Ist der Deutsche an sich ausgeprägt fußfröstelig? (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo zusammen,
während meines Berlin - Aufenthalts habe ich so gut wie niemanden barfuß gesehen (zwei Kinder und eine junge Frau, bei der ich mir aber nicht sicher bin, sind mir in sieben Tagen aufgefallen). An den "mäßig waren Tagen" trugen über 99,5% der Leute geschlossene Schuhe, aber durchaus einige T-Shirts o. ä., als ob die Füße die kälteempfindlichsten Körperteile wären.
Und wenn ich Sandalenträgern näher kam, dann sprachen sie garantiert englisch oder spanisch.
Diese Touristen sind sicher nicht typisch für die Bevölkerung ihrer Heimatländer, das gleiche Phänomen ist mir in Köln zumindest aber auch aufgefallen. Deshalb die Frage vom Titel: Ist der Deutsche an sich ausgeprägt fußfröstelig?
Serfuß
Georg
Das glaube ich nicht, weil wann er im Urlaub ist traegt er meistens Sandalen oder Flipflops und vor allem einen kurzen Hosen,auch bei nur 15 Grad.Das habe ich allerdings festgestellt da ich in einer Gegend wohne wo viele deutsche ihren Ferien verbringen.
Warum sie es offentbar zuhause dan nicht oder weniger machen ist mir ein Raetsel.
Gruessen,
Kees aus Holland
Hallo Georg und Kees,
Nö, der Deutsche ist wohl nicht fußfröstelig.
Da kommen vermutlich eine Menge Dinge zusammen, warum er dieses dort tut und dieses hier läßt, was man in einem Satz sicher nicht beantworten kann. Ich habe mir da auch schon meine Gedanken gemacht:
Niedrige Temperaturen im Sommer sind meist mit Schauer- bzw. Regenwetter verbunden. Statt sich nasse Füße und Socken im heimischen Terrain zu holen, geht man lieber beschuht. Was die Leute im Ausland tun, kann man mit heimischem Verhalten vielleicht nicht vergleichen. Das Umfeld ist dort anonymer, die Leute trauen sich mehr.
Warum nicht gleich überall barfuß, in den Medien kommt es doch rüber, das es gesund ist? Das sind wohl gesellschaftliche Normen, denen sich die breite Masse einfach fügt, weil sich die Leute sonst ausgegrenzt fühlen. Mir ist aufgefallen, wie viele junge Frauen auf der Straße rauchen. Rauchen ist ja bekanntlich eine gesundheitsgefährdende Sucht, genauso wie übermäßiger Alkoholgenuß. Tauscht jetzt mal gedanklich die Zigaretten in der Hand dieser Frauen durch eine Flasche Bier aus, das wäre doch ein gesellschaftlicher Skandal, eine Stigmatisierung ohnegleichen, obwohl hier nur das eine durch das andere Suchtmittel ersetzt würde.
Statussymbolik und Mode: Markenschuhe gelten genauso als Statussymbole, wie alle anderen Markenklamotten, Markenuhren, teure Autos, etc. Wer seine teuren Schuhe auszieht, kann niemanden mehr damit beeindrucken, das gesamte Outfit passt vielleicht nicht mehr, da lässt man es lieber gleich ganz. Ich habe jüngst einen Menschen ziemlich aggressiv gemacht, weil ich sein Faible für teure Uhren nicht nachvollziehen kann, es ist für mich ja nur ein Zeitmesser. Wenn man dann zum barfußlaufen sagt "ich brauche keine Schuhe", "Schuhe sind Fußkrücken", "ich kann es es mir leisten, meine Schuhe zu Hause zu lassen", dann entwertet man Leute, denen diese Statussymbole und/oder gesellschaftliche Akzeptanz wichtig sind. Mittlerweile weiß ich selbst: In Schuhen laufen ist i.d.R. ein Scheiß, aber ich trage diese Erkenntnis nicht in die Welt hinaus, weil jeder Mensch einen Kopf mit ausreichend Gehirn hat und sich seine eigenen Gedanken zur Selbstverwirklichung machen kann.
Nicht zu übergehen, das ästhetische Empfinden. Wer sich selbst körperlich nicht mag, wird vermutlich nicht der Allgemeinheit seine Füße nackt präsentieren. Dazu gehört viel Selbstbewusstsein.
Ängste: Berührt der jahrzehntelang gut eingepackte und untrainierte Fuß zum erstenmal steinigen Boden, dann piekst es und es tut weh. Oder man läuft über Gras und Klee und eine Biene sticht. Oder Scherben auf einem Waldparklatz, von wo aus man es einmal probieren wollte. Und dann wird es auch noch kalt und man hat Angst sich zu erkälten. Nene, sagt sich da der ängstliche Mensch und packt seine Füße wieder schön ein und wartet auf die nächste Freibadsaison, wo die Füße wieder unbedeckt laufen dürfen.
Das waren nur mal so einige Gedanken, vielleicht fällt anderen auch noch etwas ein.
Zwei Literaturhinweise hätte ich noch, vermutlich aber nur noch antiquarisch zu erhalten:
1. Desmond Morris, "Körpersignale: Vom Dekolleté zum Zeh", Heyne 1986, mit ca. 20 Seiten über die Füße, etwa nochmal soviel über Beine, die gehören ja dazu.
2. Peter Lauster, "Statussymbole - Wie jeder jeden beeindrucken will", dtv 1977. Soweit ich mich erinnere, nichts über barfuß, aber zum Verständnis der Problematik.
Gruß,
A. (zufrieden barfüßelnd und mittlerweile gänzlich ohne Rückenschmerzen)