Der läuft ja mit den Füßen! (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 22.11.2004, 12:10 (vor 7250 Tagen)

Meine Füße schmerzten noch von der Barfußwanderung am Vortag. Ich spürte jede Ritze zwischen den Fliesen im Bad. Sollte ich wirklich auch für diesen Tag eine ähnliche Strapaze auf mich nehmen? Ich "mußte"! Als ich am letzten Sonnstag (21.11.2004) kurz nach 9 Uhr meine Wohnung verließ, war vom Schnee vom Vortag nichts mehr zu sehen. Die Straßen waren feucht. Es überraschte mich nicht, daß der Asphalt noch mehr schmerzte als am Vortag. Das Pflaster in der Zofinger Altstadt brachte eine gewisse Entspannung der Situation. Fast alle Autofahrer drehten sich nach mir um. Auch Leute, die zur Kirche wollten, blickten erstaunt. Kaum hatte ich die Zofinger Stadtgrenze überquert, hatte ich einen matschigen Grasweg vor mir. Normalerweise eine Wohltat, jetzt nur bedingt. Dann ginge es in den Wald, auch hier war das Laub naß. Es folgte eine steinige Passage, als mich ein Mann mit Hund überholte. "Jetzt wird es hart - und kalt! Aber gesund ist es."

Es ging immer höher hinaus. Auf den liegenden Baumstämmen lag noch Schnee. Einige Pfützen waren mit einer hauchdünnen Eisschicht überzogen. Auch kam mir das nasse Laub recht kalt vor. Dann folgte ein Abstieg auf der Nordseite. Normalerweise ist es angenehm, diesen Hohlweg zu benutzen, wenn das tiefe Laub trocken ist. Nun aber war es naß. Die Füße waren noch rosig, aber ich spürte, daß meine Unterschenkel kalt geworden waren. Als dieser Weg vorbei war, folgte eine Asphaltstraße. Nun schmerzten die Füße so stark, daß ich auch hier nicht mit dem Tempo voran kam, daß ich eigentlich benötigte, um wieder warm zu werden. Dann aber hatte ich die Möglichkeit, eine lehmige Treckerspur zu benutzen. Hier konnte ich einen höheren Gang einlegen. Als ich in Safenwil wieder Asphalt unter den nackten Füßen zu spüren bekam, waren die Schmerzen vorbei. Nach Unterquerung von Nationalbahn und Autobahn ging ich über einen ebenso angenehmen lehmigen Wanderweg nach Walterswil. Neben der katholischen Kirche tratschten noch Leute, die es nicht eilig hatten, nach dem Gottesdienst nach Hause zu kommen. Ich vernahm ein Gelächter dieser scheinheiligen Personen, als ich hinter einer Ecke verschwunden war.

Bald erreichte ich einen Wanderweg, der durch den Wald auf den Engelberg führte. Obwohl auch hier das Laub kalt und naß war, empfand ich keinerlei Schmerzen. Gegen Mittag setzte ich mich auf eine Bank, ringsherum Schneereste. Ein Ehepaar ging vorbei mit fetten Winterstiefeln, über die Ohren gezogenen Wollmützen, dicken Fausthandschuhen Thermohosen und Thermojacken. Ein freundlicher Gruß, keinerlei erstaunte Reaktion, obwohl jedes meiner Kleidungsstücke, soweit überhaupt vorhanden, um Zehnerpotenzen weniger winterlich als deren. Es folgte ein angenehmer Abstieg und schließlich konnte ich auf einer Treckerspur neben einem Weg wieder aufdrehen, wobei ich einen Vater mit zwei Kindern überholte. Der kleinere Junge rief: "Der läuft ja mit den Füßen!" "Das machen doch die meisten", entgegnete der Vater. "Wieso aber hat der keine Schuhe an?" "Weil er weiß, was gesund ist." Ich kam an einen Hof vorbei, wo gerade ein Pferd gestriegelt wurde. Dumme Gesichter, dann Gelächter, dann die Worte: "Der wurde ausgeraubt!" Wieder Gelächter, ein überlegenes Grinsen meinerseits.

Ich erreichte die Stadt Olten, einige erstaunte Kinderaugen. Beim Unterqueren der Gleise am Bahnhof erstaunte Gesichter, ein Besoffener wollte mir den Weg abschneiden und versuchte, mit seinen schweren Tretern auf meine Füße zu treten, aber sein Alkoholpegel war derart hoch, daß eine hohe Trefferquote nicht mehr möglich war. Dann der "obligatorische" Barfußgang über die Holzbrücke, durch die historische Altstadt und wieder zurück. Hier trat ich mir "endlich" einmal einen Glassplitter in den Fuß, das letzte Mal war es zu Pfingsten in Basel. Mit einer Pinzette gelang es mir, das Ding wieder zu entfernen. Ein etwa dreißigjähriger, über 100 kg schwerer Mann sagte zu seiner Begleiterin: "Hier sollten viel mehr Scherben herumliegen. Dann sind wir wenigstens die Radfahrer in der Fußgängerzone los, und die Jesus-Freaks."

Die Benutzung des asphaltierten Wanderweges entlang der Aare wurde durch Bucheckern teilweise vermiest, dafür ging es hinter Aarburg wieder besser. Dort kam mir ein Arbeitskollege mit Frau, Tochter und (vermutlich) Schwiegereltern entgegen. "Ich wundere mich immer. Du bist nie erkältet und läufst so herum, während andere immer dick vermummt sind und andauernd erkältet." "Vielleicht ist es ein Fehler, sich dick zu vermummen." Darauf die Frau: "Aber die Jacke ist wohl doch eher ungewöhnlich!" Kurz bevor die Sonne unterging, überholte mich noch derselbe Arbeitskollege, der mich tags zuvor beim Barfußlaufen am Heiternplatz "ertappt" hat. Es sprach diesmal nur: "Als ich um die Ecke bog, wußte ich gleich, daß du es warst!" Ich hatte bereist das Zofinger Industriequartier erreicht, als mich ein Rentner mit Hund fragte, ob es nicht zu kalt sei.

Ich erreichte die Altstadt, wo sich einige wie am Tag zuvor wie im falschen Film vorkamen (ein Thermometer zeigte diesmal sogar +3°C). Plötzlich heulte ein hochgezüchteter Motor auf, als ich in Höhe des Rathauses war. Der fast noch jugendliche Fahrer schrie irgendwelche primitiven Worte in die Dunkelheit. Mit Vollgas fuhr er weiter, sicher mit deutlich mehr als die erlaubten 30km/h. Vergleichsweise kurze Zeit später kam er mir wieder in der Altstadt entgegen, hielt an, ich lief unbeirrt weiter. Dann fuhr er rückwärts (gegen die Fahrtrichtung der Einbahnstraße), bis er nicht mehr weiterkonnte, weil ein nachfolgendes Auto ihm keine Möglichkeit ließ, mir zu folgen (die Straße war zu schmal für 2 Autos). "Dieser Kerl gehört eingesperrt!" schrie er aus dem Fenster. "Die Polizeistation ist da hinten." Sagte ich ruhig. Der nachfolgende Autofahrer hupte, weil er nicht weiterkam. Der Rowdy gab Gas und rast davon. Offensichtlich fuhr er aber nicht zur Polizei. Denn Barfußlaufen mag zwar im Gegensatz zu Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, Fahren gegen die Fahrtrichtung und Behinderung des Fahrverkehrs moralisch äußerst unanständig sein. Aber es ist im Gegensatz zum anderen nicht verboten - noch nicht. Denn wenn ich das häufiger mache und andere meinem Beispiel folgen, dann würde sich ein Barfußverbot für die Stadt lohnen. Es täte sich eine lukrative Geldquelle für den Stadtkämmerer auf. Auf dem Weg nach Hause begegnete mir noch ein weiterer Arbeitskollege, ohne Kommentar.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


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