Barfußspaziergang in Zürich (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 04.04.2005, 10:25 (vor 7117 Tagen)

Samstag, 2.4.2005: Ich hatte die Rosenstadt Rapperswil mit dem Fahrrad verlassen. Es war immer noch so warm, daß ich lediglich in kurzen Hosen radeln konnte, ohne T-Shirt - und "selbstverständlich" ohne Schuhe. Ich wollte noch nach Zürich. Dort sollte am nächsten Tag der "Zürich-Marathon" stattfinden. Wäre ich erst am Sonntagmorgen Richtung Zürich geradelt, hätte ich wegen Straßensperrungen Umwege in kauf nehmen müssen. In Feldbach kam ich an einer Tankstelle vorbei. Normalerweise interessiere ich mich als Nicht-Autobesitzer nicht für Tankstellen. Aber Enten habe ich noch nie auf einer Tankstelle gesehen. Was die dort wohl wollten? Super bleifrei? Diesel? Oder gab es dort auch Flugbenzin (Kerosin)? Ein paar junge Leute hielten sich auch auf der Tankstelle auf und beobachteten die nicht alltäglichen Fluggäste. Bei der Gelegenheit fiel mir einer der jungen Männer auf. Er unterschied sich in einer Weise weder von den Enten, noch von mir: Er war barfuß!

Die nächsten Barfüßer sah ich aber erst wieder auf Zürcher Stadtgebiet, nämlich im Freibad Tiefenbrunnen. Obwohl die Sonne bereits hinter den Bergen zu versinken drohte, waren hier noch einige Leute barfuß, meistens in Kombination mit "Winterkleidung", einige Rentner aber auch noch in Badekleidung. Ich steuerte den Platz nur deswegen an, um die Fahrradkette zu ölen. Es kühlte dann schnell ab, ich mußte das T-Shirt überziehen, als ich das Velo die Seepromenade Richtung Zentrum und dann über die Quaibrücke Richtung Enge schob. In den Anlagen in der nähe der "Sauna" kettete ich mein Velo an (ich wußte nicht, ob ich es dort abstellen sollte, ein Schild verriet, daß dort ein Velo gestohlen wurde). Ich hatte noch einen barfüßigen Spaziergang durch die Stadt vor. Am Bürkliplatz zweigte ich in die Bahnhofstraße ab, hier wurde meine Barfüßigkeit kaum registriert. Wenn man schon mal barfuß in Zürich ist, dann darf der Hauptbahnhof nicht fehlen, besonders das Untergeschoß ist barfuß angenehm begehbar. Kurz bevor ich den Bahnhof verließ, fragte mich eine Gruppe von Jugendlichen, ob das nicht zu kalt sei. Dann die Frage: "Und an den Füßen?" Da merkt man wieder einmal, wie wenig Ahnung solche Leute haben. Seit wann friert man infolge nackter Füße mehr als durch das Tragen eines leichten Träger-T-Shirts? Ich überquerte die Limmat, wo auf einer Bank zwei Männer in sich zusammengesunken saßen. Da rief einer der Jugendlichen: "Sogar die Penner tragen Schuhe!" Wenigstens ein Zeichen dafür, daß sie mich NICHT für einen Penner hielten. Und wenn schon, dann wäre mir das auch egal.

Der Weg führte nun durch das Niederdorf, hier war viel Betrieb, auch standen draußen noch Tische und Stühle der vielen Beizen. An einem Tisch saß eine Familie, die kleine Tochter sprach: "Der Mann hat ein T-Shirt an!" Als ich näher kam: "Und kurze Hosen!" Der Blick fiel weiter nach unten: "Und keine Schuhe! Das ist doch kalt!" Darauf der Vater: "Kalt gar nicht mal. Hoffentlich tritt er aber nicht in Scherben, die hier überall herumliegen." Er hatte recht. An einigen Stellen lag zerbrochenes Glas, aber es gelang mir, immer daneben zu treten. Etwas mehr Platz war vor dem Großmünster. Ein Ehepaar kam mir entgegen. Der Mann sagte: "Hast du den gesehen. Vermutlich will der für den Papst beten." Das wollte ich nicht. Ich suchte einen Sitzplatz, und den fand ich vor dem Großmünster. Von hier fiel der Blick über die Straße hinweg zur Wasserkirche, über die Limmat zum verhüllten Fraumünster und zur Peterskirche mit der riesigen Uhr. Ab und zu bewegte sich der Panthograph eines Trams am Ort vorbei. Ein paar Jugendliche standen am Geländer und riefen "verdächtigen" Leuten nicht immer freundliche Worte zu. Mich sahen sie nicht. So konnte ich in Ruhe etwas essen. Eingerahmt von den vielen Kirchen dachte auch ich an den Papst. Würde er noch leben? Oder hatte ihn der liebe Gott von seinen Leiden erlöst? Was macht es da schon aus, daß der Papst einer anderen religiösen Richtung angehört als ich und daß in "seine" Kirche "andersgekleidete" nicht reingelassen werden!

Gegen 21.45 Uhr verließ ich den Münsterplatz, und zu meinem Fahrrad zurückzuwandern. Ab und zu hörte ich eine Stimme: "Der hat aber heiß". Ich erreichte das Rad, es war unberührt. Es war derart abgekühlt, daß ich eine Jacke benötigte. So radelte ich zunächst an der Uferpromenade zum Bahnhof Tiefenbrunnen und zurück durchs Seefeldquartier. Eine Radfahrerin sagte: "Gibt's denn so was?" Dann ging es nur noch bergauf, ich folgte den Tramgleisen Richtung Endhalt beim Zürcher Zoo. Autos waren nicht mehr viele unterwegs, auch in den Straßenbahnen saßen nur wenig Fahrgäste. Leute sahen mich an, als mir ein Tram entgegen kam. War es wegen meiner Kleidung? Oder nur die Tatsache, daß ich mich im Dunkeln noch mit dem Rad den Berg hinaufquäle. Beim "Bahnhof Zoo" bog ich Richtung Gochhausen ab, und kurz danach in ein Waldstück abzubiegen. hier fand ich meinen Schlafsack unter noch unbelaubten Bäumen, mein Dach war der Himmel von Zürich (aber nicht Bellevue mein Schlafplatz und die Limmat mein stilles Örtchen). Es war windstill, aber es wurde kalt. Einen ruhigen Schlaf fand ich nicht, andauernd hörte ich eine Turmuhr (die der Kirche Fluntern) prügeln. Aber der Boden war weich, und meine Füße verdienten Ruhe - bis zum nächsten Tag.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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