFUSS!
Zur Info: Bin 35 und liebe Frauen, die z.B. mit Flip-Flops durch die Gegend laufen. Oder barfuß natürlich. ;-)

Gruß

Ken

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