Keine andere Wahl! (Hobby? Barfuß! 2)

Mike S @, Stammposter, Monday, 06.06.2005, 20:28 (vor 7053 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Letztes Wochenende war Abstimmungswochenende in der Schweiz. Es ging einmal um eine Abstimmung über Kostenaufteilung Kanton/Gemeinden, dann um ein Partnerschaftsgesetz. Beides hat absolut nichts mit barfuß zu tun. Eine weitere Abstimmung bezog sich auf den Beitritt der Schweiz zum Schengen-Abkommen, und daß dürfte vielleicht für Barfüßer Konsequenzen haben.
Es war übrigens meine erste Wahl in der Schweiz, da ich erst seit 15.3.2005 Schweizer Staatsbürger bin. Als "freier Schweizer", der gegen keinerlei Gesetze verstößt, sollte es einen zugestanden werden, auch auf freiem Fuß zu leben, also auch auf freiem Fuß zur Wahl zu gehen. Würden die anderen Schweizer böse darauf reagieren, wenn ich das Wort "Freiheit" auch auf meine Füße beziehe? Ich hat zwei Wahllokale zur Auswahl, entweder das Büro der Stadtpolizei oder das Rathaus.
Eigentlich hatte ich aber doch keine Wahl. Als meistgesuchter und meistgehaßter Barfüßer der "Freien Reichsstadt" Zofingen traute ich mich schlicht und einfach nicht in das Büro der Stadtpolizei (auch mit Schuhen wäre ich da nicht reingegangen). Also "mußte" ich barfuß ins Rathaus. Ich stellte mein Velo in den Ständer und ging in den vorgesehen Raum, wo gerade keine anderen Wähler waren, nur zwei Wahlhelfer, von denen der eine der Stadtweibel (Hausmeister vom Rathaus) war. Ich wurde höflich behandelt, keine Bemerkung zu meiner Barfüßigkeit. Man wollte auch nicht meinen Ausweis sehen, theoretisch hätte ich also Stimmausweis und Stimmzettel einer anderen Person abgeben können, ohne daß es einer gemerkt hätte. Oder kannte mich der Stadtweibel etwa persönlich? Wußte er, als er den Namen auf meinem Stimmausweis las, daß ich auch der rechtmäßige Inhaber war? Vielleicht kannte er mein Gesicht noch von der der Einwohnerratssitzung im Dezember 2003, als die Stadt mir das Gemeindebürgerrecht zusicherte und der Stadtweibel die ehrenvolle Aufgabe hatte, mich während der Abstimmung selbst aus dem Saal zu begleiten und mich hinterher wieder hineinzulassen. (Aber wie gesagt: nur mein Gesicht, der Rest von mir war damals unter Schuhen und übriger Dienstkleidung verborgen). Irgendwie geht es bei Wahlen in Zofingen doch humaner zu als etwa bei Präsidentenwahlen in den USA.
Ich habe übrigens gegen Schengen gestimmt, womit ich zwar nicht mit der Mehrheit der Schweiz einer Meinung bin, aber immerhin hat man im Kanton Aargau und auch im Bezirk Zofingen mehrheitlich gegen Schengen gestimmt. Wer für Schengen stimmt, der unterstützt auch das europaweite Fahndungssystem SIS. In diesem sind alle Schwerverbrecher gespeichert, samt Fingerabdrücken. Da Barfußlaufen zwar nicht verboten ist, jedoch aus Sicht vieler Zofinger Polizisten so gehandhabt wird, sehe ich es schon kommen, daß auch ich in die Mühlen des "Polizeistaates Schengen" gerate. Man wird wie von jedem Verbrecher Fingerabdrücke nehmen. Und anders als bei "normalen" Verbrechern werden bei Barfüßern sicher auch noch von sämtlichen Zehen Abdrücke angefertigt.
Und noch ein Wahlergebnis aus der Stadt St. Gallen: Die Bevölkerung stand eindeutig hinter der Forderung, der Polizei mehr Rechte zu geben. Was die Beamten in Zofingen und Umgebung (illegal) schon angewendet hat, darf sie jetzt in St. Gallen offiziell: STÖRENDE PERSONEN VON ÖFFENTLICHEN PLÄTZEN WEGWEISEN! Nur: Was sind "störende Personen"? Ausdrücklich erwähnt waren Linksradikale, Rechtsradikale, Hooligans, Drogensüchtige, Betrunkene, Bettler. Barfüßer waren in der Liste nicht enthalten. Ich bin aber davon überzeugt, daß speziell in St. Gallen Barfüßer als störend empfunden werden, und zwar aus mehreren Gründen. St. Gallen ist eine katholische Hochburg, strenggläubige Katholiken sind eher barfußfeindlich als Reformierte. Ganz davon abgesehen, daß es in St. Gallen auch von hohen katholischen Würdenträgern nur so wimmelt.
Dann besitzt St. Gallen eine berühmt-berüchtigte Hochschule, der Kaderschmiede der Wirtschaftsbonzen. Das sind diejenigen Leuten, die ohne richtige Fachausbildung im Schnellzugstempo in hohe Positionen in Unternehmen kommen, dort die Belegschaft verkleinern, das Unternehmen zugrunde richten und dann mit einer millionenschweren Abgangsentschädigung das nächste Unternehmen zugrunde richten "dürfen". Gerade diese "Karrieremänner" sind doch diejenigen, die "an allem Schuld sind":
Etwa an Massenarbeitslosigkeit!
An der Tatsache, daß nur Männer in höchste Positionen gelangen.
An der Tatsache, daß bei gleicher Position Männer selbst bei hochsommerlichen Temperaturen Anzug, Krawatte, lange Hosen, geschlossene Schuhe und Socken tragen müssen, während Frauen stoffarme Kleidung und aus wenig Riemchen bestehenden Schuhen zugebilligt werden (wobei auch nur Frauen die Schuhe unter dem Schreibtisch abstreifen dürfen).
An der Tatsache, daß es für Frauen mehr Auswahl an Kleidung, vor allem an barfußkompatibler Kleidung gibt.
(Lediglich an der Tatsache, daß Männer es beim Pinkeln einfacher haben, haben "Elitemänner" aus St. Gallen nicht schuld, sondern nur der liebe Gott persönlich)
Wenn es also in St. Gallen von diesen "Elitemännern" nur so wimmelt, dann fühlen sie sich sicher beim Anblick eines Barfüßers gestört. Also rufen sie die Polizei, damit dieser "Störer" auf der Stelle entfernt wird. Welcher Polizist würde schon einem "Elitemann" den Gehorsam verweigern? Er läuft doch Gefahr, daß der Elitemann sich beim Vorgesetzten beschwert.
Ob man als Barfüßer in St. Gallen auch die Möglichkeit hat, Leute, die einen stören, wegweisen zu lassen? Etwa solche, die Flaschen in der Fußgängerzone zerdeppern? Oder Kaugummis ausspucken? Eines ist sicher: Die Leute, die MICH in der Stadt am meisten stören, wird die Polizei nicht wegweisen. Welcher Polizist weist schon seine Kollegen weg!
Nachdenkliche Grüße
Michael aus Zofingen

Hallo Michael

Ich nehme an, dass in Zofingen keine solchen Menschen wohnen, welche oft irgendwo herumlungern und deshalb unter dieses Gesetz des Wegweisens kommen. Ansonsten denke ich, würdest du anders denken.
Tatsache ist, dass oft wirklich viele Rechts- und Linksradikale in Städten herumlungern. Oft handelt es sich dabei nicht um friedliche Menschen, sondern um agressive Personen, welche die Menschen erschrecken. Ich persönlich befürworte ein solches Gesetz. Ein Barfüsser wird da noch lange nicht weggewiesen werden.
Viele Grüsse
Mike


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