Sehen, was es nicht gibt! (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 06.12.2004, 14:21 (vor 7236 Tagen)

Sonntag, 5. Dezember 2004. Das gleiche neblige Wetter wie am Vortag bei einer Temperatur von maximal +5°C. Und noch eine Wanderung, "selbstverständlich" barfuß. Als erstes durchschritt ich die Altstadt von Zofingen. Die Leute waren gerade dabei, die Stände für den Weihnachtsmarkt wieder aufzubauen! Die meisten waren mit Handschuhen, Mützen und fetten Schuhen deutlich winterlicher angezogen als ich Ein rosabemütztes Mädchen, vermutlich die Tochter eines Marktfahrers fror noch mehr, als es mich sah. Als ich "nicht absolut versehentlich" direkt auf einen Tannenzweige trat, rief eine Frau: "Auch das noch!" Dabei waren es nur Tannen, keine Fichten!

Nun wanderte ich Richtung Oftringen, als mir ein Arbeitskollege mit dem Fahrrad entgegenkam. Er schien nicht sonderlich überrascht zu sein. Da ich diesmal mehr auf Straßen unterwegs war, wurden meine Füße auch schneller warm als am Tag zuvor. Viele Leute waren noch nicht unterwegs. Ein paar erstaunte Blicke, als ich den Bahnhof Aarburg-Oftringen unterquerte. Die Straße nach Aarburg war weniger gut barfuß begehbar, weil hier wegen Bauarbeiten viel Steine von den Baulastern auf die Straße befördert wurde. Hier kamen mir Feuerwehrleute entgegen, ohne die Miene zu verziehen. Dann stieg ich die Treppe hinauf zur Aarburger Festung http://www.picswiss.ch/Aargau/AG-l4-02.html Das fühlte sich angenehm an, auch der Weg durch den Vorhof. Dann, beim Umrunden der Festung, war der Weg fies geschottert. Hatte man diesen ekligen Belage extra deswegen gewählt, damit ausgebrochene Häftlinge barfuß nicht so schnell den fett beschuhten Häschern davonlaufen können. Bernhard Matter war vermutlich hier ausgekniffen. Diese Festung war zeitweilig auch eine "Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche und Taugenichtse". Ist man als Barfüßer ein Taugenichts? Schwer erziehbar bin ich zweifellos, schließlich ist es meinen Erziehungsberechtigten nicht gelungen, mir das Tragen von Schuhen zu jeder Tages- und Nachtzeit aufzuzwingen. Wie dem auch sei, ich wurde nicht eingewiesen. Weil ich doch kein Taugenichts bin? Oder "nur" deswegen, weil ich mit 48 kein Jugendlicher mehr bin?

Ich war froh, als ich wieder die Straße unter den nackten Füßen spürte. Ich benutzte die Kantonsstraße nach Olten und setzte mich so den Blicken der Denunzianten aus. Aber keine Polizei kam, dafür erstaunte Gesichter aus den vorbeifahrenden Omnibussen. Ich ging auch an einem Cafe vorbei, bei dem die Fenster bis zum Boden gingen. Also ideal, um von der Straße zu erkennen, ob ein barfüßiger Gast anwesend ist. Diesmal sahen aber die Gäste, wie ein barfüßiger Passant vorbeisäckelte. Einige klopften auch an die Scheiben. Keine Kellnerin kam mit einem Schild aus dem Restaurant gestürmt, um neben mir herzulaufen, damit die Gäste nicht den Anblick eines barfüßigen Passanten ertragen müssen. Die Schweiz ist halt nicht Belgien. Oder stellen dort Kellnerinnen lediglich Schilder so hin, daß Passanten die nackten Füße eines Gastes nicht gewahr werden?

In Olten benutzte ich die Unterführungsstraße und schritt in Richtung Säli, bis ich den Wald erreichte, wo ich eine Pause machte. Da das Gras naß war und der Nebel näßte, wurden meine Füße kalt. Nach der Pause ging ich wieder Richtung Olten, wo ich den Bahnhof unterquerte und die üblichen Blicke erntete. Als ich die gedeckte Holzbrücke passierte, fragte mich einer, ob es nicht zu kalt sei. Es war nicht viel los in der Stadt gegen 13 Uhr. Am anderen Ende der Altstadt war Schnee aufgetürmt. Kein natürlich vor Ort gefallener Schnee, sondern angekarrter. Wenn jemand jetzt glaubt, ich hätte einen Bogen um den Haufen gemacht oder Schuhe aus der Rucksack geholt, um dann darauf zu steigen, der kennt mich nicht. Schuhe hatte ich "selbstverständlich" gar nicht erst mitgenommen. Also barfuß rauf, das macht Spaß. Die Zeugen störten mich überhaupt nicht. Eltern mit einem Mädchen beobachteten mein Treiben. Darauf das Mädchen: "Darf ich auch auf den Schneehaufen?" "Ja, aber die Stiefel behältst du an!" Böse Eltern! Oder urteile ich zu hart?

Auf dem Weg am Aareufer kam mir ein Arbeitskollege mit seiner Lebensgefährtin entgegen, beide waren mit Rädern unterwegs. Keine erstaunte Reaktion. In Aarburg sah ich eine Menschentraube, überwiegend Kinder mit Eltern. Und dabei etliche "Samichläuse" (Samichlaus ist der schweizerische Ausdruck für St. Nikolaus, im englischen sagt man Santa Claus) und "Schmutzlis", wie Nikolaus' Gehilfen hier heißen. Als sie mich sahen, wußten sie nicht mehr wie weiter. "Ich glaube nicht, was ich da sehe", sprach ein Samichlaus. Worauf ich antwortete: "Und ich sehe etwas, was es eigentlich nicht gibt, Samichlaus und Schmutzli, und dann noch in vielfältiger Ausführung!"

Auf dem Weg nach Zofingen kamen mir 3 Rollerbladefahrer entgegen, ein Vater mit seinen Söhnen. Der jüngere Sohn sprach: "Papi, der Mann läuft barfuß!" Darauf der Vater: "Na und? Als ich 18 war, bin ich auch so rum gelaufen." Im Industriequartier überholte mich ein Junge mit dem Fahrrad, der Erscheinung nach am ehesten ein Türke. Als er mich sah, zog er seine lange Hose hoch um mir zu zeigen, daß er seine Turnschuhe ohne Socken trug. Wieder einmal führte mich der Weg auf den Zofinger Weihnachtsmarkt. Die Reaktionen waren ähnlich wie am Vortages. Wieder einmal traf ich Arbeitskollegen, aber ohne Reaktion. Ob sie meine Barfüßigkeit gar nicht mitbekommen haben? Als ich den Bahnhof unterquerte, rief ein Jugendlicher laut bei meinem Anblick: "Scheiße!" Wenn ein Mädchen auf mit den Eltern sich auf einem Sonntagsspaziergang befindet und "Ihhhhh" ruft, während ich durch Schlamm wate, so daß der Schlamm nur so durch die Zehen quillt, dann kann ich es noch nachvollziehen. Aber ein derartiger Griff in die Fäkalsprache bezüglich barfuß ist wohl daneben. Sollen die Jugendlichen doch versäumen, die angenehmen Seiten des Barfußlaufen kennen zu lernen und dumm sterben.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

Sehen, was es nicht gibt!

Mike S, Stammposter, Monday, 06.12.2004, 23:19 (vor 7236 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Und dabei etliche "Samichläuse" (Samichlaus ist der schweizerische Ausdruck für St. Nikolaus, im englischen sagt man Santa Claus) und "Schmutzlis", wie Nikolaus' Gehilfen hier heißen. Als sie mich sahen, wußten sie nicht mehr wie weiter. "Ich glaube nicht, was ich da sehe", sprach ein Samichlaus. Worauf ich antwortete: "Und ich sehe etwas, was es eigentlich nicht gibt, Samichlaus und Schmutzli, und dann noch in vielfältiger Ausführung!"

Hallo Michael

Was hat den der Samichlaus geantwortet?
Wollte er dir kein Geschenk dafür geben (oder vom Schmutzli ein Rute)? ;-)
Gruss
Mike

Sehen, was es nicht gibt!

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 07.12.2004, 06:13 (vor 7235 Tagen) @ Mike S

"Was hat den der Samichlaus geantwortet?
Wollte er dir kein Geschenk dafür geben (oder vom Schmutzli ein Rute)?"

Hallo Mike,

der Samichlaus war sprachlos! Vermutlich waren die Geschenke schon an die Kinder verteilt, die Säcke waren nämlich leer, als ich da vorbei ging. Vom Schmutzli wurde ich nicht mit der Rute verprügelt, weil ich dem "Heiligen Vater" in einer Aufmachung begegnet bin, die sich nicht zu tragen geziemet.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

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