Hallo Ulrich

"Ich glaube, der Fehler liegt da eher bei den anderen. Ich kann mir vorstellen, dass manche den Kontakt zu uns suchen, aus Bewunderung, weil wir etwas tun, was sie sich nicht trauen. Sie selbst trauen sich das aber häufig gerade deshalb nicht, weil es ihnen peinlich ist, so nach dem Motto: "Was werden wohl die Leute denken?". So jemandem ist es dann aber möglicherweise auch peinlich mit einem Barfüßer gesehen zu werden. Der Gedanke "was werden wohl die Leute denken" könnte auch einem Schuhträger kommen, wenn er in solcher Begleitung ist, weshalb er dann unsere Gesellschaft meidet."

Das ist leider so. Es gibt Leute, denen ist es peinlich, in der Nähe eines Barfüßers zu sein, entweder tatsächlich wegen der anderen, vielleicht aber auch als Vorwand. Einer, dem die Barfüßigkeit eines anderen selber stört, es aber nicht zugeben mag, sagt leicht: "Mich persönlich stört nicht, wenn du barfuß läufst. Aber wenn mein Chef uns zusammen sieht, dann kann ich meine Beförderung vergessen.

In manchen Situationen kann es aber selbst einem Barfüßer peinlich werden. Wenn ich zufällig auf der Straße einen Menschen treffe, der selber in der Freizeit oft barfuß läuft, diesmal aber in bester Schale (vielleicht sogar mit Socken) und in Begleitung von ebenso gekleideten Gentlemen, dann könnte es sich um eine hochkarätige Angelegenheit handeln, etwa ein Vertragsabschluß oder eine Bewerbung bei einem neuen Arbeitgeber. In einem solchen Fall würde ich natürlich NICHT auf den Menschen zugehen und sagen: "Hallo! Schön, dich hier zu sehen." Das würde ich niemals in solch einer Situation sagen, egal ob ich selber barfuß oder in Dienstkleidung bin. Einziger Unterschied: Wenn ich selber "ordentlich" gekleidet bin, hätte ich keine Bedenken, den Menschen mit Namen anzureden (wobei es manchmal schon nachteilig sein kann, wenn man ihn mit Vornamen anredet). Dagegen würde ich ihn in derselben Situation nicht mit Namen begrüßen, wenn ich im Winter barfuß und in kurzen Hosen unterwegs bin.

"Gerade fremden Dingen gegenüber ist Zurückhaltung bis Ablehnung aber leider eine weit verbreitete menschliche Eigenschaft, die immer wieder zu Problemen führt. Vielfach werden auch Ausländer abgelehnt oder angefeindet, auch wenn sie äußerst nette Menschen sind, nur weil man sie nicht kennt und weil sie fremd wirken. Fremdartig wirkt der Barfüßer aber auf die meisten Menschen auch."

Wie wahr! Speziell Schweizer sind zurückhaltend gegenüber fremdartigem. Meistens bleibt es aber bei der Zurückhaltung. Und wenn es tatsächlich Anfeindungen gibt, dann geschieht dieses meistens heimlich, nicht öffentlich. Daher werden bei Einbürgerungsgesuchen an der Urne in der Schweiz deutlich mehr Leute abgelehnt wie wenn (wie bei mir) ein politisches Gremium darüber noch dazu öffentlich entscheidet. Ein Schweizer, der einen Barfüßer fremdartig findet und ihn deswegen haßt, besitzt in der Regel nicht den Mut, dieses offen zu sagen. Statt dessen ruft er die Polizei.

"Traut man sich einen Rollstuhlfahrer zu fragen, warum er im Rollstuhl sitzt? Häufig möchte man es wissen, aber man will ihn nicht erneut an sein Schicksal erinnern oder neugierig wirken."

Rollstuhlfahrer erscheinen ebenso wie Barfüßer fremdartig und sind ebenso in der Minderheit. Sie sind obendrein noch in der Situation, daß sie daran nichts ändern können. Sie können nicht wählen zwischen Rollstuhl fahren und gehen, während ein Barfüßer es so einrichten kann, jederzeit Schuhe anziehen zu können. Zumindest in Mitteleuropa wir sicher keiner wegen Geldmangel barfuß laufen müssen. Ich habe zwar schon von Fällen gehört, daß Rollstuhlfahrer in gewissen Restaurants unerwünscht sind, weil durch ihre Anwesenheit "normale" Gäste gar nicht erst das Restaurant betreten würden. Allerdings ist mir kein Fall bekannt, daß Rollstuhlfahrer nur aufgrund ihres Rollstuhls von der Polizei schikaniert werden, was für männliche Barfüßer, Männer in kurzen Hosen sowie Ausländern oder auch nur nach Ausländern aussehenden Personen (hier sind Frauen genauso betroffen) leider nicht zutrifft.

Viele Grüße
Michael aus Zofingen