Ein Exot bei Exoten (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 14.02.2005, 11:27 (vor 7166 Tagen)

Am Samstag (12.2.2005) stieg die Temperatur auf angenehme +10°C, aber der starke Wind und Regen locken einen ja nicht unbedingt ins Freie. Gegen 11.30 Uhr aber gab es eine Regenpause, und ich konnte es nicht lassen, mal eben an die frische Luft zu gehen. Als Ziel hatte ich mir das Perry-Center http://www.perry-center.ch/ vorgenommen. Dieses Einkaufszentrum liegt nahe Oftringen, jedoch noch auf dem Gemeindegebiet von Aarburg. Ich wollte aber dort weder einkaufen (ich hatte noch genug), noch zum Friseur gehen (wäre zwar überfällig, aber aus reinem Protest tat ich es noch nicht), sondern mir nur die gegenwärtige Schildkrötenausstellung "mit fachkundiger Betreuung", wie es in der Zeitung hieß, ansehen. Anstatt über Straßen wollte ich nun den Feldweg parallel zum Fluß W i g g e r bzw. zum "Tych" benutzen. Ich rechnete mit matschigen Passagen. Da ich aber total vermatschte Schuhe und vollgespritzte Hosenbeine hasse (weniger wegen Aussehen, sondern wegen der Zeit, die ich in die Reinigung investieren müßte) wählte ich Kleidung, die, wenn es nicht Meinung gewisser "Damen" (und die irren sich bekanntlich nie) geht völlig asozial ist, dafür aber ausgesprochen praktisch: kurze Hosen und "selbstverständlich" barfuß. Da ich es andererseits auch nicht nötig habe, jeden bekloppten Modetrend mitzumachen, war bei mir auch kein Stück Schlüpfer oberhalb des Hosengürtels sichtbar. Bekanntlich ist ja das NICHT ASOZIAL (oder dürfen nur Frauen von diesem "Recht" Gebrauch machen wie bei so vielen Dingen?).

Kaum war ich draußen, doch wurde es mir mit Jacke zu warm, so daß ich sie im Rucksack verstaute. ich hatte mich nicht geirrt: Die Wege (bzw. die Wiesen neben den Wegen) waren matschig und angenehm kühl. Kinder, die mich sahen, fingen an zu lachen, wieder ein Fall von falscher Erziehung. Die wissen nicht, was sie verpassen. Viel zu schnell erreichte ich das Perry-Center. Ein Mann, der dort den Verkehr regelte (kein "richtiger" Polizist), meinte, als er mich sah: "So ist es richtig!" Ich kam am Fahrradstand vorbei, wo gerade ein paar jugendliche Mofafahrer sich zur Abfahrt rüsteten. Einer sprach, daß ich "der vom Heiternplatz" wäre. Auch die fingen lauthals am zu lachen, was ich natürlich nur mit einem überlegenen Grinsen quittieren konnte.

Ich betrat das Gebäude und ging schnurstracks auf ein Gehege mit Riesenschildkröten zu, ohne auf andere Leute zu achten. Eine Frau kam auf mich zu und fragte: "Entschuldigen Sie, gehören Sie zu den Schildkröten?" Hatte sie mich vielleicht für den angekündigten "fachkundigen Betreuer" gehalten? Wäre sicher auch ein Gag, daß sich der Betreuer in Sachen Kleidung so anlegt, wie es in der warmen Heimat der Schildkröten üblich ist (oder zumindest so, wie es sich der mitteleuropäische Laie vorstellt). Daß Leute auch schon barfuß angekommen sind, um exotische Tiere zu besuchen, auf die Idee kommt wohl kaum einer, weder der Besucher des Perry-Centers in Aarburg, noch der des Aquazoos in Düsseldorf, an den ich mich irgendwie erinnert fühle.

Als ich ein anderes Becken ansteuerte, sagte plötzlich ein Mädchen: "Schau mal da! Ih!" Ich blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Aber die Augen waren nicht etwa auf meine nackten Füße gerichtet, sondern nur auf eine Schlangenhalsschildkröte. Wenn dieses Tier den Kopf weit unter dem Panzer hervorstreckt, sieht es fast so aus, wie wenn eine Schlange unter einem Stein hervorkriecht. Anders als die Mädchen bin ich zwar nicht der Meinung, daß eine Schlangenhalsschildkröte "Ih" ist, aber "Iher" als nackte Füße ist sie allemal (dafür nicht asozial). Plötzlich sprach mich auch noch eine Arbeitskollegin an, die mit einer älteren Frau (vermutlich ihrer Mutter) im Einkaufszentrum war, allerdings war meine Aufmachung kein Thema.

Ein Thema war die Aufmachung jedoch für einen Herrn in bester Kleidung. Er kam auf mich zu, gab mir die Hand, nannte seinen Namen, der identisch war mit demjenigen, der in der Zeitung als Direktor bezeichnet wurde. "Den muß ich mir doch ansehen. Meine Angestellten hatten schon geglaubt, da wollte einer bei den Schildkröten baden." Als ich ihm erzählte, daß ich so von Zofingen zu Fuß gekommen sei, meinte er: "Finde ich toll!" Wäre es anderswo üblich, daß der Herr Direktor sein Büro verläßt und sich persönlich zum "Exoten" begibt? Etwa Im Phönix-Center in Harburg? Dort wäre man zumindest unbehelligt geblieben. Oder in einem Londoner Kaufhaus? Dort wäre man spätestens am Türsteher gescheitert! Der hätte einen ohne Umschweife verwiesen. Oder gar in den USA? Dort hätte einen die Polizei abgeholt und mit etwas Glück gleich auf freien Fuß gesetzt (solange man Europäer oder weißer Amerikaner ist) oder gleich über Wochen im Gefängnis eingesperrt, wenn man "Neger" oder Mexikaner ist. Was wäre anders gewesen, wenn statt der Schildkröten "richtige" Kröten ausgestellt wären? Dann hätte es noch mehr "große Glotzaugen" gegeben, und zwar genau doppelt soviel Glotzaugen mehr wie es Amphibien gehabt hätte.

Ich verließ das Perry-Center und ging weiter in Richtung Aarburg. Eine Frau sprach: "Sie haben aber Mut", während ich sichtbar erfreut mit nackten Füßen über den nackten Boden einer Baumschule "stiefelte". Als ich sprach, daß das gesund sei, meinte sie: "Ehrlich gesagt, auf die Idee wäre ich nie gekommen!" Etwas später schritt ich an 2 älteren Frauen vorbei, die gerade beim Tratschen waren. Eine fragte: "Ist das etwa eine Kneipp-Kur?" Ich bejahte. Alle Leute, denen ich jetzt noch begegnete, lächelten freundlich. Leider fing es wieder an zu regnen, sehr stark sogar, so daß ich umkehrte und zurück nach Zofingen ging, und zwar über Matschwege, durch knöcheltiefe Pfützen usw.

Übrigens: Ende März/Anfang April werden Echsen im Perry-Center ausgestellt.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Trend

Lothar, Stammposter, Monday, 14.02.2005, 16:54 (vor 7166 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Da ich es andererseits auch nicht nötig habe, jeden bekloppten Modetrend mitzumachen, war bei mir auch kein Stück Schlüpfer oberhalb des Hosengürtels sichtbar. Bekanntlich ist ja das NICHT ASOZIAL (oder dürfen nur Frauen von diesem "Recht" Gebrauch machen wie bei so vielen Dingen?).

Ich dachte eigentlich, dieser Trend wäre schon lange wieder vorbei.
Außerdem kenne ich den eigentlich nur von normalerweisse gut aussehenden Männern, die in den absichtlich unförmigen Trendjeans unterwegs sind, die relativ weit unten hängen und wo dann die halbe Unterhose,natürlich auch irgendeine teure In-Marke sichtbar ist.
Normalerweise ist dabei dann ein braungebrannter und gut trainierter Oberkörper zu sehen. Im Winter habe ich diese Beobachtung allerdings noch nicht gemacht.

Ich betrat das Gebäude und ging schnurstracks auf ein Gehege mit Riesenschildkröten zu, ohne auf andere Leute zu achten. Eine Frau kam auf mich zu und fragte: "Entschuldigen Sie, gehören Sie zu den Schildkröten?" Hatte sie mich vielleicht für den angekündigten "fachkundigen Betreuer" gehalten? Wäre sicher auch ein Gag, daß sich der Betreuer in Sachen Kleidung so anlegt, wie es in der warmen Heimat der Schildkröten üblich ist (oder zumindest so, wie es sich der mitteleuropäische Laie vorstellt).

Wenn die Dame den barfüssigen Australier Rob Braddle im Fernsehen gesehen hat, der dort alle möglichen Tiere präsentiert, ist sie sicher davon ausgegangen, dass es völlig normal ist, dass ein Tierbetreuer seine Arbeit barfuss verrichtet.

Lothar

Rob Bredl heißt der barfüßige Schlangenfänger...

Lorenz ⌂, Stammposter, Monday, 14.02.2005, 21:38 (vor 7165 Tagen) @ Lothar

[image] [image]

Hallo Lothar,

Wenn die Dame den barfüssigen Australier Rob Braddle im Fernsehen gesehen hat, der dort alle möglichen Tiere präsentiert, ist sie sicher davon ausgegangen, dass es völlig normal ist, dass ein Tierbetreuer seine Arbeit barfuss verrichtet.

Rob Bredl's Vater ist aus Europa eingewandert. Der faszinierende Typ sieht ziemlich bajuwarisch aus. Seine Homepage:

[image] Barefoot Bushman

Trend

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 15.02.2005, 07:39 (vor 7165 Tagen) @ Lothar

Hallo Lothar!

Michael:

Da ich es andererseits auch nicht nötig habe, jeden bekloppten Modetrend mitzumachen, war bei mir auch kein Stück Schlüpfer oberhalb des Hosengürtels sichtbar. Bekanntlich ist ja das NICHT ASOZIAL (oder dürfen nur Frauen von diesem "Recht" Gebrauch machen wie bei so vielen Dingen?).

Lothar:

Ich dachte eigentlich, dieser Trend wäre schon lange wieder vorbei.

Außerdem kenne ich den eigentlich nur von normalerweisse gut aussehenden Männern, die in den absichtlich unförmigen Trendjeans unterwegs sind, die relativ weit unten hängen und wo dann die halbe Unterhose,natürlich auch irgendeine teure In-Marke sichtbar ist.
Normalerweise ist dabei dann ein braungebrannter und gut trainierter Oberkörper zu sehen. Im Winter habe ich diese Beobachtung allerdings noch nicht gemacht.

Michael:
Was ich oben erwähnte, bezog sich in erster Linie auf Frauen und war in erster Linie ein Seitenhieb auf eine in einem anderen Thread erwähnte Frau, die das Barfußlaufen bei ALLEN MÄNNERN außerhalb von Wohnung und Freibad für "asozial" halten und das sichtbare Tragen von Unterwäsche bei JUNGEN FRAUEN in der Öffentlichkeit als "trendig" halten. Da ich weder besagte Frau kenne, noch bei der Diskussion dabei glaube, kann ich nur VERMUTEN, daß sie das Barfußlaufen bei Frauen für "normal" hält und das sichtbare Tragen von Unterwäsche bei Männern für "asozial". Meines Erachtens ist das Delikt für asoziales Verhalten erst dann erfüllt, wenn die Allgemeinheit (egal ob barfüßig oder fett beschuht) darunter leidet, etwa das Zerdeppern von Flaschen auf der Straße, das Aufschlitzen von Sitzen in Bussen und Bahnen oder die "Hundesäuberung" in Nachbars Garten anstatt im eigenen.

Ob der "Modetrend" vorbei ist, kann ich nicht sagen. Bei Männern ist mir das erst einmal aufgefallen, und das war auch noch an einem Flußufer und im Sommer. Wobei die Bezeichnung "Mann" vielleicht übertrieben ist, er befand sich vielleicht gerade in dem Alter, in dem er laut "Ratinger Gesetzbuch, Paragraph 17, Absatz 45a" keine kurzen Hosen mehr außerhalb der Winterzeit und in Kombination mit nicht-barfuß tragen "darf". Obwohl außerhalb der "Ratinger Bannmeile" gelegen, so beachtete er dieses Gesetz, indem er überlange Jeans trug. Er war mit dem Mofa angereist und entledigte sich seines Helms seiner Jacke, nachdem er abgestiegen war. Meines Erachtens war es auch kein "Modetrend", daß die Unterhose sichtbar wurde, sondern nur die Folge eines fehlenden Gürtels. Auch konnte ich nicht erkennen, ob es sich um eine teure Unterhose mit "Schnappi, dem Krokodil" oder eine 0815-Unterhose von "Spießer-Menfit" handelte. Es dauerte übrigens Stunden, bis sich der junge Mann auch seiner Turnschuhe und Socken entledigte. Er lief offensichtlich selten barfuß, wie man aus der Farbe der Haut interpretieren konnte.

Anders die 3 jungen "Damen", die kurze Zeit später auch mit Mofas kamen: Die Helme hingen bereits während der Fahrt am Lenker, Flipflops und T-Shirts wurden sofort ausgezogen, nicht aber die langen Jeans. Sie fanden es offensichtlich "schick", das Bikiniunterteil besonders hochzuziehen, um so am Strand herumzugehen. Als eine ein paar Schritte ins Wasser wagte, stürzte sie. Hinterher "mußte" sie die nasse Hose ausziehen, und die restliche Zeit in Badekleidung am Strand verbringen. Zu kalt war es sicher nicht, aber von den anderen wurde sie gehänselt.

Obwohl sich die jungen Leute in einem Alter befanden, in dem sie eigentlich über jede Kleidung anderer lästern, kam ich ungeschoren davon. Vielleicht ist es für die auch nicht "asozial", daß ein Mann über 40 am Strand eine Badehose trägt und dazu barfuß läuft. Wie die wohl reagiert hätten, wenn sie gesehen hätten, wie ich mit dem Fahrrad später losfuhr, ohne Schuhe dabeizuhaben? Wäre vielleicht interessant gewesen - aber nicht interesant genug, um deswegen eher den Strand zu verlassen.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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