Widerspricht auch barfuss den Regeln der ungeschriebenen Gesellschaftsordnung (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Thursday, 09.06.2005, 14:13 (vor 7050 Tagen) @ Andi35

Hallo Andi!

Lothar:

Nacktradeln bleibt verboten - zumindest im baden-württembergischen Kreis Rastatt.

Andi:
Dann wohl überall in Deutschland und das ist auch gut so, denn wo kämen wir denn da hin?

Michael:
Auch in der Schweiz ist das verboten. Wenn dagegen ein Mann nur mit einer Hose und ohne jegliche Oberbekleidung mit dem Fahrrad unterwegs ist, verstößt man gegen keinerlei Gesetze. Ich wurde übrigens noch nie von der Polizei kontrolliert, wenn ich nur in kurzer Hose ohne Oberbekleidung radelte, egal ob mit oder ohne Schuhe. Wenn ich dagegen in kurzer Hose, aber mit T-Shirt oder gar Jacke unterwegs war, gab es deutlich mehr Kontrollen, beim gleichzeitigen Tragen von Schuhen wurde ich nur unwesentlich seltener kontrolliert als barfuß.

Lothar:

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe untersagte eine geplante Aktion zum "Weltnacktradeltag" am kommenden Samstag, weil sie "grob ungehörig" sei.

Andi:
Und damit hat der Richter auch vollkommen Recht, was soll denn der Quatsch?

Michael:
An solchen Veranstaltungen würde ich nicht teilnehmen, einmal weil der Aufenthalt in der Öffentlichkeit "ohne alles" verboten ist, vor allem aber weil sich unter der Sitzfläche nicht derart viel Hornhaut bildet wie unter Füßen. Auf langen Strecken im Stehen radeln ist unangenehm (mußte ich schon mal, weil mir der Sattel geklaut wurde). Sollte mir aber mal einer der "ganz-ohne-Radler" begegnen, dann würde ich ihn NIEMALS bei der Polizei verpfeifen. Sicher ist es ein kleineres Verbrechen, einen nicht anzuschwärzen, wenn er etwas verbotenes tut (z.B. ganz ohne Kleidung radeln), als einen anzuschwärzen, der nichts verbotenes tut (z.B. barfußlaufen, kurze Hosen tragen). Würdest Du die Polizei rufen, wenn einer ohne Kleidung radelt oder joggt, ansonsten aber nichts von Dir will?

Lothar:

Bis zu zwölf Anhänger der Freikörperkultur wollten nackt auf dem Rheindamm von Iffezheim bis zur Grenze des Landkreises Rastatt und wieder zurück radeln - um für die Nacktheit als "zweckdienliche und gesellschaftsfähige Kleidung" einzutreten.

Andi:
Na, so ein Blödsinn! Die sollen uns in Ruhe lassen mit diesem Anblick und ihren "Freikörpermist" auf dafür vorgesehenen FKK-Geländen ausleben!

Michael:
Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann kann ich auch mir keine logischen Reim daraus machen, was zumutbar ist und was nicht. In orientalischen Ländern darf eine Frau nicht ohne Schleier in die Öffentlichkeit, Männern ist das Tragen von kurzen Hosen verboten. Für einen Europäer ist ein solches Verbot unverständlich genauso wie das Barfußverbot in den USA. Warum sollte gerade die europäische Gesetzgebung die "richtige" sein? Warum müssen Fortpflanzungsorgane bedeckt sein? Warum muß eine Frau ein Bikinioberteil in der Badeanstalt tragen, ein Mann aber nicht? Weil eine Frau (theoretisch) eine "Milchfabrik" ist und die "Anschlußstutzen" schützenswert sind, während ein Mann keine Milchfabrik ist und daher nur "Blindstutzen" besitzt? Sicher gibt es ein Bikinioberteiltrageobligatorium bei Frauen nicht als "ausgleichende Gerechtigkeit" dafür, daß sie ansonsten mit weniger Kleidung in Beruf und Repräsentation akzeptiert wird, wo ein Mann Anzug, Krawatte, geschlossene Schuhe und Socken tragen muß?

Warum sind unbeschuhte Füße für viele Leute "Ihhhhhhhhh", während unbehandschuhte Hände normal sind? Ist ein gepiercter Bauchnabel zumutbar?

Lothar:

Unerwartet nackte Menschen erschrecken
Es widerspreche "nach wie vor allgemein anerkannten Regeln der ungeschriebenen Gesellschaftsordnung, sich auf öffentlichen Straßen nackt zu zeigen", urteilte das Gericht.

Andi:
Jawoll! Ganz mein Denken! Besser könnte man es garnicht ausdrücken!

Michael:
Ich hätte es besser gefunden, wenn das Gericht nicht schwammig von "allgemein anerkannten Regeln der ungeschriebenen Gesellschaftsordnung" gesprochen hätte, sondern klipp und klar "gegen das Gesetz". Wer gegen das Gesetz verstößt, darf dafür belangt werden. Wenn aber einer ohne Kleidung radelt und dann wegen Verstoß gegen die "allgemein anerkannten Regeln der ungeschriebenen Gesellschaftsordnung" bestraft wird, dann könnten auch Barfüßer, Anzugträger in Sandalen ohne Socken, Leute mit violett gefärbten Haaren usw. gerichtlich belangt werden, weil auch daß für besonders empfindliche Menschen gegen die "allgemein anerkannten Regeln der ungeschriebenen Gesellschaftsordnung" verstößt.

Lothar:
Es verletze jedoch auch heute noch in besonderem Maße das Schamgefühl der meisten Menschen, wenn sie an Orten, an denen niemand völlige Nacktheit erwartet, unfreiwillig nackten Menschen gegenüber stehen.
Andi:
Das sehe ich genauso und das bezieht sich auch auf das "oben ohne"-Anwesen von Frauen, gehört sich auch nicht, da die Brüste eine Schamzone sind!
Wie schon geschrieben, sollen sie das doch an ihren FKK-Stränden ausleben, da können sie sich aalen, bis ihnen in der Sonne Etwas wie Rousinen oder Sultaninen schrumpft!
Mich hat das "oben ohne"-Sein an normalen Badeseen oder in Freibädern schon immer gestört und ich bin >auch< ein Mann, der Frauen liebt und gerne sieht, aber bitteschön >so< dann nur in den eigenen vier Wänden!
Das gehört nämlich nicht in die Öffentlichkeit und sollte verboten und mit einer Geldstrafe und dem Rausschmiss durch den Bademeister/eine Badeaufsicht gehandhabt werden!

Michael:
Und vermutlich verletzt es auch das Schamgefühl gewisser Leute, wenn einem mitten im Winter plötzlich ein Barfüßer (womöglich noch in kurzer Hose) gegenübersteht, weil niemand damit rechnet. Mit Rausschmiß aus dem Theater, der Kirche oder was auch immer muß man rechnen, da die Betreiber von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Eine Geldstrafe darf man aber nur dann kassieren, wenn etwas wirklich verboten ist. Dazu gehört Barfußlaufen nicht, das Tagen von kurzen Hosen auch nicht, wohl aber (noch) das Tragen von keinerlei Kleidung. Meines Erachtens arbeiten die Gerichte viel zu langsam und ineffizient.

Andi:
Mein Verhalten hat nichts mit Intoleranz zu tun, sondern mit dem Pflegen gewisser Werte, die die Menschen und hauptsächlich Frauen immer mehr verlieren!
Ich denke eben einfach noch mit Moral und Schamgefühl, dass ich mir zum Glück in vielerlei Hinsicht noch bewahrt habe!

Michael:
Ich halte Dich absolut nicht für intolerant, Du schreibst "nur" das, was Du denkst, ohne lange um den heißen Brei herumzureden. Was Intoleranz anbelangt: Ich glaube beobachtet zu haben, daß viele "normalen" Menschen gegenüber Barfüßern toleranter sind als gewisse "Extremisten". Zum Beispiel einige FKK-ler: Diese spezielle Sorte hält sich am FKK-Strand an die dortigen Regeln, aber außerhalb des Strandes regen sie sich darüber auf, wenn ein Mensch barfuß läuft, kurze Hosen trägt usw. Diese intoleranten FKK-ler (speziell Männer) würden das FKK-Gelände selbst im Hochsommer nur in "Winterkleidung" betreten. Die toleranten FKK-ler würden außerhalb des Geländes ohne Scheu barfuß laufen.

Auch gibt es Leute, die bei vergleichsweise tiefer Temperatur kurze Hosen tragen, jedoch die Anwesenheit eines Barfüßers peinlich finden (umgekehrte Fälle gibt es aber auch). Auch sind Frauen, die gerne eher leicht bekleidet sind, intolerant gegenüber barfüßigen oder/und kurz behosten Männern, noch viel intoleranter sind aber die dick vermummten männlichen Begleiter einer leicht bekleideten Frau gegenüber barfüßigen Männern.

Mir selber ist es völlig egal, was ein anderer gerade trägt. Es ist doch nicht mein Schaden! Von mir wird ein Mann im Schottenrock, barfuß, mit Smoking-Oberteil, Seemannstuch, mit gefärbten Haaren und Schornsteinfegerhut, genauso anständig behandelt wie einer in normalem Anzug oder in Badekleidung. Hauptsache, der Mensch benimmt sich anständig mir gegenüber. Wenn Leute mich nicht so akzeptieren wie ich bin, soll es mir egal sein. Wenn mich aber einer ungerecht behandelt, dann kann ich die Intoleranz in Person werden. Das gilt speziell gegenüber denjenigen Spießern, die mich wegen Barfüßigkeit oder wegen Tragen bestimmter Kleidung, die nicht verboten ist, bei der Polizei anschwärzen.

Nachdenkliche Grüße

Michael aus Zofingen


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