Freiheit! (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Wednesday, 13.04.2005, 15:39 (vor 7107 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Michael!

"Es kommt auf die Perspektive an, d. h. es ist ein Unterschied, ob man aus der Perspektive eines Menschen aus der Umgebung "schon immer" barfuß ging oder ob es sich um Menschen handelt, mit denen man in der Zeit, als Schuhetragen noch selbstverständlich war, bereits gut bekannt war."

Dem kann ich nur zustimmen. Man sagt ja: "Der erste Eindruck ist der entscheidende." Das Bild wird eingeprägt. Wenn man damit einverstanden ist, ist es gut so. Wenn nicht, dann bleibt man auf Distanz, und es funktioniert. Nur wenn man das erste Bild akzeptiert wird und man wandelt sich zu was anderem, dann kann es Probleme geben, wenn der andere die Meinung nicht teilt. Meistens geschieht so ein Wandel langsam, so daß ihn der andere mitbekommt. Kaum jemand wird wohl jahraus, jahrein immer an jedem Ort Schuhe tragen und dann an einem Dezembertag barfuß (und möglicherweise noch in kurzen Hosen ) auf dem Weihnachtsmarkt erscheinen. So schnell kann sich der Mensch nicht umstellen. Umso größer ist der Schock natürlich für Leute, die einen lange Zeit nicht sehen. Während einer langen Zeit ist natürlich ein Sinneswandel möglich. So war es für meine Eltern ein Riesenschock, als sie mich in der Schweiz im Sommer(!) besuchten und ich in meiner Wohnung weder Schuhe noch Socken trug. Zweifellos ist es schlimm: Da versuchen die "lieben" jahraus, jahrein so zu erziehen, daß man, wenn man von draußen kommt, sofort Hausschuhe anzieht und wenn man rausgeht (und wenn es nur zum Ascheimer ist) Straßenschuhe anzieht. Straßenschuhe gehören nicht in die Wohnung und Hausschuhe nicht nach draußen, basta! Sicher sind die Eltern stolz, wenn der Sohn dieses beherzigt, wenn er in eine eigene Wohnung zieht. Und wenn dann die Eltern zu Besuch kommen und merken, daß er den mühsam anerzogenen Schuhwechsel nicht mehr mitmacht, sondern vorher und nachher barfuß ist, dann machen sich die Eltern sicher Gedanken. Soll die ganze Erziehung umsonst gewesen sein?

Na ja, ich kann schwerlich glauben, daß "die ganze Erziehung" Deiner Eltern ausschließlich darin bestand, daß sie Dir beibrachten, welche Schuhe Du ihrer Meinung nach wann und wo zu tragen hättest. Das wäre arg wenig *schmunzel*

Ich konnte mich nicht dazu durchringen, um die Weihnachtszeit meine Eltern in der Aufmachung aufzusuchen, wie ich in Düsseldorf zum Barfußtreffen erschienen war. Sicher hätte es Ärger gegeben. Vielleicht hätten sie (oder Nachbarn meiner Eltern) sogar die Polizei verständigt. Andererseits wollte ich aber auch nicht zwei Wochen lang durchgängig Schuhe und lange Hosen tragen. Also blieb mir nur eines übrig: Gar nicht zu meinen Eltern fahren. Womit ich weniger Probleme hatte als meine Eltern. Dabei wissen sie bis heute nicht einmal, weswegen ich in Wirklichkeit nicht gekommen war. Sie haben keinen blassen Schimmer davon, daß ich überhaupt draußen barfuß laufe, daß für mich in der Freizeit auch in Monaten mit "r" das Tragen von kurzen Hosen nicht im Bereich des Unmöglichen liegt und daß ich jemals den Gedanken gehegt habe, die Staatsbürgerschaft zu wechseln. Das sind alles Dinge, die meine Eltern einen feuchten Kehricht angehen.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

Du bist natürlich nicht verpflichtet, Deine Eltern zu besuchen oder auch zu empfangen. Du bist nicht einmal verpflichtet, überhaupt irgendeinen Kontakt zu ihnen aufrechtzuerhalten. Ich würde Dir dazu raten, Dich zumindest bei Dir zu Hause auch in Anwesenheit Deiner Eltern so wie auch sonst immer zu verhalten, nach Feierabend die "Dienstkleidung" in die Ekke zu pfeffern und barfuß in kurzen Hosen rumzulaufen und auch sonst keine besonderen Vorkehrungen wie Extra- Friseurbesuche bei ihrem Herannahen zu treffen. Wenn es Auseinandersetzungen deswegen gibt, mußt Du da halt durch, und "notfalls" kannst Du Deine Eltern ja auch rausschmeißen oder ihnen sagen: Wenn es euch bei mir nicht gefällt, müßt ihr halt woanders hinfahren. Mir ginge es jedenfalls gewaltig gegen den Strich, zu Hause nur wegen meiner Eltern Schuhe und Sokken anzuziehen.
Daß du ihnen auch wegen des Wechsels der Staatsbürgerschaft nix sagst, ist zwar auch zuerst und ausschließlich DEINE Angelegenheit, zeigt aber, daß Du ihnen von der Ferse bis zu den Zehen nicht die Bohne vertraust; dabei ist manches gar nicht so wild: Als ich meine Konfession wechselte, tat ich es ebenfalls heimlich, weil ich WUßTE, daß meine Eltern dagegen waren, und mir diesbezügliche Auseinandersetzungen ersparen wollte. Ungefähr ein Jahr später fanden sie es zufällig heraus, und es gab zunächst ein großes Theater (da mußte ich durch), bevor sie sich schließlich mit den Tatsachen abfanden, zumal ihnen letztlich nichts anderes übrig blieb. Die angenehme Langzeitwirkung besteht darin, daß ich offen darüber sprechen und entsprechend handeln kann, was mir viel lieber als jedes "Versteckspiel" ist. Ich möchte Dir mit diesen Zeilen Mut machen, den Bann, in dem Deine Eltern Dich im Grunde bis heute halten, zu brechen.

Barfüßige Frühlingsgrüße,
Markus U.


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