Barfuß in Lettland (Hobby? Barfuß! 2)

Carsten, Monday, 13.06.2005, 16:02 (vor 7046 Tagen)

Mit meiner Vorliebe für Staaten, die noch nicht vom Massentourismus erfaßt und durch ihn versaut sind, hat mich mein urlaub Anfang des Monats ins baltikum nach Lettland (das mittlere der drei Länder) geführt). Es hat sich gelohnt! zunächst etwas Touristisches:

Riga hat eine wunderschöne mittelalterliche Altstadt mit engen verwinkelten Gäßchen, so daß es schwer ist die Kirchen zu fotografieren, ohne daß ein giebel eines anderen Hauses ins Bild ragt. Etwas abseits am westlichen Ende der Elizabetes iela (elisabethstraße) liegt ein sehr schönes Viertel mit Jugendstilhäusern, lauter figurenreiche und verschnörkelte Fassaden. Auch abends lohnt sich nich eine zweistündige Bootstour die Daugava (der Fluß, an dem Riga mit einer sehr schönen Uferpromenade liegt) bis zur Mündung in die Ostsee entlang zu machen, da die Sonne bis halb elf um diese Jahreszeit scheint. Die halbe Zeit hatte ich richtig sommerlich sonniges Wetter, aber auch bewölkte Tage mit einzelnen Tropfen.

Mit einer Art S-Bahn kann man raus nach Jurmala fahren, eine Ansammlung kleiner Küstenorte. Majori ist das touristische Zentrum mit einer Fußgängerzone mit allerlei Restaurants und kleinen Läden, allerdings ein paar hundert Meter abseits des Strandes. Der liegt hinter einem Waldstück, in den teils palastsrtige Holzhäuser gebaut sind, im benachbarten Dubulti noch mehr als in Majori. Der Strand ist lang und ganz okay, die blauen Abfalltonnen und weißen Umkleidekabinen alle zwanzig Meter sind zwar praktisch, verschandeln aber etwas den Anblick.

Nördlich von riga ist der Gaunja-Nationalpark. Sigulda ist ein bekannnter Wintersportort am südlichen Rand, idealer Ausgangspunkt für wanderungen zu kleinen Höhlen und eine Fahrt mit einer Seilbahn über das tief eingeschnittene Flußtal zu einem Schlößchen und einer Burg ein stück weiter.

Cesis etwas nördlich, mitten im Park mit typischen Taiga-Wald, war ab 1209 Stammsitz des Livonischen Ordens, einem Zweig des Deutschen Ritterordens, wovon die imposante Burgruine bis heute zeugt. Dort ist ein interessantes Museum untergebracht, einen Turm der ruine kann man nur mit Helm und Lampe begehen, da er weder ausgeleuchtet, noch abgesichert ist. Auf der Bühne unterhalb finden Konzerte und Aufführungen statt.

Südlich von Riga ist Bauska mit einer kleinen Burgruine, die jedoch den Reiz hat, daß sie oberhalb der Memel liegt, für alle die, die sich wie ich immer gefragt haben, wo denn diese Grenzangabe aus der größenwahnsinnigen ersten Strophe der Nationalhymne denn eigentlich ist.

Per Bus kommt man nach Pilsrundale mit einem Schloß von Bartolomeo rastrelli, der auch den Winterpalst des Zaren in Sankt Petersburg gebaut hat. Es gilt als zweitgelungenstes. Die prächtige Innenausstattung ist in der Tat toll, von außen hat mir anschließend das Schloß in Jelgava besser gefallen. Darin ist heute die Landwirtschafts-Uni Lettlands.

Am südlichen Teil der Küste ist Liepaja - der Tipp für Lettland überhaupt: weißer feiner Sand an einem ewig langen Strand mit einer bezaubernden Dünenlandschaft dahinter, dann ein schöner Park und dann erst die drittgrößte Stadt des Landes mit einigen eindrucksvollen historischen Bauten.

Ventspils 100 km die Küste rauf war der einzige eisfreie Ostseehafen der UdSSr und deshalb größter Ölhafen der Sowjetunion. Derzeit findet dort ein internationales Manöver der Marinen Deutschlands, Schwedens, Polens, Finnlands, Rußlands und Lettlands statt. Sonst nicht so viel zu gucken, der Strand besser als Majori, aber kein Vergleich zu Liepaja.

Lebenshaltungskosten sind gering. Ein Mittagessen ist für 3 Euro zu haben, der halbe Liter einheimisches Bier für 1 Euro. Empfehlenswert vor allem Cesu Pils aus Cesis, das älteste bier des Landes seit 1560 und nach deutschem Reinheitsgebot gebraut.

Die Busfahrt vom Flughafen in die Stadt kostet 20 Santimi (28 Cent), meine weiteste Fahrt, die 220 km von Riga nach Liepaja) etwa 6 Euro umgerechnet (eigene Währung heißt Lats). Herumreisen ist leicht, zumal stacija und autoosta, Bahnhof und Busbahnhof, in der Regel direkt beieinander liegen.

Vergleichsweise teuer sind die Unterkünfte, für die man schon 35-40 Euro für ein EZ mit eigenem Bad rechnen muß, mit Bad auf dem Flur gibt es das aber auch schon um 15-20 Euro.

Wer die Letten lettisch reden hört (aber auch fast soviele Russen, die hier leben) oder sie deutsch sprechen hört mit ihrem Akzent, hält sie für Skandinavier. das die wichtigste Erkenntnis: Lettland ist nicht Ost-, sondern NORD-Europa!!!!! Verständigung auf englisch und zum Teil auf deutsch kein Problem.

Riga ist vom Pflaster her sehr barfußfreundlich, zumal auch ein Park kreisförmig die Altstadt umschließt, wo früher mal Stadtmauer war. Dort nehmen dann bei schönem Wetter manche - Mädels - ihre Schuhe in die Hand.

Barfuß-Hochburg ist Majori durch den nahen Strand und die Fußgängerzone, nach einem Regenguß, der schnell große Pfützen hinterläßt, fast noch mehr als bei Sonnenschein.

In Liepaja ist ein fieser Weg zwischen Strand und Park. Obwohl nur wenige Meter breit, ist er der Hauptgrund, warum quasi alle dort die Schuhe wieder anziehen, anstatt dahinter barfuß auf den schönen Wegen im Park weiter in die Stadt zu laufen.

Für die Burgen sollte man Schuhe dabei haben. Im Schloß in Pilsrundale ist Barfußgehen akzeptierte Alternative zum Überziehen dieser überdimensionalen Pantoffeln, um Teppiche und Parkett zu schonen.

Fette Jugendliche existieren in Lettland eigentlich überhaupt nicht. Es gibt übrigens kaum ein Land mit so vielen so bildhübschen Frauen. Allein das ist schon ein Grund, dorthin zu fahren...

Gruß,

Carsten

Massentourismus

malo @, Stammposter, Monday, 13.06.2005, 16:26 (vor 7046 Tagen) @ Carsten

Hi,
in Riga war ich 2003 nicht, aber in Rezekne, Daugavpils, Alyksne, Gulbene. Dazu in EST in Tallin, Tapa, Tartu, Haapsalu. In LT in Vilnius, Kaunas, Sestokai, Radviliskis, Utena.
Massentourismus? Gott sei Dank nicht! Und hoffentlich bleibt das auch so!!!
Ich bin aber die meiste Zeit in CZ, und da nicht im dt. Grenzgebiet, sondern in Mähren und echten Böhmen (Altvater, Isergeb, Krkonose, Sumava). Oder in SK, HU, PL. Jetzt Anfang Mai eine Woche RUS...
Barfuß? Da war nie das Wetter dazu, wenn ich da war. Antizyklische Urlaubstage... Und deshalb wohl auch weniger Touris im Einsatz.
Wenn ich mal eine Woche drunten im Karvinaer Kohlengebiet (Ostrava , Bohumin) im mährisch-schlesischen Teil Tschechiens unterwegs bin, sehe ich in dieser Zeit nie! Landsleute. Das ist dann Urlaub! Und wenn man dann noch einiges von der Landessprache beherrscht, dann ist hier eine nie gekannte Gastfreundschaft zu erleben. Bei uns oder in westlichen Ländern gibt es das gar nicht mehr.
Barfuß in Praha ist an sich immer wieder zu beobachten. Und so war ich auch schon in Ostrava, Hradec Kralove, Decin, Usti, Pilzen, Brno unterwegs. Rekationen wie hier. Erstaunt oder normal ;-)

Gruß,
Markus

Ideale Ergänzung

Carsten, Monday, 13.06.2005, 16:47 (vor 7046 Tagen) @ malo

Hi Markus,

das Hinterland habe ich geschlabbert bei meiner Tour jetzt. Die anderen baltischen Staaten schaue ich mir separat demnächst an, ich bin nicht so der schnelle Konsumierer (womit ich jetzt nicht Dich meine), der die Länder nur schnell abhakt, sondern will mir lieber für jedes Land etwas mehr Zeit lassen. Habe aber auch in Montenegro, Tschechien, Ungarn, der Slowakei (da allerdings eigentlich nur Bratislava), Kroatien und Bulgarien festgestellt, daß es in Mittelost- und Ost-Europa noch vieles zu entdecken gibt. Sehe mich durch deine Aufzählung motiviert, die region weiterhin intensiver zu bereisen.

Welten-Barfuß-Bummler-Gruß,

Carsten

Als Teilzeittscheche...

malo @, Stammposter, Monday, 13.06.2005, 20:12 (vor 7046 Tagen) @ Carsten

Servus Carsten,
bezeichnet man mich inzwischen.
Nun ja, bis zur Grenze bei Cheb sind es mal 17 km. In Praha bin ich per PKW in nicht mal zweieinhalb Stunden. Was ich da dauernd mache? Nur Eisenbahnen und Loks fotografieren. Züge in den durchfahrenen Landschaften. Und ich hab viele Freunde dort.
In Ungarn ist es der Balaton. In Polen Oberschlesien, hauptsächlich Rybnik und Katowice. Barfuß ist dabei in den Bahnhöfen, Gleisbereichen und Depos absolut nicht möglich! Aber dazwischen im Auto, oder abends in der Penzion "privat" ;-)
Mit Hauruck ist da bei mir nichts. Das ist intensivstes Kennen lernen auf höchstem Niveau. Mehr als jede offizille dusselige Veranstaltung zur Völkerverständigung. Hier wird was geschaffen. Hier lernt man einander ehrlich und unverfälscht kennen. Wenn auch in Polen unter starkem Einfluß des Vodka. Oder in Ungarn bei guten Weinen des Balaton. Wenn ich die Wahl hätte, ich wüßte nicht, ob Tapolca in Ungarn oder Baranowitze bei Zory/Slesku.
Mit diesen ehrlichen, aufrechten Menschen dort ist mir jede Sekunde mehr wert, als irgendwo in Mallorca, Rimini oder sonst wo, wo Touri gerne ist.

Gruß,
Markus

Sprache?

Lothar, Stammposter, Monday, 13.06.2005, 17:21 (vor 7046 Tagen) @ Carsten

Sprecht ihr denn alle Russisch oder Lettisch? Bis jetzt haben mich von einem Besuch in diesen Regionen meine nicht vorhandenen Sprachkenntnisse abgehalten denn Englisch dürfte ja nur bei den ganz Jungen verbreitet sein.

Lothar

"Slawisch", oder a bissel "bobeldatscheln"...

malo @, Stammposter, Monday, 13.06.2005, 20:19 (vor 7046 Tagen) @ Lothar

Servus Lothar,
Russisch hab ich nur rudimentär. Tschechisch geht mittlerweile so weit, das ich zu allem komme, was ich brauche, wünsche und möchte. Ungarisch sehr wenig, aber das notwendigste zum täglichen Kampf.
Baltikum: Englisch, Deutsch, Russisch soweit vorhanden. Und dann wie erst im Mai in Moskau festgestellt, mit dem slawischen Sprachstamm, also mit meinen Tschechisch, kam ich erstaunlicherweise recht gut zurecht. Freund Alex hat Polnisch intus, und das ging auch sehr gut.
Und "bobeldatscheln" sagten früher die Böhmen (Sudetendeutschen). Und das ist etwas mit Bayrisch, Fränkisch und Slawisch. Damit kommst bei alten Tschechen wie weit.
Dobre? Mluvite Cesky? Malo problem.
Bosonohy = barfuß
ne boty = keine Schuhe

Malo = klein (ich bin 181 cm... ;-)

Gruß,
Markus

Sprache?

Carsten, Tuesday, 14.06.2005, 09:17 (vor 7045 Tagen) @ Lothar

Englisch dürfte ja nur bei den ganz Jungen verbreitet sein.

Nicht nur. In Hotels und in der Gastronomie und an den Fahrkartenschaltern hat jeder genügend Kenntnisse, um sich imrahmen seines Jobs auf englisch und zum Teil auch auf deutsch mit den Touris zu verständigen. Man trifft eine ganze Reihe Letten, die schon mal in Deutschland waren. Man darf nicht vergessen, daß ein teil unseres Landes auch mal zu dem Club da im "Osten" gehörte und dort ebenso einflußreich war wie der Westteil. So geht beispielsweise eine Fähre direkt von Rostock nach Liepaja. Schneller geht es mit dem Flieger, airBaltic, ein Kooperationspartner von Billigflieger HLX, fliegt ab Berlin und Köln, München, Hamburg, Stuttgart. Mit easyJet kann man ab Berlin nach Riga jetten. Entsprechend wichtig ist mittlerweile auch der noch verhaltene deutsche Tourismus, die Flieger (obwohl Wochenende) waren hin und zurück gerade zu einem Drittel besetzt.

Großer Vorteil: Die Letten schreiben in lateinischen Buchstaben, man muß also nicht kyrillische Hieroglyphen entziffern!

Nur Mut,

Carsten

Sprache?

Markus U., Stammposter, Tuesday, 14.06.2005, 17:53 (vor 7045 Tagen) @ Carsten

Hi Carsten!

Man trifft eine ganze Reihe Letten, die schon mal in Deutschland waren. Man darf nicht vergessen, daß ein teil unseres Landes auch mal zu dem Club da im "Osten" gehörte und dort ebenso einflußreich war wie der Westteil. So geht beispielsweise eine Fähre direkt von Rostock nach Liepaja. Schneller geht es mit dem Flieger, airBaltic, ein Kooperationspartner von Billigflieger HLX, fliegt ab Berlin und Köln, München, Hamburg, Stuttgart. Mit easyJet kann man ab Berlin nach Riga jetten. Entsprechend wichtig ist mittlerweile auch der noch verhaltene deutsche Tourismus, die Flieger (obwohl Wochenende) waren hin und zurück gerade zu einem Drittel besetzt.
Großer Vorteil: Die Letten schreiben in lateinischen Buchstaben, man muß also nicht kyrillische Hieroglyphen entziffern!
Nur Mut,
Carsten

Lettisch gehört zu den baltischen Sprachen, während Russisch eine (ost)slawische Sprache ist. Wir haben Mitte Mai von der Uni aus eine Exkursion, die eine Woche lang dauerte, nach Moskau gemacht (da war ich nicht barfuß, sondern hatte Flipflops an), aber die kyrillischen Schriftzeichen lassen sich in kurzer Zeit lernen. Schwerer wiegt da schon der Umstand, daß auch in der Hauptstadt Moskau nur wenige Russen eine Fremdsprache können. Da einige Teilnehmer unserer Exkursion Russisch als Muttersprache beherrschten, konnte dieser Nachteil jedoch ausgeglichen werden, zumal alles übersetzt wurde.

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.

Barfuß in Lettland

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 13.06.2005, 22:04 (vor 7046 Tagen) @ Carsten

Hallo Carsten

Im Schloß in Pilsrundale ist Barfußgehen akzeptierte Alternative zum Überziehen dieser überdimensionalen Pantoffeln, um Teppiche und Parkett zu schonen.

Diese Alternative schlug ich auch neulich in einem der Potsdamer Schlösser vor. Dort wurde das aber leider abgelehnt. Ich musste dann diese Riesenpantoffeln anziehen, was mir recht ungangenhem war, da man nie wissen kann, was der letzte Benutzer wohl an seinen Schuhen hatte.

Viele Grüße

Ulrich

RSS-Feed dieser Diskussion