Eine "hysterische Zwetschge" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Wednesday, 15.06.2005, 07:54 (vor 7044 Tagen)

So ein Kundenbesuch in der Firma ist anstrengend, auch wenn er nur zwei Tage dauert. Noch anstrengender ist ein ca. dreiwöchiger Elternbesuch bei mir in der Schweiz. Und wenn beides auch noch nahe beieinander liegt, kann das doch zusätzliche Umtriebe bedeuten. In diesem Fall bedeutete es: Nicht allzu haltbare Lebensmittel, die ich wegen des Elternbesuches benötige, konnte ich nicht vor dem Kundenbesuch einkaufen. Andererseits war die Menge zu groß, um sie zwischen Kunden- und Elternbesuch "nebenbei" in der Mittagspause einkaufen zu können. Oder kurz gesagt: Ich mußte gestern nach der Arbeit extra von zu Hause noch einmal mit dem Fahrrad zum Einkaufen fahren, mit zwei Packtaschen und einer weiteren Tasche.

Es war ca. 19°C und stark bewölkt. Vorher hatte es geregnet, es sah so aus, als könnte es wieder anfangen. Auf den Straßen waren Pfützen. Also tat ich das, was ich in solchen Situationen immer tun würde: Dienstkleidung in die Ecke pfeffern und in nicht übermäßig winterlicher Kleidung und selbstverständlich barfuß losradeln. Mit empfindlicher Kleidung hätte ich Schlangenlinien um die Pfützen fahren müssen, um ja nichts zu vermohren. Nun aber konnte ich "geradeaus" fahren, da nicht die geringste Gefahr bestand, daß ich mir nasse Schuhe oder Hosen holte. Daß ich trotzdem Schlangenlinien fuhr, um die Pfützenfahrt noch zu intensivieren, sei nur am Rande erwähnt. Vom Fahrrad jedenfalls wurde der Dreck abgewaschen. Auch die Fußsohlen wären sauber geworden, wenn sie es nicht schon gewesen wären (durch Tragen von Halbschuhen und Socken während der Arbeit werden die Füße "leider" nicht dreckig).

Mein erster Laden war Denner. Wie wenn nichts wäre, holte ich mir die Einkaufskarre und schob los. Eine Verkäuferin (die mich vermutlich nur in Dienstkleidung kannte), rief mir hinterher: "Hallo, passen Sie auf! Da könnten Scherben liegen." Dann hörte ich ein Getuschel hinter Regalen (vermutlich mit einer anderen Verkäuferin), dann ein Lachen. Im Laden fand ich das, was ich wollte, aber keine Scherben. In jeder Badeanstalt liegen mehr Scherben, und kein Bademeister warnt einen davor! An der Kasse bediente mich die Verkäuferin, die mich vor Scherben gewarnt hatte. Irgendwie schien sie mehr zu lächeln als ich es in Erinnerung hatte. War es wegen meiner Barfüßigkeit? Oder bildete ich mir das bloß ein? Wenn ich normalerweise in der Mittagspause in Dienstkleidung "nebenbei" zum Einkaufen gehe, bin ich meistens in Eile (und schlecht gelaunt), dann bekomme ich einiges nicht mit.

Als ich zurück zum Fahrrad ging, mußte ich über ein Gitterrost, da der Weg mit falsch parkierten Autos blockiert war. Ein Rentnerehepaar, das dabei war, die Einkaufsware auf ihre Fahrräder zu laden (ich bin nicht der einzige vernünftige, der statt des Autos das Fahrrad zum Einkaufen benutzt), beobachtete meine "scheinbare Abschlußprüfung einer Fakirlehre", die Frau meinte: "Au! Das tut weh!" Worauf ich antwortete: "Maronis sind viel schlimmer." Ich fuhr (besser: schob das Fahrrad, liegt alles dicht beieinander) noch zu Migros und Coop, aber auch hier nur freundliche Verkäuferinnen. Einige Kunden (speziell jüngere) starrten fassungslos auf meine Füße, auch Kinder tuschelten einiges. Es ist doch erstaunlich: Kaum ist die Temperatur mal knapp unter 20°C, schon gilt barfuß als "unmöglich".

Der "Hammer" geschah, als ich mein Velo nach dem letzten Laden wieder abfahrbereit gemacht hatte. Eine ca. 50-jährige Frau kam das Trottoir entlang, gerade als ich auftauchte. Plötzlich fing sie hysterisch an zu schreien: "Nein, nein, nein!" Dabei fuchtelte sie mir dem Regenschirm. In dem Augenblick kam auch noch ein Omnibus vorbei, die Fahrgäste sahen erstaunt aus dem Fenster. Schimpfte die Frau wegen mir? Oder wollte sie mit dem Bus fahren, der gerade vorbeifuhr, und den sie nicht erreichen würde? Sie fuchtelte weiter, ich schob das Rad schnell über die kurzzeitige freie Straße, stieg auf und wurde langsamer, um den Bus, der an der Haltestelle hielt, nicht zu behindern. Hinter mir hörte ich die Frau schreien, während sie eilig die Straße überquerte: "Hilfe! Polizei! Hilfe!" Fußgänger sahen die Frau an, sahen mich an. Ob man mich für einen "Entreißdieb" hielt? Der Bus fuhr an, ich hinterher, die Frau schrie immer noch. Als ich dem Bus um die Ecke folgte, sah ich, wie die Frau immer noch rannte (für ihre Verhältnisse). Irgendwie habe ich nicht begriffen, weshalb die "hysterische Zwetschge" so schrie. Wegen meiner Aufmachung? Oder wegen des verpaßten Omnibusses? Ich folgte dem Bus nicht unnötig lange und radelte auch nicht an der Polizeistation vorbei. So kam ich unbehelligt nach Hause, danach setzte der Regen ein.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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