Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 12:50 (vor 7222 Tagen)

Am 9.12.2004, also unmittelbar vor dem Barfußtreffen in Düsseldorf, erzielt ich von der Abteilung "Soziale Dienste Zofingen" folgenden Text (Namen usw. lasse ich aus):

"Verhalten in der Öffentlichkeit:
Wir haben erfahren, daß Sie jeweils nur mit einer Turnhose und einem ärmellosen Unterleibchen bekleidet (Sommer und Winter) angetroffen werden.
Wir kennen Ihre Motivation hierfür nicht, stehen aber bei allfälligen persönlichen oder finanziellen Schwierigkeiten gerne zur Verfügung."

Zu diesem Schrieb, der einmal nicht richtig zutrifft, zum anderen nicht alles wiedergibt, jedoch auch nicht völlig aus der Luft gegriffen ist antwortete ich per Mail:

"Sehr geehrter...,

ich habe Ihr Schreiben erhalten, zu dem ich nun Stellung nehmen möchte. Es ist wahr, daß ich in meiner Freizeit in der Regel "nicht übermäßig winterlich" bekleidet bin. Am Arbeitsplatz (ich bin seit 1.2.1989 Entwicklungschemiker bei ...) trage ich selbstverständlich etwas anderes, nämlich Krawatte und lange Hosen. Aber auch während der Freizeit trage ich im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kein ärmelloses Unterleibchen, sondern eine Jacke. Kurze Hosen sind bei der Temperatur durchaus im Rahmen des möglichen. In der von Ihnen erwähnten Kleidung war ich zuletzt im Oktober unterwegs, was in meinen Augen noch kein Winter ist. Bei der Gelegenheit möchte ich noch mitteilen, daß ich auch gelegentlich ohne Schuhe unterwegs bin. Meines Erachtens gibt es zumindest in der Schweiz keine Gesetze, die das Barfußlaufen und das Tragen kurzer Hosen in irgendeiner Form verbieten. Das zählt weder als "Erregung öffentlichen Ärgernisses", noch als Ordnungswidrigkeit. Oder ist so etwas oberhalb einer bestimmten Temperaturgrenze erlaubt und unterhalb verboten?

Haben Sie die Information von der Polizei erhalten? Im Oktober wurde ich tatsächlich während einer Wanderung (Safenwil, Aarau, Olten, Aarburg) in der von Ihnen erwähnten Kleidung "erwischt", und zwar gleich zweimal (in Obergösgen und Zofingen). Ende November wurde ich in Dagmersellen erwischt, allerdings in etwas wärmerer Kleidung. Oder wurden Ihnen Mitteilungen von Privatpersonen zugespielt? Vermutlich sind Sie dazu verpflichtet, mir die Namen der Denunzianten nicht zu nennen, aber trotzdem würde mich interessieren, aus welchem Personenkreis diese Leute stammen. Würde es sich um Leute handeln, die mich nicht persönlich kennen, sondern mich nur gesehen hätten, dann hätten Sie auch nicht gewußt, um welche es sich bei der Angelegenheit handelt. Oder handelt es sich um Nachbarn? Oder handelt es sich sogar um (ehemalige) Arbeitskollegen? Welchen Grund hätten sie denn, mich anzuzeigen?

Der Beruf eines Chemikers bei ... wird so gut bezahlt, daß die Anschaffung von Kleidung nicht im Bereich des Unmöglichen liegt. Und da ich von der Personalabbauwelle bei .... (noch) nicht betroffen bin, liegt auch noch kein Grund vor, für den "Ernstfall" zu üben. Ich gehe einmal davon aus, daß die Art der Freizeitkleidung kein Kündigungsgrund ist, solange man bei der Arbeit "ordentlich" gekleidet ist und seine Arbeit zur Zufriedenheit des Arbeitgebers verrichtet. Oder täusche ich mich da?

Sicher sind die verschiedenen behördlichen Abteilungen innerhalb der Stadt Zofingen vernetzt. Ein Blick in meine "Steuerakten" hätte Sie sicher auch überzeugt, daß hohe Schulden kein Grund für meine "ärmliche" Kleidung sein kann, im Gegenteil: Der Posten "Schulden" ist leer, während der Posten "Vermögen" zwar Peanuts gegenüber ist gegenüber dem, was ein Bill Gates, ein Christoph Blocher oder ein Martin Ebner aufzuweisen hat, aber trotzdem nicht absolut vernachlässigbar ist.

Finanzielle Schwierigkeiten habe ich also nicht. Und persönliche? Etwa, weil ich immer noch unverheiratet bin? Nein, für mich gilt "Entweder man ist ledig - oder erledigt!" Oder weil meine Eltern mich immer noch nicht in Ruhe lassen, obwohl ich mittlerweile 48 Jahre alt bin? Meine Eltern (normalerweise wohnen sie im Raum Hamburg) besitzen nämlich die Unverfrorenheit, mich jeden Sommer für fast 3 Wochen in Zofingen zu besuchen. Es ist nicht möglich, sie mit "guten Worten" beizubringen, daß mir ihr Aufenthalt in meiner Wohnung auf die Nerven geht, da ich mich in ihrer Gegenwart eingeengt fühle? Wohl kaum!

Warum ich überhaupt das mache? Es hat gesundheitliche Gründe. Erkältungen haben bei mir Seltenheitswert. Seitdem ich auch häufiger barfuß laufe, haben sich Knie- und Rückenprobleme deutlich verbessert. Andere Leute, die in überheizten Wohnungen leben und bereits im September bei 20°C mit dicken Jacken und fetten Stiefeln unterwegs sind, leiden ständig unter Erkältungen und verursachen unnötige Kosten durch Abwesenheit am Arbeitsplatz und sind dafür verantwortlich, daß die Krankenkassenkosten ins Unermeßliche steigen, aber auch AHV, IV und die Pensionskassen werden durch verantwortungslose und ungesunde Lebensweise unnötig geschröpft. Schuld sind auch die Eltern, die unwissentlich (sie meinen es ja nur gut) ihre Kinder viel zu dick einhüllen. Diese Kinder werden derart verweichlicht, daß sie kaum bis Erreichen des Pensionsalters arbeitsfähig bleiben.

Bei der Gelegenheit möchte ich noch erwähnen, daß auch die Stadt Zofingen etwas für die Gesundheit der Bewohner tun kann (vermutlich sind Sie nicht der richtige Ansprechpartner): Mit welcher Begründung wurde beim Kinderspielplatz am Trottenweiher ausgerechnet dieser fiese Bruchschotter als Untergrund verwendet? Da Barfußlaufen gesund ist und Kinder das auch normalerweise gerne tun, warum werden sie durch Verwendung dieses unangenehmen Untergrundes daran gehindert? Besorgte Eltern werden ihre Kinder zum Tragen von Schuhen zwingen, weil sie Angst haben, die Kinder könnten sich daran verletzen, was in diesem Fall sogar berechtigt ist. Übrigens: Nicht nur Kinder laufen gerne barfuß, auch viele Erwachsene würden es gerne machen, sie trauen sich nur nicht, weil man "so was nicht tut".

Jetzt bin ich aber etwas zu weit ausgeschweift, da das mit Ihrer Tätigkeit überhaupt nichts mehr zu tun hat. Oder vielleicht indirekt? Gesunde und zufriedene Bürger haben weniger Laster, und somit haben Sie auch weniger Arbeit und Ärger damit."

Daraufhin rief der zuständige Beamte mich im Büro an und erklärte, daß ich wirklich nichts verbotenes mache. Auch hätte er von der STADTPOLIZEI Zofingen davon erfahren. Dabei wurde ich bisher in der Schweiz nur von der Kantonspolizei kontrolliert, nie von der Zofinger Stadtpolizei. Entweder stehen die verschiedenen Polizeiorganisationen miteinander in Verbindung oder aber ein Mensch, der mich persönlich kennt, hat mich angezeigt.

Auch heute scheint bei vielen Leuten Barfüßigkeit und/oder leichte Kleidung noch gleichbedeutend mit Armut zu sein!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Schreiben fürs amt eindeutig zu lang

Markus (ME), Stammposter, Monday, 20.12.2004, 13:00 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Der Text ist, gerichtet an ein Amt gleich welcher Art, eindeutig zu lang. Das ist fast schon ein Roman. Ich kann aus Erfahrung nur sagen, daß ein Text umso eher Gehör findet, je knapper und signifikanter er formuliert ist. Hier gilt eindeutig die Regel: Weniger ist mehr!

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Lothar, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 14:59 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Am 9.12.2004, also unmittelbar vor dem Barfußtreffen in Düsseldorf, erzielt ich von der Abteilung "Soziale Dienste Zofingen" folgenden Text (Namen usw. lasse ich aus):
"Verhalten in der Öffentlichkeit:
Wir kennen Ihre Motivation hierfür nicht, stehen aber bei allfälligen persönlichen oder finanziellen Schwierigkeiten gerne zur Verfügung."

Bedauerlicherweise ist dies aber mittlerweile in vielen Ländern der Welt und im zunehmenden Maße auch in Deutschland Tatsache; gemäß der Hartz IV-Berechnung steht einem Kind pro Monat der gigantische Betrag von 1,96 Euro für Spielsachen und Vergnügungsausgaben wie z.B. Rummelplatz zur Verfügung; wenn der Kleidungsbedarf ähnlich knapp gerechnet ist haben wir auch bald rumänische Verhältnisse
http://www.presse.ro/armut.html

So gesehen ist es eigentlich toll, dass in der Schweiz noch behördlich gegen solche Zustände eingegriffen wird; mangels Geld in den Sozialkassen dürfte das in Deutschland nicht mehr der Fall sein.

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Walter ⌂ @, Monday, 20.12.2004, 15:16 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Lieber Michael

Wie Du weisst, kenne ich Zofingen recht gut. Es ist ein kleines, freundliches Städtchen mit netten Einwohnern (andere wird es wohl auch geben!). Ich glaube tatsächlich, dass die Sozialen Dienste es gut mit Dir gemeint haben, als Du diesen etwas seltsamen Brief erhieltest. Und vielleicht wurdest Du bei der Stadtpolizei gar nicht angezeigt, sondern ein Stadtpolizist hat sich gesagt, dass er diesem armen Mann doch allenfalls helfen müsse. Dann hat er sich ganz diskret um Deinen Namen bemüht und ihn auch ausfindig gemacht, was in Zofingen, wo doch (fast) jeder jede(n) kennt, kein Wunder ist. Dann allerdings kommt das Problem, dass die Sozialen Dienste Deine Steuererklärung nicht angeschaut haben. Dafür habe ich etwa drei Erklärungen:
1. Ämter pflegen tatsächlich nicht immer gut zusammenzuarbeiten, nach dem Motto, dass die Linke nicht wissen soll, was die Rechte tut.
2. Vielleicht *darf* ja das Steueramt gar keine Auskünfte erteilen, es sei denn, es liege z.B. ein dringender Verdacht auf einen Straftatbestand vor.
3. In der Regel pflegen die Steuerpflichtigen bei der Steuererklärung zu untertreiben. Aber vielleicht gibt es auch welche, die sich schämen, ihre bescheidenen Verhältnisse zuzugeben, und die deshalb mehr deklarieren als sie haben. Zugegeben: unwahrscheinlich, aber doch denkbar...

So, jetzt habe ich den guten Zofingern wieder einmal die Stange gehalten, wie es sich für einen Fastzofinger gehört (Mutter Bürgerin von Wikon und aufgewachsen in Oftringen!). Ich hoffe, dass mir dafür das Ehrenbürgerrecht dieser noblen Stadt verliehen wird!

Auf jeden Fall hoffe ich aber, dass Du die ehrenwerten Einwohner von Zofingen und Umgebung weiterhin schockierst! Alles Gute und schöne Festtage wünscht Dir

Walter

[image] Meine Fotos

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Booker ⌂, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 16:14 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Am 9.12.2004, also unmittelbar vor dem Barfußtreffen in Düsseldorf, erzielt ich von der Abteilung "Soziale Dienste Zofingen" folgenden Text (Namen usw. lasse ich aus):
"Verhalten in der Öffentlichkeit:
Wir haben erfahren, daß Sie jeweils nur mit einer Turnhose und einem ärmellosen Unterleibchen bekleidet (Sommer und Winter) angetroffen werden.
Wir kennen Ihre Motivation hierfür nicht, stehen aber bei allfälligen persönlichen oder finanziellen Schwierigkeiten gerne zur Verfügung."

Hallo Michael,

ich möchte hier nicht als Moralapostel auftreten oder Partei für Behörden ergreifen.....aber das obíge Anschreiben ist doch eigentlich sehr nett und hilfsanbietend formuliert. Warum wunderst Du Dich, wenn Menschen auf Dich aufmerksam werden und sich vielleicht sogar Sorgen machen wenn sie Dich im Winter barfuß und in kurzen Hosen sehen.

Sieh das doch nicht immer als persönlichen Angriff. Es hat Dich sicherlich auch niemand denunziert. Vielleicht hat Dich irgendjemand aus Zofingen gesehen der Dich nicht kennt und sich dabei gedacht....Mensch, dem Mann muss geholfen werden! Natürlich hat dass eigentlich niemanden zu interessieren was Du machst, aber es ist und bleibt nunmal ein seltenes Bild jemanden im Winter barfuß auf der Straße anzutreffen.

Was glaubst Du wohl war hier in meiner Stadt los, als im Sommer über mein barfüßiges Hobby in der Zeitung berichtet und anschließend auch noch ein Fernsehbeitrag im TV ausgestrahlt wurde......

Die meisten Leute die mich nicht kannten haben hinter vorgehaltener Hand gelächelt. Im Kollegenkreis war "Spiesrutenlaufen" angesagt! Das war mir aber vorher klar. Es gab aber auch Bewunderer und Fürsprecher. Ich wurde sogar einige Male im Dienst von Passanten mit den Worten angesprochen.....Sie kenn ich, Sie sind doch der barfüßige Polizist! Obwohl dass ja garnicht der Fall ist. Im Dienst bin ich nie barfuß unterwegs. Es müßte also richtigerweise heissen,....der Polizist, der in seiner Freiziet barfuß läuft.

Tja, so sind die Menschen eben.....wir neigen alle dazu ständig zu bewerten, zu beurteilen und zu richten. Es gibt aber Ausnahmen....und unter diesem Aspekt solltest Du das obige Anschreiben an Dich sehen. Die Leutchen vom Amt haben sich bestimmt Sorgen gemacht.....klingt lustig, ist aber sicherlich so.

Hier in Deutschland wäre das in der heutigen Zeit undenkbar. Aber das Vorurteil bleibt......wer barfuß läuft muss arm sein ;-) Deshalb mach weiter so und zeig allen Leuten in Deiner Gegend dass es nicht so ist! Geh mit gutem Beispiel voran und rede mit den Leuten. Vielleicht erreichst Du damit ein Umdenken.

In diesem Sinne....

schönen Tag

Gruß

Booker

[image] Barfuß.........eigentlich banal......

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

FrankX, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 16:38 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

[image] [image]

Hallo Michael,

Barfüsser werden wahrscheinlich wirklich mit Armen und Hilfsbedürftigen assoziiert. Dieses Inserat ist mir vor kurzem in der Zeitung ins Auge gestochen und stammt von der Heilsarmee.

Gruss,

Frank

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Ralf RSK, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 16:47 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo,

"... stehen aber bei allfälligen persönlichen oder finanziellen Schwierigkeiten gerne zur Verfügung"

für mich hört sich das danach an, dass man sich Sorgen macht und dir Hilfe anbieten will. Phantastisch! Ich kenne das eher so, dass man seinen Bedarf, so man einen hat, persönlich beim Sozialamt vorbringen und einfordern muss. Von den "Sozialen Diensten" deiner Stadt, die ihre Hilfen so bereitwillig anbieten, könnte sich manches deutsche Sozialamt wohl eine Scheibe abschneiden.

Wenn du das Schreiben auch offenbar als Angriff, der auf "Denunzierung" basiert, auffasst, hat das m. E. wenig mit der Intention des Verfassers zu tun. Und warum meinst du denn immer, man würde dich anzeigen, dich denunzieren? Ist es denn so schwer zu verstehen, dass sich Mitmenschen vielleicht einfach Sorgen machen (seien es nun Mitarbeiter der Stadtpolizei oder andere Bürger) und dies auch an die zuständigen Dienste weitergeben? Für mich ist das eher Ausdruck eines funktionierenden, seine Verantwortung wahrnehmenden Gemeinwesens, denn der von dir stets unterstellten Verfolgung und Missbilligung.

Gruß, Ralf

P.S.: Ich habe gerade vor ein paar Tagen meinen Kleiderschrank ausgemistet und die noch gut erhaltenen Sachen in einen Karton gepackt und einer Bekannten gebracht, die bei der Caritas arbeitet. Weil es nämlich TATSÄCHLICH Menschen gibt, die jetzt im Winter nur unzureichende Kleidung besitzen. Insofern ist deine Beitragsüberschrift sooo abwegig gar nicht.

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Waldemar, Monday, 20.12.2004, 18:50 (vor 7222 Tagen) @ Ralf RSK

Ich habe gerade vor ein paar Tagen meinen Kleiderschrank ausgemistet und die noch gut erhaltenen Sachen in einen Karton gepackt und einer Bekannten gebracht, die bei der Caritas arbeitet. Weil es nämlich TATSÄCHLICH Menschen gibt, die jetzt im Winter nur unzureichende Kleidung besitzen. Insofern ist deine Beitragsüberschrift sooo abwegig gar nicht.

Hab ich noch nicht gesehen. In der Stadt sind zwar jeden Tag sehr viele Menschen unterwegs, aber die sind alle dick eingemummelt. Auch ich trage momentan Sandalen, und wegen meiner weiten Schlaghosen fällt es kaum auf, daß ich keine Socken anhabe. hat aber nix mit Bedürftigkeit zu tun, sondern nur damit, daß es mir momentan zum Barfußlaufen zu kalt ist.

Gruß,
Waldemar

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Lothar, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 20:35 (vor 7222 Tagen) @ Waldemar

Hab ich noch nicht gesehen. In der Stadt sind zwar jeden Tag sehr viele Menschen unterwegs, aber die sind alle dick eingemummelt. Auch ich trage momentan Sandalen, und wegen meiner weiten Schlaghosen fällt es kaum auf, daß ich keine Socken anhabe. hat aber nix mit Bedürftigkeit zu tun, sondern nur damit, daß es mir momentan zum Barfußlaufen zu kalt ist.

Wer bei unserem Düsseldorfen Treffen einen Teil der bettelnden und meines Erachtens nach "echten Obdachlosen" genau betrachtet hat, hat dies durchaus feststellen können.

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 19:24 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael

Wir haben offensichtlich eines gemeinsam. Wir wollen nämlich beide auf gar keinen Fall Mitleid erzeugen. Wir wollen einfach nur barfuß gehen ohne das sich daran jemand stört. Das Problem dabei ist nur, dass barfußgehen in dieser Jahreszeit dermaßen ungewöhnlich ist, dass es immer zu Erstaunen bzw. Entsetzen führen wird. Die Leute machen sich dann ihre Gedanken und können sich überhaupt nicht vorstellen, dass so etwas schön sein kann und man es freiwillig tut. Wenn sie aber meinen, das es unfreiwillig sein muss, wollen viele helfen. Das halte ich für sehr löblich, auch wenn es Fehl am Platze ist.
Immer wieder liest man hier im Forum, dass man sich mehr Toleranz von anderen wünscht, aber gleichzeitig sollte man auch tolerant gegenüber den Niemals-Barfuß-Läufern sein, denn die tun ja auch nichts unanständiges, ihnen fehlt nur unsere Erfahrung. Man sollte sich auch nicht über deren Reaktionen wundern, denn die sind auch aus deren Sicht irgendwo logisch. Wenn Du im Winter barfuß laufen willst, wirst Du immer mit Verwunderung und Hilfsangeboten rechen müssen und solltest dich dadurch auch nicht angegriffen fühlen. Ich kann allerdings verstehen, dass dich das nervt. Mich würde es auch nerven, weshalb ich zur Zeit nicht in der Öffentlichkeit barfuß gehe, sondern nur dort, wo mich wahrscheinlich niemand sieht. In der brandenburgischen Einsamkeit geht das auch ganz gut, aber andererseit beneide ich dich für deinen Mut doch barfuß in der Öffentlichkeit herumzulaufen. Mir verbieten das leider noch meine Hemmungen.

Viele Grüße nach Zofingen

Ulrich

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Lothar, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 20:24 (vor 7222 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

. In der brandenburgischen Einsamkeit geht das auch ganz gut, aber andererseit beneide ich dich für deinen Mut doch barfuß in der Öffentlichkeit herumzulaufen. Mir verbieten das leider noch meine Hemmungen.

Hallo Ulrich,

da wäre doch unser Treffen in Düsseldorf ein gutes Übungsfeld gewesen. Erstens kennt dich da keiner und zweitens ist es in der Gruppe einfacher; durch Michaels kurze Hosen sind wir allerdings noch mehr aufgefallen als sonst; was allerdings oft auch höchst amüsant war.

Übungsfeld

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 20.12.2004, 22:24 (vor 7222 Tagen) @ Lothar

Hallo Lothar

. In der brandenburgischen Einsamkeit geht das auch ganz gut, aber andererseit beneide ich dich für deinen Mut doch barfuß in der Öffentlichkeit herumzulaufen. Mir verbieten das leider noch meine Hemmungen.

Hallo Ulrich,
da wäre doch unser Treffen in Düsseldorf ein gutes Übungsfeld gewesen. Erstens kennt dich da keiner und zweitens ist es in der Gruppe einfacher; durch Michaels kurze Hosen sind wir allerdings noch mehr aufgefallen als sonst; was allerdings oft auch höchst amüsant war.

Im Prinzip hast Du Recht. Düsseldorf war mir aber einfach zu weit weg. Ich bemühe mich bei meinen Reisekosten stets unter 50 Euro pro Tag zu bleiben, was mir bei dieser Düsseldorftour bei weitem nicht gelungen wäre. Da ich kein allzu hohes Einkommen habe bin ich außerdem immer bemüht auf meinen Reisen so viel mir unbekannte Gegend wie möglich anzusehen, um das Verhältnis von Kosten und Nutzen optimal zu gestalten. Das geht nur im Sommer, wenn es lange hell ist. Allein die Benzinkosten (die Bahn ist noch teurer) sind so hoch, dass ich wenigstens eine Woche unterwegs sein wollen würde, damit sich das lohnt. Außerdem sind mir lange Autofahrten bei winterlichen Straßenverhältnissen auch nicht ganz geheuer.
Ein winterliches Barfußtreffen im Raum Berlin-Brandenburg oder irgendwo in den neuen Bundesländern wäre für mich durchaus interessant gewesen, ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich da meine Hemmungen überwinden könnte. :-(

Viele Grüße

Ulrich

Übungsfeld

Markus U., Stammposter, Tuesday, 21.12.2004, 11:19 (vor 7221 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

Hallo Ulrich,
da wäre doch unser Treffen in Düsseldorf ein gutes Übungsfeld gewesen. Erstens kennt dich da keiner und zweitens ist es in der Gruppe einfacher; durch Michaels kurze Hosen sind wir allerdings noch mehr aufgefallen als sonst; was allerdings oft auch höchst amüsant war.

Im Prinzip hast Du Recht. Düsseldorf war mir aber einfach zu weit weg. Ich bemühe mich bei meinen Reisekosten stets unter 50 Euro pro Tag zu bleiben, was mir bei dieser Düsseldorftour bei weitem nicht gelungen wäre. Da ich kein allzu hohes Einkommen habe bin ich außerdem immer bemüht auf meinen Reisen so viel mir unbekannte Gegend wie möglich anzusehen, um das Verhältnis von Kosten und Nutzen optimal zu gestalten. Das geht nur im Sommer, wenn es lange hell ist. Allein die Benzinkosten (die Bahn ist noch teurer) sind so hoch, dass ich wenigstens eine Woche unterwegs sein wollen würde, damit sich das lohnt. Außerdem sind mir lange Autofahrten bei winterlichen Straßenverhältnissen auch nicht ganz geheuer.
Ein winterliches Barfußtreffen im Raum Berlin-Brandenburg oder irgendwo in den neuen Bundesländern wäre für mich durchaus interessant gewesen, ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich da meine Hemmungen überwinden könnte. :-(
Viele Grüße
Ulrich

Hi Ulrich!

Auf einem Barfußtreffen ist es nicht weiter schwer, Hemmungen zu überwinden, da Du ja nicht alleine, sondern in der Gruppe barfuß läufst, und somit finde ich die Sprüche, die da kommen, zumeist eher lustig (solange es nicht in Beleidigungen ausartet, wie sie von manchen Besoffenen zu hören waren), während sie mir hingegen lästig sind, wenn ich alleine barfuß gehe. Dann will ich meine Ruhe haben, was ich dadurch schaffe, daß ich eine finster- entschlossene Miene aufsetze, und abends merkt es in einer vollen U- Bahn oder im Gedränge eines Kaufhauses oder eines Weihnachtsmarktes ohnehin keiner, daß Du barfuß bist, sofern Du nicht gerade wie Michael aus Zofingen in einer superknappen kurzen Hose herumläufst.
Darüber hinaus dürfte gerade Berlin ein wundervolles "Übungsfeld" sein, denn dort "gibt es nichts, was es nicht gibt", und in Berlin gibt es mehr "schräge" und "Abgfefahrene" Gestalten als sonstwo zu sehen; ich wundere mich immer wieder, wenn ich dort bin. Ich weiß zwar nicht, wo Du wohnst, aber wen Du durch Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg läufst, dürfte sich kaum jemand dran stören, wenn Du im Winter barfuß durch die Gegend läufst, und auch in gewissen Gegenden in Charlottenburg (z. B. Ku'dammm oder rund um die Gedächtniskirche) dürfte es nicht allzu viel Verwunderung erregen. "Typisch Berlin", denken die Leute (zumindest die Nichtberliner), und lassen Dich unbehelligt. Ich selbst laufe zwar auch am liebsten barfuß, wo mich nicht allzu viele kennen, wie z. B. in Stuttgart, wo meine besten "Barfuß- Freunde" wohnen, oder in München, aber auch in meiner Geburtsstadt Düseldorf laufe ich ohne Hemmungen barfuß, und dort ist das Risiko, auf Bekannte zu stoßen, schon größer. Aber in Berlin kannst Du ohne weiteres "unbemerkt verschwinden" und dabei womöglich Teile Deiner Stadt, die Du noch nie gesehen hast, barfuß erkunden.
Also nur Mut und auf gehts.

Barfüßige Wintergrüße,
Markus U.

Übungsfeld

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 21.12.2004, 13:12 (vor 7221 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

Hallo Ulrich,

ich kann Markus nur zustimmen: Eine Großstadt ist ein besseres Übungsfeld zum Barfußlaufen als eine Kleinstadt, wo jeder jeden kennt. Wenn man in der Gruppe unterwegs ist, sind die Hemmungen im allgemeinen weniger stark als wenn man allein unterwegs ist. Das gilt allerdings nicht nur für das Barfußlaufen an sich, sondern auch für den "Unfug", den man so treibt. Mir wäre es alleine nicht im Traum eingefallen, nachts die Eisbahn barfuß zu betreten, mit Schuhen aber auch nicht.

In der Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit auch geringer, daß man Ärger mit der Obrigkeit bekommt. Das hängt vielleicht damit zusammen, daß man eine barfüßige Gruppe weniger leicht für "hilflos" hält als einen einzelnen Barfüßer. Ein saures Gesicht setze ich aber nicht auf, wenn ich alleine barfuß unterwegs bin. Direkte Fragen einzelner stören mich nicht, dumme Bemerkungen von Jugendlichen kann ich auch verkraften, solange sie nicht in Handgreiflichkeiten ausarten.

Mühe habe ich allerdings noch dann, wenn "Amtspersonen" sich einmischen, obwohl mir bewußt ist, daß diese Würdenträger nicht "per Definition" schlecht sind, sondern nur die schwarzen Schafe unter denen. Vermutlich ist das noch eine Spätfolge eines Erziehungsfehlers. Meine Großmutter pflegte zu sagen, wenn ich unartig war (oder auch nur barfuß oder auf Strümpfen durch die Wohnung mit altem, splittrigem Holzfußboden ging): "Michael, laß das, sonst kommt der Udel (frühere Bezeichnung für einen Hamburger Polizisten) mit dem Gummiknüppel!" Das wirkte. Meine Mutter hat das auch manchmal gesagt, nur sagte sie einfach: "Dann kommt die Polizei!" Früher mußte meine Mutter auch viele Behörden aufsuchen und hat mich mitgenommen, noch heute erinnere ich mich an das Warten in der Schlange. Damals störte mich das Warten gar nicht, als kleines Kind findet man immer etwas, womit man sich beschäftigen konnte (Lichtschalter betätigen, an Heizkörpern drehen, Wasserhähne öffnen usw., jedoch nicht etwa Schuhe ausziehen, was andere Kinder gerne taten). Meine Mutter sagte dann: "Michael, nichts anfassen, sonst wird der Onkel böse!" Da der "Onkel" nicht selten ein gestreßtes Gesicht machte (sicher nicht wegen mir), hat sich bei mir im Unterbewußtsein eine gewisse Abneigung gegen Amtspersonen (und Leute, die die Meinung vertreten: Was ein Beamter amcht, ist IMMER richtig!) eingefressen, die noch heute wirkt, was sich darin äußert, daß ich leicht gereizt reagiere, wenn sich Amtspersonen in mein Leben einmischen, unabhängig davon, ob es mit barfußlaufen zusammen hängt oder nicht.

Vielleicht gelingt es mir auch irgendwann, meine Hemmungen gegenüber Amtspersonen abzulegen, genauso wie ich die Hemmungen beim Barfußlaufen in der Öffentlichkeit weitgehend (aber noch nicht vollständig) abgelegt habe. Vollständig abgelegt hätte ich sie erst, wenn ich genauso fröhlich, wie ich in Düsseldorf war, zu einem Barfußtreffen in Hamburg gereist wäre und zum Übernachten die elterliche Wohnung aufgesucht hätte, ohne die Kleidung auch nur in der geringsten Form abzuändern. Aber bis ich soweit bin, wird noch viel Wasser die Elbe, die Spree, den Rhein, die Wigger hinabfließen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

Barfuß bzw. leichte Kleidung = Armut?

Bernhard aus HH @, Monday, 20.12.2004, 21:19 (vor 7222 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,
da hast du den Leuten vom Amt ja eine ordentliche Leseportion zugemutet. Erstaunlich eigentlich, dass es gelesen wurde und du eine Reaktion bekommen hast. Das alles scheint doch zu unterstreichen, dass es ehrliches Bemühen und ehrliche Sorge waren.

Ich sortiere für mich immer genauer, mit wem ich ein ernstes Gespräch führe und wen ich kurz abblitzen lasse. Dabei mache ich sehr häufig die Erfahrung, dass die Menschen im Grunde recht offen sind. Gerade die explodierenden Gesundheitskosten scheinen mir ein Faktor zu sein, der Menschen ins Nachdenken bringt und offener werden läßt. Das nutze ich in Gesprächen gerne als Sprungbrett.

Aktuelle Szene von heute:
Ich hatte heute beruflich in einem Einkaufzentrum zu tun. In einer Arbeitspause trank ich einen Kaffee im Stehen bei einem Bäcker. Plötzlich bekam ich von hinten eine Tafel Schokolade gereicht, mit den Worten "Weil bald Weihnachten ist!" Ich musterte den Herrn und bedankete mich höflich. Ich konnte die Situation nicht sofort einschätzen, sah aber, das es eine edle Tafel Schokolade war und begann ein Gespräch darüber. Da erst sah mich der Mann genauer an. Er stutzte und sagte: "Sie machen das vielleicht sogar das ganze Jahr?" wobei er auf meine Füße sah. Offenaber hatte er vorher nur auf die Füße gesehen und nicht bemerkt, dass der Rest an mir sehr ordentlich gekleidet war. Erst jetzt sah er mich offenbar richtig an. Er hatte wohl verfilzte Haare und kaputte Zähne erwartet und sah nun in ein gepflegtes Männergesicht. Ich erzählte kurz über meine Motive. Er etschuldigte sich halbwegs, indem er sagte, es sein eine sehr hochpreisige Schokolade, er hadele damit. Schließlich ging er noch mal los, holte eine Schachtel Pralinen aus seinem Musterkoffer und schenkte mir diese auch noch mit den Worten: "Wer so gepflegt aussieht wie Sie und dabei barfuß läuft, der hat sich das verdient." Gemeint hat er wohl "... der kann einen erstmal vor den Kopf stoßen." Mir ist bewusst, dass ich das tue und ich nehme es keinem übel. Schade finde ich nur, wenn es nicht zu so wohlgefälligen Auflösungen solcher Situationen kommt, weil ich entweder keine Lust/Zeit/etc auf Gespräche habe, oder weil von der Seite des Erstaunten kein Öffnen stattfindet. Aber der Sonderling bin ich, das ist mir total klar. Da kann und will ich niemandem Vorwerfen, dass er oder sie sich wundert.

Und über Gesprächsanlässe wie den oben beschriebenen freue ich mich nach wie vor. Hast du eigentlich auch solche Erlebnisse? Oder liegt es an meiner noch recht jungen Barfüßigkeit und im nächsten Jahr wird mich jeder nerven, der mich anspricht?

Viele Grüße aus Hamburg,

Bernhard

Sei doch froh!

Gerhard Zirkel, Tuesday, 21.12.2004, 09:30 (vor 7221 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

also ich finde es nett, das man sich solche Sorgen um Dich macht.

Warum hast Du nicht einfach mal probeweise ein paar Schuhe angefordert? Wenn man Dir schon Hilfe anbietet.

Gerhard

Toleranz versus Gleichgültigkeit

hans, Stammposter, Wednesday, 22.12.2004, 00:34 (vor 7220 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Micha,
Angesichts nicht so seltener Fälle erfrierender Menschen in unseren zivilisierten Breiten finde ich das Verhalten Deiner Behörden vorbildlich!
Wenn Du wie beschrieben nicht mehr brauchst, um Dich wohlzufühlen kannst Du's erklären und man möge Dich dann in Ruhe lassen.
Viele Füße,
hans

RSS-Feed dieser Diskussion