Barfüßige "Frühjahrswanderung" am 1. Weihnachtstag (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 27.12.2004, 11:33 (vor 7215 Tagen)

1. Weinachtstag 2004, ein Samstag. Der Wetterbericht hatte im Osten föhnbedingte Aufhellungen angekündigt, dabei vergleichsweise milde Temperaturen, jedoch im Laufe des Tages zunehmend regnerisch. Sollte ich diesen Tag nicht irgendwie barfußtechnisch nutzen? Wie froh war ich, daß ich in der Schweiz war, wo ich außerhalb der Arbeitszeit barfuß laufen darf, wann es MIR paßt und nicht mich den Sattelbefehlen notorischer Barfußgegner beugen mußte. ERSTMALIG besaß ich die Unverfrorenheit, über Weihnachten bei meinen Eltern durch Abwesenheit zu glänzen. Wenn die doch wüßten, wie ich sie am Tag zuvor durch meine Barfüßigkeit "betrogen" habe. Da ich aber ein "anständiger" Mensch bin, bin ich immerhin so taktvoll und rufe sie nicht extra an mit den Worten: "Ätsch! Ich bin gestern barfuß gelaufen. Hat richtig Spaß gemacht! Und ihr mußtet in dicken Wollsachen und fetten Schuhen in der überheizten Stube Karpfen fressen und Alkohol saufen!"

Die Nacht war klar gewesen, die Temperatur auf +1°C gesunken! Gegen 8.30 Uhr verließ ich meine Wohnung, und zwar barfuß, wie es sich für einen "vernünftigen" Menschen gehört. Da ich nicht wußte, wie lange das trockene Wetter anhalten würde, steckte ich auch Regenkleidung in den Rucksack, jedoch keine Schuhe. Wieder führte mein Weg an einem Altglascontainer vorbei, wo ich auch gleich Leergut entsorgte. Am Container stand ein Auto, in dem ein Mann saß, der offensichtlich nicht glaubte, was er sah. Dann ging ich ein Stück über den Bahnsteig des Zofinger Bahnhofs. Der Bahnsteig war stark gesplittet. Ich gehe einmal davon aus, daß die Bahnverantwortlichen den Bahnsteig "nur" deswegen splitten ließen, damit niemand vor den Zug rutschte. Es handelte sich sicher nicht um einen Akt gegen Barfüßer, die man zum Schuhe Tragen nötigen will. Einer amerikanischen Bahnverwaltung traue ich barfußfeindliches Gedankengut zu, nicht aber den SBB. Ein Regionalzug rollte ein, die Fahrgäste trauten ihren Augen kaum.

Der Weg führte nun durch die Zofinger Altstadt, in der nur wenige Leute waren, keiner schenkte meinen nackten Füßen Beachtung. Nirgendwo Penner, nirgendwo Frauen mit aufgedunsenen Gesichtern und nirgendwo Polizei, und das die ganze Weihnachtszeit über! Schnell war die Altstadt durchquert, ich erreichte ein Wohnquartier. Offensichtlich stand jemand hinter einer Gardine. Obwohl ich nichts sehen konnte, hörte ich in einem Haus eine laute Kinderstimme: "BARFUSS!" Allmählich setze das Geläut der Kirchen Zofingens und der umliegenden Gemeinden ein. Mir kamen gutgekleidete Leute in Autos entgegen, mit schwarzen Anzügen, Krawatten, teilweise Hüten und (vermutlich) fetten Schuhen. Wie soll man letzteres auch bei Leuten, die im Auto sitzen, erkennen können? Leute, die mir zu Fuß entgegen kamen, starrten zu Boden. Über Oftringen wanderte ich nach Aarburg und dann weiter auf der Kantonsstraße nach Olten. Vorbeifahrende Autofahrer drehten ihre Köpfe zur Seite. Ein Mann fragte mich, ob es nicht zu kalt sei.

Wenn ich schon mal in Olten bin, dann lasse ich es mir nicht nehmen, barfuß die verschiedenen Böden des Hauptbahnhofs zu testen. Daß ich dort manches Auge zum Glotzen brachte, konnte ich nur mit einem Grinsen quittieren. Irgendwo hörte ich eine Stimme: "Der schon wieder!" Nachdem ich den Bahnhof abgeklappert hatte, überquerte ich die gedeckte Holzbrücke, drehte eine Rund durch die Altstadt, überquerte wieder die Holzbrücke, folgte der Aare bis zur Gäubrücke, überquerte auch diese, dann ging es immer der Aare entlang Richtung Süden.

Es war Mittagszeit, als ich einen besonders romantischen Teil dieses Wanderweges erreichte. Die Aare hat hier eine recht starke Strömung, der Weg ist quasi in den Felsen eingehängt. Die Bänke, die hier stehen, lagen im Schatten, jedoch eine Felsinsel, die knapp einen halben Meter vom Weg entfernt lag und ich nach Klettern über das Geländer erreicht hatte, lag im warmen Sonnenschein, kein Wind erreichte mich. Es war hier wirklich so warm, daß ich meine Sommerjacke ausziehen "mußte", als ich Verpflegung aus dem Rucksack zu mich nahm. Das T-Shirt mußte ich allerdings anbehalten. Nur eine Palme auf dem Felsen hätte meine Stimmung noch sommerlicher machen können, aber Düsseldorf kann doch nicht überall sein. Also mußte ich die Palme hinzudenken und die Kekse, die ich verzehrte, für Eis halten. Aber das Rauschen der Aare war echt, da mußte man nichts hinzudeuten. Gerade eine Person wanderte den Weg entlang, während ich auf dem Felsen in der Aarbrandung den "Sommer" genoß. Es war eine ältere Frau, die fragte: "Ist das nicht zu kalt?" Als ich diese Frage beantwortete, fragte sie: "Aber schwimmen gehen Sie wohl nicht!" "Hier würde ich auch im Hochsommer nicht schwimmen. Hier kann man leicht mit den Knien gegen die Steine stoßen!" Sie fragte noch, woher ich kam, was ich beantwortete. Sie fand es toll und wünschte mir noch frohe Weihnachten. Vermutlich hat sie angenommen, daß ich ein "unechter" Barfüßer war, der lediglich auf dem Felsen Schuhe, Jacke und lange Hosen ausgezogen hätte, um sie beim Weiterwandern wieder anzuziehen. Man kann nicht alles wissen.

Ich wanderte weiter nach Aarburg, die Jacke benötigte ich an diesem Tag auch nicht mehr. Anstatt gleich nach Zofingen zu wandern, folgte ich der Aare noch bis zur Wiggermündung und ging dann wieder zurück zur "Wog". Ein Schwan hatte das Wasser verlassen und verzehrte an Land das was die Leute ihm zu Weihnachten gegeben hatten. Da ich ohne lärmintensives Schuhwerk unterwegs war, konnte ich auch ganz nah an das stolze Tier herangehen. Schneeweißes Gefieder, oranger Schnabel, und dann die schönen, fast schwarzen Füße. So, jetzt muß ich schnell das Thema wechseln, da sonst mein Beitrag wegen "Fußfetischismus" gelöscht wird! Was wohl die Leute dachten, wie sie mich in meiner nicht kalenderkonformen Aufmachung neben dem großen Vogel sahen.

Weiter ging ich über Quartiersstraßen. Da die Sonne immer noch warm vom Himmel schien, wich ich vom ursprünglichen Weg ab und folgte einem matschigen Trampelpfad, den ich noch nie vorher begangen war. Stellenweise war es möglich, auf dem Gras Anlauf zu nehmen und dann auf dem Matsch wie auf Eis zu glitschen. Wenn schon keine Eisbahn vorhanden ist, dann geht es halt auch so. Und anders als in Düsseldorf wurde ich nicht von irgendeinem angepöbelt. Im Gegenteil! Die Leute, die mir hier entgegen kamen, schienen sich selber über das (noch) schöne Wetter zu freuen. Allerdings kam keiner auf die Idee, die Schuhe auszuziehen und barfuß über die Wiesen zu gehen. Die wissen nicht, was sie versäumt haben.

Es folgten wieder Straßen. Ich erreichte die Zofinger Altstadt, während der Himmel sich bezog. Ein Arbeitskollege kam mit dem Fahrrad vorbei und sagte: "Das kann nur einer sein! Wenn deine Mutter wüßte, was du hier so treibst, dann wird sie ernsthaft böse!" Wie recht er doch hat! Ein Mädchen rief zu den Eltern: "Schaut nur, der Mann, barfuß!" Die meisten Leute in der Altstadt nahmen aber keine Notiz von meiner Aufmachung. Ein älterer Mann, der sah, wie ich scheinbar unbeschwert über das Kopfsteinpflaster schritt, meinte nur: "Was der macht, ist gesund!" Da die Wolken immer dunkler wurden und ich einerseits nicht zu früh zu Hause sein wollte, andererseits aber auch nicht vom Regen überrascht werden wollte, näherte ich mich spiralförmig meiner Wohnung, was eine richtige Entscheidung war. Zweihundert Meter vor meiner Wohnung fing es zu regnen an. Kaum war ich um 15 Uhr im Haus, da goß es in Strömen. Der Regen hielt ohne Unterbruch auch den 2. Weihnachtstag an, auch jetzt ist es noch naß, während die umliegenden Erhebungen bereits eine Schneekrume haben.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ein barfüßiger Ausflug am "Heilignachmittag", eine barfüßige "Frühjahrswanderung" am 1. Weihnachtstag, ein barfüßiger Aufenthalt am verregneten 2. Weihnachtstag (Stephanstag) in meiner Wohnung behufs Erledigung fast überfälliger Dinge, zu denen ich bisher nie gekommen bin, ist sicher die bessere Wahl gewesen als in den üblichen Weihnachtstrott zu verfallen, mit fettem Essen und fettem Schuhwerk bei den Eltern in einer Gegend, in der ich nichts mehr zu suchen habe.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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