Bauarbeiter, Scherben und barfuß (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 11.07.2005, 13:43 (vor 7018 Tagen) @ Andi35

Hallo Andi!

Andi:
Ja, obgleich ich auch das schon nicht verstehen kann, dass sie die Flaschen dort überhaupt liegen lassen, denn es besteht ja die Gefahr, dass sie kaputt gehen und außerdem ist es für die Bauarbeiter ja auch Geld, das sie hart verdienen müssen!
Es macht auch einfach einen schlechten Eindruck auf das Gesamtbild eines Arbeiters, wenn er überall seine Flaschen herum liegen lässt, zumal es sich dabei meist sogar noch um Bierflaschen handelt, also um Alkohol!

Michael:
Zum Thema "Bauarbeiter und Flaschen" möchte ich auch was sagen: Mein Vater (eigentlich gelernter Schuhmacher) hat die meiste Zeit auf dem Bau gearbeitet (Nach dem Krieg lag Deutschland in Trümmern und man konnte als Bauarbeiter mehr verdienen als als Schuhmacher, wobei Barfüßigkeit aus Armut gar nicht mal der Grund war). Mein Vater arbeitete als Kranführer auf einer Baustelle in der Hamburger Innenstadt. Eine Maurerkolonne war auch auf der Baustelle. Die Maurer verstanden hier Handwerk, jedoch noch mehr vom Saufen. Pro Maurer und Arbeitstage waren 3 Liter Bier die Regel, das Bier wurde in Pfandflaschen gekauft. Die Maurer waren sich aber zu schade, die leeren Flaschen wieder in den Laden zu bringen also ließen sie sie einfach auf der Baustelle stehen. Jede Bitte, die Flaschen zu entfernen, fruchtete nicht.
Schließlich wurde es dem Kalfaktor (ein Jugoslawe, der eigentlich ein feiner Kerl war, aber später einmal Ärger mit einem Bauführer bekam, weil er im Hochsommer beim Ausfegen die Arbeitsstiefel ausgezogen hatte und barfuß war) zu bunt. Er tat das, was Markus auch tat: Er sammelte die Pfandflaschen nach Feierabend ein und löste das Pfand im Laden ein. Die Maurer merkten zwar, daß die Flaschen verschwanden, aber sie störte es nicht. Bis schließlich ein Maurer zufällig Zeuge wurde, wie der Kalfaktor "ihre" leeren Flaschen verkaufte. Das war zwar zu viel. Zwar waren die Maurer derartige "Stars", daß sie es nicht nötig hatten, das Pfandgeld zu bekommen, aber einem anderen, noch dazu einem Ausländer, gönnten sie das Geld auch nicht. Von da ab wurden die Pfandflaschen auf der Baustelle zerdeppert. Als der Bauführer dieses sah, verbot er es den Maurern mit der Begründung, Scherben könnten in den Beton gelangen und ER könnte wegen Baumängeln zur Verantwortung gezogen werden. Von da ab zerdepperten die Maurer die Pfandflaschen VOR der Baustelle auf dem Trottoir. Der Bauführer schritt diesmal nicht ein, auch nicht, als mein Vater sich bei ihm über die Maurer beschwerte.

Was lernen wir daraus? Man darf nicht alle Leute, die auf dem Bau arbeiten, über einen Kamm scheren. Die "Starmaurer" erwiesen sich als typische Proleten. Der Bauführer dachte nur im Sinne der Firma und die Schwierigkeiten, die er bekommen konnte. Was außerhalb der Baustelle geschah, interessierte ihn nicht. Ihm war es völlig schnurz, daß Radfahrer vor der Baustelle einen Platten bekommen konnten oder Kinder, die vielleicht barfuß vom nahen Spielplatz an der Baustelle vorbei kamen, sich verletzten konnte. Der Kalfaktor (er hatte selber kleine Kinder, die im Garten gerne barfuß liefen) handelte im Sinne der Firma, der Allgemeinheit UND im eigenen Interesse. Manches Mal hat er nach Feierabend noch die Straße vor der Baustelle gefegt (während der Arbeitszeit durfte er es nicht, weil er zu "wichtigeren" Dingen benötigt wurde). Und mein Vater? Er stand voll auf der Seite des Kalfaktors. Nur das Barfußlaufen auf der Baustelle, und wenn es nur eine neu geschüttete Betondecke war und die Arbeitsschuhe immer in Reichweite waren, konnte er als gelernter Schuhmacher nicht tolerieren.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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