Philosophische Aspekte des Barfußlaufens (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Wednesday, 17.11.2004, 17:20 (vor 7255 Tagen) @ aquajeans

Nach der Lektüre fragt man sich unmillkürlich: wozu braucht man da noch Schuhe ?
Es gibt (leider) in meinem Fall eine sehr pragmatische Antwort auf diese Frage: die Gemeindeverwaltung meiner Heimatstadt beispielsweise hat die üblichen Joggerpfade im Gemeindewald an den Steigungen so mit grobem Schotter , Splitt auf Zementbett, gemeinem, scharkantigen Kies usw eingedeckt, dass Barfuss joggen auf den interessantesten Wegen einfach keinen Spass mehr macht, es sei denn, man ist wirklich Masochist und will die Joggingtour mit blutenden Füssen beenden (nicht mein Geschmack). Man ist also auf Joggingschuhe angewiesen, ob mann will oder nicht. Vorgeschobene Ursache für die Zubetonierung : angebliche Erosion durch Jogger und Mountainbiker.
Es gibt sicher den Spass, auf den Reiterweg auszuwandern, und zu dieser Jahreszeit barfuss und midnestens knietief im Matsch rumzuturnen: macht mir eigentlich barfuss echt Spass, auch oder gerade weil man nachher aussieht wie 'n Ferkel, aber das halte ich auch keine 20 km aus: 2 km sind genug und sehr intensiv.
Ich glaube, ich werde mir deshalb ein solches Paar für längere Strecken leisten, aller Prinzipien zum Trotz, selbstverständlich ohne deshalb das Barfusslaufen aufzugeben.
Ein Wermutstropfen bleibt: Nike wird mit der Werbung bestimmt Erfolg haben, denn Nike hat herausgefunden, wie man den Leuten, die eigentlich barfuss laufen wollen, was v e r k a u f e n kann.
Unser Problem ist halt, unser Hobby ist per se gratis, und deshalb so unattraktiv. Selbst Flip flops muss man kaufen, den Spass, barfuss durch Schnee oder Matsch zu laufen, gibt es immer noch umsonst.
Dass trotzdem manchereiner durch diese Werbung zum richtigen, unverfälschten, Barfusslaufen kommt, mag man nur hoffen.
MfG
Aquajeans

Hi aquajeans!

Inhaltlich muß ich mich der Kritik von Barpfotenbaer anschließen; Werbung oder positive Darstellungen von Schuhen finde ich ziemlich bedenklich (wenn auch selbstverständlich erlaubte freie Meinungsäußerung), denn für einen überzeugten Barfußläufer sollten Schuhe allenfalls ein "notwendiges Übel" in bestimmten Lebenslagen (z. B. Beruf), aber eben doch ein ÜBEL, sein und auch bleiben.

Für meinen Teil bin ich inzwischen dabei, in meine Philosophie des barfüßigen Lebensstils das Element des Verzichts, vor allem aber der Verweigerung stärker einzubauen. Was ist nötig, und was brauche ich nicht?

Es ist im Forum schon einiges zum Aspekt des Verzichts beim Barfußlaufen geschrieben worden. Das trifft auch zu, denn einerseits sind die Füße durch den verzicht auf Schuhe befreit, zum anderen aber ist man im nachteile, wenn man auf schwierigen Böden unterwegs ist, und gewisse Gebiete wie Felder mit scharfkantigem Geröll, Dornendikkicht sowie Gegenden, in denen gedankenlose Zeitgenossen gerne mutwillig Glasflaschen zerschmeißen, sind dadurch dauernd oder zeitweise für Barfüßer unzugänglich, aber dann muß man eben dauernd oder zeitweise auf das Betreten dieser gebiete verzichten.

Es wurde auch schon darüber diskutiert, daß man barfuß zu bestimmten Lokalitäten, (gewisse Diskotheken, Restaurants, Vergnügungsparks, Neue Pinakothek in München) keinen Zutritt erhält bzw. aus diesen rausgeschmissen wird. Hier läßt sich der Verzicht auf das Betreten dieser Lokalitäten, der vielleicht sogar als schmerzlich empfunden werdeen mag, trefflich mit dem Element des Protestes und der Verweigerung verbinden: Wo ich barfuß nicht willkommen bin, da will ich gar nicht hin. Hilfreich wäre es in diesem Zusammenhange, eine "schwarze Liste" solcher Orte ins Netz zu stellen und zum Boykott derselben aufzurufen.

Dieser Gedanke läßt sich sogar auf weitere Lebensbereiche übertragen, die primär keinen barfußtechnischen Bezug haben:

Barfußlaufen als Protest gegen den Konsumterror, für die Schuhe als Sinnbild dienen (und tatsächlich sind gewisse führende Schuhhersteller sehr umsatzstark), gegen Zerstörung der Natur (barfuß zu gehen bedeutet, sanft zur Erde zu sein), gegen Krieg (barfuß als Symbol für friedfertige Standfestigkeit), gegen Personenkult und Starrummel (barfuß als stärkere Besinnung auf den eigenen Körper und dessen Leistungsfähigkeit, gerade im Winter => Austesten der eigenen Grenzen) und gegen die turschuhversessene hedonistische kapitalistische Spaßgesellschaft, die an ihrer Dekadenz sowieso in diesem Jahrhundert zugrunde gehen wird, ganz allgemein.

Natürlich stehen mir diese Gedanken nicht ins gesicht geschrieben, wenn ich abends barfuß durch München gehe und mir etwas zu essen oder ein Buch kaufe (das sind notwendige Dinge: Nahrung für Körper & Geist). Ich brauche meine Gedanken nicht auf ein großes Schild zu malen oder sie lauthals herauszuschreien; es genügt, daß ich mir selbst dessen eingedenk bin, und bei Gelegenheit (die ich hier und jetzt gerade sehe und wahrnehme) bin ich gerne bereit, meine Gedanken schriftlich oder mündlich mitzuteilen. Wenn ich jemanden überzeugen kann, ist das erfreulich, und wenn nicht, macht es mir auch nichts aus.

Ich habe mir kürzlich überlegt, wofür ich Geld ausgebe: Essen, Auto (Treibstoff, Reparaturen, Steuer, Versicherung), öffentliche Verkehsmittel, Unterkunft, Energie (Heizung, Strom, Wasser), Telefon und Bücher (nur Sachbücher, keine "Literatur"): eine ganze Menge!

Wieviel sich davon reduzieren läßt, weiß ich nicht, aber ich bin froh um jeden "Schnickschnack", den ich nicht brauche und versuche, Werbung (die bekanntlich der Wekkung von Bedürfnissen dient) nach Möglichkeit zu ignorieren.

Aber bevor ich mich hier gänzlich "off topic" verliere, höre ich an dieser Stelle auf, zumal meine "Barfuß- Philosophie" ohnehin noch längst nicht abgeschlossen ist; es sind Gedanken, die kommen, allmählich zueinander finden und sich ganz langsam zu einem System verbinden, ein spannender Vorgang!

Philosophische Barfußgrüße,
Markus U.


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