Barfuß: Auffälliger oder unaufälliger Konsumverzicht? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Friday, 13.05.2005, 07:28 (vor 7077 Tagen) @ Andi35

Hallo Andi!

"Ich denke also, auch wenn Konsumverzicht eine gute Möglichkeit sei, so schneiden wir uns damit gleichzeitig ins eigene Fleisch, da ein Konsumverzicht für uns auch ein Verzicht auf Genuss und/oder Vergnügen bedeutet! Es wird zumindest sehr stark verschmälert und wollen wir das wirklich, ist das noch ein Leben?
Man kann sich so vieles sparen: man braucht nicht mehr ins Kino zu gehen, kein Internet, damit auch kein Anschluss dafür, der ja teurer ist als ein gewöhnlicher Telefonanschluss, nicht zu rauchen, sich kein Bierchen mehr zu gönnen, keine Snacks mehr zu kaufen!"

Grundsätzlich gilt: Es ist einfacher, gleich auf Konsum zu verzichten als erst konsumieren und dann zu verzichten (oder gar verzichten müssen). Wer das Rauchen gar nicht erst anfängt, hat es einfacher als der, der es aufgibt. Wer nie ein Auto besessen hat, der vermißt es weniger als derjenige, der keines mehr hat (und wenn es nur vorrübergehend ist). Wer schon als Kind auf das Konsumgut Schuhe verzichtet, der kommt mit barfußlaufen auch auf "unmöglichen" Untergründen besser zurecht als derjenige, der zig Jahre außerhalb von Bett und Bad immer Schuhe getragen hat. Der muß das Barfußlaufen erst lernen.

Sicher dürfte bekannt sein, daß auch ich auf etliche (aber nicht alle) Konsumgüter verzichte, obwohl ich das aus finanziellen Gründen nicht unbedingt müßte. Ich rauche nicht, ich kann wochenlang ohne Alkohol und ohne warme Mahlzeiten auskommen, ich besitze kein Wohneigentum, kein Auto, keinen Fernseher, keine Stereoanlage, keinen privaten Computer, kein Haustier, keine eigene Familie, ich fliege auch nicht freiwillig in den Urlaub. Auch in Sachen Kleidung bin ich nicht üppig ausgestattet. Zwar laufe ich nicht nackt auf der Straße oder sonst wie in der Öffentlichkeit (ich würde Leute in einer derartigen Aufmachung aber NIEMALS der Polizei melden), aber ich verzichte in meiner Freizeit, soweit es geht, auf Handschuhe, Mütze, lange Hosen usw., wozu seit nicht allzu langer Zeit auch Schuhe gehören (ich bereue, daß ich darauf nicht eher gekommen bin). Ein gewisser Konsumverzicht besteht auch darin, daß ich Dinge (Fahrräder, Taschen; Jacken usw.), die leicht beschädigt sind, nicht gleich ausrangiere und durch neue ersetze, sondern solange warte, bis sie vollends an den Ranzen gegangen sind und guten Gewissens fortgerührt werden können.

Man muß auch zwischen auffälligem und unauffälligem Konsumverzicht unterscheiden: Es ist eine Schweizer Mentalität, daß man einerseits mit Konsumgütern nicht prahlt, andererseits Konsumverzicht nicht zeigt. Ersteres finde ich gut, unter letzterem habe ich zu leiden. Es ist nicht tragisch, wenn man ohne Auto irgendwo ankommt oder nicht raucht. Wenn aber einer barfuß läuft oder sonst wie leicht bekleidet ist, dann schrillen die Alarmglocken bei einigen Schweizern. Das kann mehrere Gründe haben: Entweder glauben sie, daß die Person arm ist und daher Gefahr droht, sie würde sich auf illegale Weise Dinge beschaffen. Oder aber sie haben Angst, daß das Scheinbild von einer sauberen und ordentlichen Schweiz gegenüber Fremden ins Wanken gerät. Ein Penner beispielsweise paßt nicht ins Klischee, daher werden sie aus den Städten verjagt, wenn nicht gar eingesperrt. Nicht ohne Grund findet man in Zürich deutlich weniger Penner als etwa in Köln oder Frankfurt. In spießigen Kleinstädten geht die Polizei noch brutaler mit zwielichtigen Personen bzw. Personen, die sie aufgrund zweifelhafter Indizien für zwielichtig hält, um.

Eine Möglichkeit, diesem Teufelskreis zu entrinnen besteht etwa darin, daß man nur teilweise auf Konsum verzichtet. Wer etwa barfuß läuft, jedoch ansonsten teure Kleidung trägt oder aus einem Auto aussteigt, der bekommt keinen Ärger mit der Obrigkeit.

Ich habe mir ja auch den Luxus geleistet, zum Barfußtreffen nach Düsseldorf zu fahren, mit der Bahn. Da ich eine Fahrkarte bezahlen konnte, wurde ich von den Schaffnern trotz Barfüßigkeit und auch sonst nicht allzu winterlicher Kleidung nicht aus dem fahrenden Zug geworfen.

"Wir >alle< werden dann an anderer Stelle eine Steuer zahlen, von der wir natürlich nicht wissen, dass es eine Steuer ist, die die Tabaksteuer ausgleichen soll!
Bloß gibt es da einen Unterschied: die Nichtraucher zahlen mehr als vorher und die Raucher sparen gegenüber ihrer aktiven Raucherzeit viel Geld ein, auch mit dieser Steuererhöhung, da sie ja nicht mehr rauchen dürfen, bald vielleicht auch in den eigenen vier Wänden nicht mehr? Es könnte doch sein, dass der Qualm zum Nachbar `rüber zieht oder?!"

Vielleicht wird sogar der barfüßige Aufenthalt auf dem Balkon verboten, mit folgender Begründung: Wer sich barfuß, im Bikini usw. auf dem Balkon aufhält, der sorgt dafür sorgt dafür, daß manche Leute auf der Straße in die Richtung blicken, und dann automatisch auch mitbekommen würden, was auf dem Balkon oder hinter den Fenstern der benachbarten Wohnungen passiert. Manche fühlen sich dadurch belästigt, nicht nur solche, die wirklich "berechtigtes" Interesse daran haben, daß sie nicht beobachtet werden (z.B. Leute, die illegal Hanf in ihrer Wohnung anbauen oder dort Waffen lagern).

Nachdenkliche Grüße

Michael aus Zofingen


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