Barfußwanderung im November (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 15.11.2004, 09:34 (vor 7257 Tagen)

Wenn einer jetzt damit rechnet, daß ich nun mit einem Bericht über barfüßige Erfahrungen im Schnee aufwarten würde, den muß ich enttäuschen. Nicht etwa, weil draußen Schnee liegt, es mir aber zu kalt ist, mich dort auf freiem Fuß zu bewegen. Der Grund ist viel einfacher: Hier liegt überhaupt kein Schnee! Soll ich mich deswegen ärgern! Nein! Ich gehöre halt zu denjenigen Leuten, die auch (oder gerade?) Spaß am Barfußlaufen haben, wenn kein Schnee liegt.

Letzten Samstag (13.11.2004) riß nach einigen Niederschlägen am Vormittag die Wolkendecke auf, gegen 11 Uhr verließ ich meine Wohnung. Es war etwa 5°C kalt (oder warm, wir haben ja November). Die Zeit, die ich diesmal zum Überlegen brauchte, ob ich Schuhe mitnehmen sollte oder nicht, war schon etwas länger als an einem Hochsommertag, aber das Ergebnis war schließlich doch das gleiche! Der erste Kilometer führte über vergleichsweise rauhen und nassen Asphalt. Manchmal habe ich den Eindruck, als ob rauher Asphalt dann mehr schmerzt, wenn man die Wohnung verlassen hat (auch wenn man dort schon barfuß gelaufen ist) oder wenn man gerade die Schuhe ausgezogen hat, die einen den lieben langen Arbeitstag gequält haben. Dann aber erreichte ich einen Waldweg, der sich bald derart verengte, daß kein Auto (also auch kein Polizeifahrzeug, das vielleicht einer der wenigen mit Handy bewaffneten Autofahrer gerufen haben könnte) mehr durchfahren kann. Über feuchte laubreiche Wege ging es bergauf, es tropfte von den Bäumen. Die Füße fühlten sich kalt an, aber ich empfand keinerlei Schmerzen. Es folgte ein Schotterweg, aber ein Fahrzeug mit Überbreite hatte neben der Piste eine Reifenspur hinterlassen, die natürlich besonders angenehm zu begehen war. Die Sonne "brannte" so, daß ich die Jacke im Rucksack verstecken mußte. Da ich schnell vorankam, erwärmten sich meine Füße rasch.

Am "Fröschengüllen" setzte ich mich auch eine Bank, um etwas zu essen. Eine Frau mit Hund kam vorbei und sprach: "Junger Mann, sie erkälten sich noch, wenn Sie ohne Jacke hier sitzen!" "Nein!" war meine kurze aber bestimmte Antwort. Erst jetzt entdeckte sie meine nackten Füße und rief erstaunt: "Sie sind ja barfuß!" Worauf ich ihr erzählte, daß das gesund sei und es im Raum Köln ein alltägliches Bild sei, daß Leute barfuß wandern. Ich erzählte ihr noch, daß ich das nicht nur vom Lesen wüßte, sondern sogar selber an einer Wanderung teilgenommen habe. Sie fragte noch: "Haben Sie nie eine Erkältung?" Meine Antwort war: "So gut wie nie, nur ab und zu mal ein Zeckenbiß!" Da war sie zufrieden.

Kaum war sie weitergegangen, da merkte ich, daß es im Schatten der Bäume doch recht kühl ohne Jacke war. Da ich aber die Kekstüte noch nicht verzehrt hatte (genauer: die Kekse darin, die Tüte selbst hatte ich nicht für den Verzehr eingeplant), begab ich mich auf eine Wiese vor der Bank. Das Gras, das im Schatten war, war naß und kalt. Aber das bereits von der Sonne beschienene Gras war angenehm. Besonders angenehm waren aber die vielen Maulwurfshügel, die dort waren, als ich ankam - und bodeneben waren, als ich ging.

Der Wanderweg führte aus dem Wald heraus, eine Treckerspur bestimmte nun den Weg. Dann mußte ich eine mäßig befahrene Straße überqueren. Alle Fahrzeuginsassen starrten mich an, wie wenn ich von einem anderen Planteten käme. Schon war ich wieder im Wald. Unter anderem führte der Wanderweg recht steil hinauf. Teilweise war es matschig. Wie oft hatte ich diese Stelle verflucht, wenn ich mit Schuhen unterwegs war und ausgerutscht. Jetzt aber konnte ich die Zehen regelrecht in den Matsch bohren und hatte so mehr Halt. Kaum war ich oben, da setzte ein Graupelschauer ein, aber er war nur kurz, die Bäume hielten ihn zurück. Es folgte wieder ein Schotterweg, aber als Alternative blieb mir der Streifen neben dem Weg, von infolge Holzarbeiten etliche Tannenzweige lagen. Daß Tannengrün, auch wenn es von "richtigen" Tannen und nicht von Fichten stammt ein angenehmer Untergrund zum Barfußlaufen ist, hätte ich früher nie gedacht!

Leider war der Wald bald vorbei, es folgte freies Gelände. Da die Sonne hinter Wolken verschwunden war und der kalte Ostwind (Bise) mich nun voll erwischte, sah ich mich genötigt, wieder Winterkleidung (d. h. die Jacke) anzulegen. Über das Gelände eines holzverarbeitenden Betriebes gelangte ich ins Dorf Langnau. Nur ein kurzes Stück benutzte ich die Hauptstraße, aber es reichte aus, um doppelt soviel "große Glotzaugen" zu produzieren wie mir Leute begegneten. Dann aber bog ich ab, an der Kirche vorbei, dann einen Feldweg. Dort, wo der Feldweg an der Straße endete, die über die Autobahn führt, stand eine Frau am Fenster und fragte, ob sie mir helfen könnte. Sieht man als Barfüßer den hilfsbedürftig aus? Ich verneinte und überquerte die Autobahnbrücke, um dann den Weg neben der Wigger zu benutzen.

In Brittnau war gerade der "Trödler an der Ecke" (ein mittlerweile pensionierter Gabelstaplerfahrer in der Firma, in der ich arbeite) dabei, seinen Laden zu schließen. Er musterte mich, dann fragte er, ob ich auch ein Opfer des Stellenabbaus in der Firma geworden sei und nun kein Geld mehr für Schuhe hätte. Worauf ich antwortete: "Nein, noch will die Firma mich behalten. Aber ich übe schon für den Fall. Und gesund ist es auch noch." Später begegnete ich noch einem Arbeitskollegen, der nach einer Operation nun 4 Wochen sich zu Hause schonen muß. Er war in Begleitung zweier älterer Leute, vermutlich seiner Eltern, die vermutlich zu Besuch sind). Er erwiderte meinen Gruß nur flüchtig (so wie man einen fremden Wanderer grüßt, wenn man sich irgendwo begegne), wobei ich nicht sicher bin, ob es auf seine Operation zurückzuführen ist oder ob es ihm in Gegenwart seiner Eltern peinlich war, einem barfüßigen Arbeitskollegen zu begegneten.

Ich verließ den Weg an der Wigger, kam an einem Haus vorbei, wo Leute sich unterhielten. "Das gibt's doch nicht," sagte einer. Ich schritt noch einmal in Richtung Altstadt. Ich hatte das Verlangen, noch einmal das Kopfsteinpflaster unter meinen nackten Füßen zu spüren. Irgendwie spürte ich die Fugen nicht mehr, so zügig kam ich voran. Ein paar erstaunte Blicke, ein Kind, das laut "Bluttfues" rief. Es wurde dunkel. Als ich den Bahnhof unterquerte, zeigte das Thermometer auf dem Dach der Firma, wo ich arbeite, gerade +4°C an. Jetzt hatte ich nur noch etwa einen Kilometer vor mir, also kein Problem. Ein Nachbar kam auch gerade nach Hause, keine Worte zu meiner Barfüßigkeit, er kennt mich halt.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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