Der erste Schnee (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 22.11.2004, 08:59 (vor 7250 Tagen)

Der erste Schnee fiel nun auch in Zofingen, aber eben nicht viel. Als ich am letzten Samstag (20.11.2004) kurz nach 9 Uhr meine Wohnung verließ, waren Hausdächer und Rasenflächen mit einer dünnen Schicht überzogen. Die Straßen dagegen waren schneefrei, aber feucht. Der graue Himmel und die Temperatur knapp über 0°C verstärkten den winterlichen Eindruck. Nicht "typisch für den Winter" war die Tatsache, daß ich beim Wandern keine Schuhe trug, diese nicht einmal mitnahm. Mir kam es vor, als ob der Asphalt mehr schmerzte als üblich. Lag es an der Kälte oder der Nässe? Oder lag es daran, daß ich eine Arbeitswoche "abstinent" lebte, d.h., daß sich meine Barfüßigkeit auf den Aufenthalt in der Wohnung bzw. auf Fahrten zum Briefkasten mit dem Velo beschränkte?

Zunächst blieb ich stur auf den Wegen. Ich wußte, das ein zu schnelles Wechseln auf Schnee oder nasses Gras Gift sein kann. Lieber erst zügig gehen, ohne daß die Füße von oben naß werden. In Brittnau beim "Trödler an der Ecke" mußte ich erstmalig in den Schnee (oder warten). Ein breiter Trecker mit Anhänger hatte den Feldweg total blockiert. Der Fahrer hatte das Gefährt verlassen und unterhielt sich mit dem Trödler. Beide grinsten, wie ich barfuß über das verschneite Feld stiefeln mußte, eine daneben stehende Frau versprühte Gift und Galle. An einem Zebrastreifen überquerte ich eine Verkehrsstraße, ein Autofahrer hielt an. Schon öfters hatte ich den Eindruck, daß man als Barfüßer speziell außerhalb der Sommersaison häufiger am Zebrastreifen durchgelassen wird als beschuhter Zeitgenosse. Ich glaube weniger, daß der Autofahrer denkt, daß der Barfüßer friert und deswegen schnell über die Straße müsse. Ich glaube eher, daß der Autofahrer sich zuerst nicht sicher ist, ob man barfuß läuft oder nicht. Durch Anhalten am Zebrastreifen kann er seine Neugier stillen. Habe ich recht?

Schließlich kreuzte ich die Verkehrstraße nach Reiden. Etwa 5 größere Knaben mit fetten Winterstiefeln, über die Ohren gezogenen Wollmützen, dicken Fausthandschuhen und "nicht-knabenhafter Behosung", wie Markus U. sagen würde, überholten mich auf ihren Fahrrädern. Dann wendeten sie aber, und einer fragte mich: "Ist es nicht zu kalt?" Ich verneinte, und trotzdem stimmte es nur bedingt. Wäre ich weiter der Wigger gefolgt, dann hätte ich die Wahl zwischen ekligem Schotter und verschneiten Wiesen gehabt. Also wechselte ich die Richtung und ging in Richtung Reiden. Ich unterquerte die Bahnhofsunterführung für Fußgänger, während die Autos an der Schranke einen Schnellzug durchlassen mußten. Ein Autofahrer kurbelte die Scheibe runter und fragte: "Haben wir denn Sommer?" Ich sagte: "Nein, denn im Sommer trage ich nie eine Jacke!" Der Fahrer schüttelte nur mit dem Kopf. Am Geldautomaten der Post wollte ich 100 SFr ziehen. Der Automat machte weder große Glotzaugen, noch schüttelte er mit dem Kopf, weil er mich für arm hielt. Er spuckte einfach den Schein aus und bedankte sich schriftlich auf der Quittung. Postomaten sind doch nicht so dumm wie sie aussehen!

In Reiden selbst gab es einige erstaunte Blicke. Ich aber benutzte einen ansteigenden Wanderweg, der erst matschig war. Dann aber wurden die Schneeflecken immer zahlreicher. Ich mußte durch, oder umkehren. Also weiter. Meine Füße waren nicht weiß geworden, sondern besaßen noch die rosige Gesichtsfarbe. Also keine Erfrierung. Trotzdem bemühte ich mich, Schnee auf der Fußoberseite möglichst umgehend abzustreifen. Ich wollte nicht meine Körperwärme zum Schmelzen von Schnee verschwenden. Endlich erreichte ich einen Fahrweg. Dieser besaß Treckerspuren neben der Schotterpiste, so daß ich nun gut vorankam und meine Füße wieder "normal" wurden. Später war dieser Weg asphaltiert und führte nach Reiden zurück. Nun mußte ich ein Stück auf der Hauptstraße durch Dorf wandern. Die üblichen Blicke, aber keine Polizeikontrolle. Am Ortsausgang benutzte ich einen "Nebenweg" nach Wikon. Ein alter Mann fragte, ob es nicht zu kalt sei und fragte, ob ich heißen Tee wollte. Ich lehnte aber ab mit der Begründung, daß es jetzt gerade verkehrt wäre. Bevor ich den Ortskern von Wikon erreichte, mußte ich noch einen Baustellenbereich überqueren. Der Matsch war zwar angenehm, jedoch mußte ich aufpassen vor Scherben und Holz mit Nägeln.

Nur führte der Weg hinauf zum Schloß Wikon, das eine Schule beherbergt und leider durch Umbauten arg verschandelt wurde. Die Holz- und Steintreppen waren angenehm zu begehen. Es folgte ein Weg durch den Wald, wo meistens Laub lag. Teilweise war auch Schotter darunter, den aber spürte ich kaum. Ich kletterte einen Jägerstand aus Holz hoch, damit meine Füße mal anders beansprucht werden als nur zum Gehen. Dann sah ich eine riesige Moosfläche neben dem Weg, da mußte ich durch. Somit kam ich vom Weg ab. Ich mußte dann Brombeerranken übersteigen, um wieder an einen Weg zu kommen, der nicht der richtige war. Die Folge: Ich ging im Kreis, was mich aber nicht störte, da ich nicht unter Zeitdruck stand. Später fing es an zu schneien. Zum Glück klebte der Schnee nicht, sondern fiel glatt von der Kleidung und den Füßen ab. Obwohl hier eigentlich keine Autos fahren dürfen, kam trotzdem ein Auto vorbei. Die Fahrerin war ziemlich erstaunt, und fragte, ob ich Hilfe benötige. Als ich verneinte und sagte, daß Barfußlaufen gesund sei, meinte sie, sie hätte schon davon gehört, könne es sich aber bei winterlichen Temperaturen nicht vorstellen. Das Auto fuhr weg, der Schneefall hörte auf und ich hatte noch einen herrlichen Abstieg ins Riedtal.

Ich überlegte: Meine Wohnung war nur 400 Meter entfernt, ich wäre bei Dauerschnee auch nach Hause gegangen. Nun aber entschloß ich mich für einen Umweg, erst hinauf zum Hirschpark, wo mir eine Gruppe von Kindern begegneten, die selbst dann wesentlich winterlicher als ich vermummt gewesen wären, wenn ich Schuhe angehabt hätte. Sie waren trotzdem derart durchgefroren, daß ihnen sogar die Energie zum Staunen fehlte. Ich erreichte den Heiternplatz, das berühmte Lindengeviert oberhalb der Stadt Zofingen. Ein idealer Festplatz, und ideal zum Barfußlaufen. Ich überholte eine Familie, ein Junge sagte: "Der Mann hat ja keine Schuhe an!" Der Vater antwortete: "Der weiß eben, was gesund ist." Eine andere Familie mit mir fremder Umgangssprache starrte nur dämlich.

Als ich den Platz verließ, war gerade ein behandschuhter und bemützter Velofahrer damit beschäftigt, an seinen Rad etwas zu verstellen, wegen seiner Vermummung erkannte ich nicht sofort, daß es sich um einen Arbeitskollegen handelte. "Michael, das gibt's doch nicht!" "Ich übe schon für den Fall, daß ich meine Arbeit verliere und mir dann keine Schuhe mehr leisten kann!" Er mußte lachen. Er fand es toll, daß ich so was mache. Ich machte noch einen Umweg, ging in die Altstadt, wo sich einige wie im falschen Film vorkamen (ein Thermometer zeigte +1°C). Ich machte noch einen Umweg über Strengelbach, bevor ich nach Hause ging. Ich war etwa 8 Stunden unterwegs gewesen, ohne daß ich Schuhe dabei hatte. Von Kälte spürte ich nichts. Aber die mechanischen Belastungen hatten doch meinen Füßen stark zugesetzt. Zwei Brombeerstacheln und ein Stück Stein mußte ich mit der Pinzette aus den Fußsohlen entfernen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen

Der erste Schnee

Bernhard ⌂ @, Monday, 22.11.2004, 12:35 (vor 7250 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

vielen Dank für deine schöne Beschreibung der Wanderung. Das macht Mut und das ist für mich z.Z. der Hauptgrund, hier im Forum zu lesen.

Ich selber bin noch in den Anfängen und muss sagen, 8 Stunden Wanderungen ohne Schuhe nötigen mir (noch?) Respekt ab, allemal bei diesem Wetter. Ich merke aber, dass ich selber flott voran komme. Ich laufe mindestens 2x am Tag barfuss. Den ersten Schnee habe ich dabei am Wochenende auch unter den Füßen gehabt. Meine Schmerzgrenze hatte ich dabei noch nicht, allerdings bin ich auch gelaufen. Stehenbleiben ging nicht gut.

Du schreibst:

Schon öfters hatte ich den Eindruck, daß man als Barfüßer speziell außerhalb der Sommersaison häufiger am Zebrastreifen durchgelassen wird als beschuhter Zeitgenosse. Ich glaube weniger, daß der Autofahrer denkt, daß der Barfüßer friert und deswegen schnell über die Straße müsse. Ich glaube eher, daß der Autofahrer sich zuerst nicht sicher ist, ob man barfuß läuft oder nicht. Durch Anhalten am Zebrastreifen kann er seine Neugier stillen. Habe ich recht?

Ich habe, wie gesagt, noch nicht so viel Erfahrung mit Barfuss, aber mit Autofahren ja ;-))
Aus Sicht des Autofahrers stelle ich fest, dass es viel mit meiner Aufmerksamkeit zu tun hat, wie ich mich im Straßenverkehr verhalte. Da du auffällig bist, wenn du keine Schuhe anhast, erzeugst du beim Autofahrer eine erhöte Aufmerksamkeit. Die alleine wird, statistisch gesehen, schon zu vermehrtem Anhalten führen. Ich glaube, du hättest auch eine deutlich erhöhte "Anhalter-Quote", wenn du dir einen Mülleimer auf den Kopf setzen würdest, oder anderen Blödisnn machtest;-))
Die Sache mit der Neugierde will ich dabei nicht in Abrede stellen, aber das ist es sicher nicht alleine.

Viele Grüße,

Bernhard

[image] http://www.bernhardheitsch.de

Alle Actung

Markus U., Stammposter, Monday, 22.11.2004, 22:37 (vor 7250 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Michael!

Der erste Schnee fiel nun auch in Zofingen, aber eben nicht viel. Als ich am letzten Samstag (20.11.2004) kurz nach 9 Uhr meine Wohnung verließ, waren Hausdächer und Rasenflächen mit einer dünnen Schicht überzogen. Die Straßen dagegen waren schneefrei, aber feucht. Der graue Himmel und die Temperatur knapp über 0°C verstärkten den winterlichen Eindruck. Nicht "typisch für den Winter" war die Tatsache, daß ich beim Wandern keine Schuhe trug, diese nicht einmal mitnahm.

Toll, wie Du trainierst! Von Dir kann mancher was lernen!

Mir kam es vor, als ob der Asphalt mehr schmerzte als üblich. Lag es an der Kälte oder der Nässe? Oder lag es daran, daß ich eine Arbeitswoche "abstinent" lebte, d.h., daß sich meine Barfüßigkeit auf den Aufenthalt in der Wohnung bzw. auf Fahrten zum Briefkasten mit dem Velo beschränkte?

Eindeutig das letztere. Gerade im Winter ist regelmäßiges Training das Allerwichtigste.

An einem Zebrastreifen überquerte ich eine Verkehrsstraße, ein Autofahrer hielt an. Schon öfters hatte ich den Eindruck, daß man als Barfüßer speziell außerhalb der Sommersaison häufiger am Zebrastreifen durchgelassen wird als beschuhter Zeitgenosse. Ich glaube weniger, daß der Autofahrer denkt, daß der Barfüßer friert und deswegen schnell über die Straße müsse. Ich glaube eher, daß der Autofahrer sich zuerst nicht sicher ist, ob man barfuß läuft oder nicht. Durch Anhalten am Zebrastreifen kann er seine Neugier stillen. Habe ich recht?

Ja, Du hast recht. Ich verhielte mich als Autofahrer nicht anders, egal, ob ich barfuß oder beschuht am Steuer säße. Auch ich würde anhalten, um mich zu vergewissern, daß die Person wirklich barfuß läuft, zumal ich im Winter noch niemanden "zufällig" barfuß angetroffen habe

Ein Autofahrer kurbelte die Scheibe runter und fragte: "Haben wir denn Sommer?" Ich sagte: "Nein, denn im Sommer trage ich nie eine Jacke!" Der Fahrer schüttelte nur mit dem Kopf.

Trefflich gekontert!

Als ich den Platz verließ, war gerade ein behandschuhter und bemützter Velofahrer damit beschäftigt, an seinen Rad etwas zu verstellen, wegen seiner Vermummung erkannte ich nicht sofort, daß es sich um einen Arbeitskollegen handelte. "Michael, das gibt's doch nicht!" "Ich übe schon für den Fall, daß ich meine Arbeit verliere und mir dann keine Schuhe mehr leisten kann!" Er mußte lachen. Er fand es toll, daß ich so was mache.

Ich kann mich noch gut an Beiträge von Dir erinnern, in denen Du starke Bedenken ob der Möglichkeit solcher Begegnungen geäußert hattest. Inzwischen hat sich das ja nun kräftig zum Guten geändert. Alle Achtung!

Das war mal wieder ein herrlicher Beitrag! Ich freue mich schon darauf, Dich bald persönlich kennenzulernen!

Barfüßige spätherbstliche Grüße in die malerische Schweiz,
Markus U.

Der erste Schnee

RainerL @, Stammposter, Wednesday, 24.11.2004, 13:05 (vor 7248 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

Dank Dir für diesen schönen Bericht auch den mit dem Titel "Der läuft ja mit den Füßen". Klasse Leistung, erinnert mich an meine Winterversuche vorletzten Winter, da haben mir diese Temperaturen um 0 Grad nichts ausgemacht und eine halbe bis ganze Stunde sind kein Problem wenn man es regelmäßig macht. Aber 8 Stunden ist schon eine ganz besondere Leistung auf die ich z.Zt. neidvoll blicke da ich zuwenig Zeit zum Trainieren habe. Letzte Woche hatte ich schon nach einer halben Stunde bei 3-4 Grad genug. Aber das mit dem Laub kann ich gut nachvollzeiehen, da bin ich auf meiner Tour auch immer froh wenn eine Laubpassage kommt, da Laub so eine Art Isolationsfunktion hat d.h. der Kälteeinfluß des kalten Bodens wird dann ferngehalten.
Gehst Du eigentlich zu Markus Wintertreffen, fit genug bist Du ja dafür und Markus deutete ja in seiner Antwort auf diesen Beitrag so was an indem er sich freute Dich bald mal persönlich kennenzulernen. Für mich kommt das Wintertreffen jedenfalls nicht in Frage, ich freue mich barfußtechnisch aufs Frühjahr ;-)

Wünsche Dir noch viele schöne winterliche Trainingseinheiten
Barfüßige Grüße
Rainer

Der erste Schnee

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 24.11.2004, 18:38 (vor 7248 Tagen) @ RainerL

"Gehst Du eigentlich zu Markus Wintertreffen, fit genug bist Du ja dafür und Markus deutete ja in seiner Antwort auf diesen Beitrag so was an indem er sich freute Dich bald mal persönlich kennenzulernen. Für mich kommt das Wintertreffen jedenfalls nicht in Frage, ich freue mich barfußtechnisch aufs Frühjahr ;-)"

Hallo Rainer,
ja, ich habe mich fürs Wintertreffen in Düsseldorf angemeldet. Ein Zeckenbiß wird mich wohl diesmal nicht daran hindern. Wobei ich allerdings kein Verlangen nach zweistelligen Minusgraden oder Schneesturm habe. Auch Dauerregen wäre nichts für mich, unabhängig davon, ob ich barfuß laufe oder nicht. Am liebsten wäre mir auf Feldern liegender Schnee, aber trockenen Straßen, Sonne, kein Wind und Temperaturen zwischen 5 und 10°C tagsüber.
Auf das Frühjahr freue ich mich auch, auch wenn dann die Zecken wieder aktiver werden.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

Der erste Schnee

RainerL @, Stammposter, Thursday, 25.11.2004, 12:52 (vor 7247 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

ja, ich habe mich fürs Wintertreffen in Düsseldorf angemeldet.

Na dann wünsche ich Dir (und den anderen Teilnehmern) viel Spaß dabei und freue mich schon auf den Bericht zum Treffen. Falls Du in Hannover vorbeikommst kannst Du Dich ja mal melden ;-)

Barfüßige Grüße
Rainer

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